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Wir sind an der Küste nach Estland eingereist. Im englischen Prospekt „Romantische Küste“ ist auf unserem Weg in den Soomaa Nationalpark eine Ziffer eingezeichnet. Hinter der Ziffer verbirgt sich „Garden Collection of Chilli Pepers“. Wir wollen herausfinden, was sich dahinter verbirgt. Da in der Nähe auch ein Fruchtweingut liegt, verbringen wir den Tag kulinarisch.
Fahrt zu Metste Talu
Nach unserem Besuch im Fruchtweingut Allikukivi, leitet uns das Navi auf der A 6 nach Osten und nach wenigen Kilometern nach links, Richtung Kärsu auf eine Schotterstraße. Wir halten an, denn nach unseren lettischen Schotterpistenerlebnissen sind wir erst mal sehr skeptisch. Aber wir wollen zu Metste Talu und der Weg führt über die Schotterstraße. Langsam fährt Bernhard los, aber es ruckelt und scheppert nichts. Die Straße ist eine Straße und keine Piste. Er beschleunigt sogar bis 70 km/h und es rumpelt nichts! Natürlich staubt es, aber unsere Inneneinrichtung hört sich nicht so an, als wollte sie zusammenfallen. Nach einigen leichten Kurven sehen wir bereits das Schild.

Wir fahren über einen Wiesenweg neben das Haus. Eine junge Frau sitzt hinter dem Haus im Garten an einem Tisch auf dem ein Plastikkorb steht. Eine ältere Frau sitzt neben ihr und hält ein Baby im Arm. Alle schauen auf und ein Mann kommt auf unser Fahrzeug zu.
Kontakt
Metste Talu, Dorf Kärsu, Saarde vald, 86208 Kreis Pärnu, Estland Telefon: +372 512 4698, info@metstetalu.ee, https://www.metstetalu.ee/ Führungen gerne nach Voranmeldung per E-Mail oder Telefon.
Chili – die Idee
Auf unsere Frage, ob wir englisch miteinander reden können, antwortet Tõnu Pärn, das wir deutsch reden können. Er weist in die Runde und stellt die Damen vor. Die Mutter, Vaike Pärn mit dem Enkelkind Jan auf dem Arm und seine Schwester Katrin Pärn-Reiser, die Mutter von Jan und Tom, der später nach dem Mittagschlaf noch hinzukommt. Sie wollten gerade die gelben Chilischoten, die im Korb auf dem Tisch stehen, für die Weiterverarbeitung vorbereiten.

Wie kommt man in Estland auf die Idee, Chili zu züchten? Katrin, die ebenso gut deutsch spricht, antwortet: „Alles begann mit einer Wette unseres Vaters.“ Da wir fragend schauen, erzählen sie die Geschichte. Toomas Pärn wettete mit einem Freund, dass er ohne Probleme eine scharfe Chilischote essen kann. Er gewann die Wette und einige Wochen später schenkte ihm dieser Freund Chilisamen. Vaike pflanzte die Samen ein, denn sie hat, nach Aussage ihrer Kinder, einen grünen Daumen. Mit der Zeit schenkten andere Freunde dem Vater ebenfalls Chilisamen, die sie von Reisen in ferne Länder mitbrachten. Das war der Beginn und im Laufe der Zeit füllte sich das erste Gewächshaus und ein weiteres wurde errichtet.
Wir sind am einem Gewächshaus angekommen, das parallel zur Hausfront im Garten steht. Es ist noch neu und in den parkähnlichen Garten eingefügt. Ein Farbenmeer empfängt uns.


Chili und Schärfe
Die Schärfe von Chili (Schreibweise in Estnisch Chilli) wird in Scoville Einheiten gemessen. Der Pharmakologe Wilbur L. Scoville hat diese Scala zur Abschätzung von Schärfe entwickelt. Grundlage der Messung ist das Capsaicin. Das ist das in der getrockneten Frucht enthaltene Alkaloid, das die Schmerzrezeptoren der Schleimhäute reizt und so die Schärfeempfindung auslöst. Die Scala beruht auf dem Verhältnis zwischen Capsaicin und einer Flüssigkeit, meist Wasser, um keine Schärfe mehr festzustellen. Beispiel: 1 ml reines Capsaicins benötigt 16 Mio ml (=16.000 Liter) Wasser (Quelle Wikipedia).
Katrin weist uns darauf hin, dass Zucker viel besser die Schärfe neutralisiert als Milchprodukte oder Wasser. Außerdem sei der Schmerz bei einer zu hohen Portionierung immer nach 15 Minuten vorbei. Immer!
Gleich zu Anfang im Gewächshaus steht die schärfste Sorte, die Metste Talu anbaut. Die Carolina Reaper erreicht eine Schärfe von über 2 Mio Scoville! Aber nicht nur der Genuss der Frucht ist äußerst risikoreich. Die Ernte findet unter höchsten Sicherheitsmaßnahmen statt, denn die Berührung mit der Frucht und der Pflanze reizt die Haut ungemein. Tõnu benutzt einen Ganzkörperanzug, Handschuhe, Gesichtsmaske und eine Schutzbrille.
Das ist die schärfste Chili der Welt – „Carolina reaper“ Die Namen sind in estnischer Schreibweise auf den Pflanzenschildern
Geerntet werden die Chilischoten in den letzten zwei Augustwochen und bei einer zweiten Ernte im Oktober. Die Familie baut nicht nur Züchtungen an, die sie für ihre Produkte verwendet. Auch wilde Sorten, also natürlich wachsende, wie die Cherabita, die in Mexiko in der Natur vorkommt.

Estland hat lange, kalte, dunkle Winter. Frühjahr, Sommer und Herbst sind jeweils kürzer als wir das in Deutschland gewohnt sind. Daher muss das Gewächshaus im Frühling, manchmal sogar im Sommer nachts und im Herbst beheizt werden, immer, wenn die Temperatur unter 12° fällt. Zusätzliches Licht wird im Frühjahr benötigt, wenn die estnischen Tage noch zu kurz für die lichthungrigen Pflanzen sind.


Mich fasziniert es, wie unterschiedlich die Chilipflanzen in Farbe und Form sind. Außerdem gibt es den Schärfeunterschied nicht nur bei den verschiedenen Pflanzen, sondern sogar pro Strauch. Die Früchte, die an ein und demselben Strauch gepflückt werden, können unterschiedlich scharf sein. Sogar Äste und Blätter der Pflanze geben bei Berührung Schärfe ab. Der Umgang mit den Gewächsen muss somit sehr umsichtig sein.
Diese Chili sehen wie Kirschen oder eben schwarze Perlen aus Wie gelbe Wassertröpfchen hängen diese Früchte am Strauch Die kleinste Chili, mit Namen Cherabita, auf der Hand von Katrin
Gewächshäuser
In diesem Gewächshaus stehen die einzelnen Pflanztöpfen auf unterschiedlichen Etageren und Regalen. Jede Pflanze ist in einem eigenen Töpfchen, da sie individuell Wasser verbrauchen. Jede Pflanze wird sogar einzeln gegossen, nicht, wie man es aus Gärtnereien kennt, mit einem Beriesler oder der Pflanzendusche, die gleichzeitig mehrere Pflanzen gießt.


Die Mutter, Vaike Pärn, ist die Hauptakteurin bei der Pflanzenpflege. Alles was sie in die Erde setzt, gedeiht sehr gut, erklärt Tõnu. Im hinteren Teil des Gewächshauses stehen normale Paprikaschoten, die für die Produktion des Chilipulvers ebenso benötigt werden. Außerdem produziert Metste Talu Zwiebeln, Kräuter und Kürbisse für den Verkauf und stellt auch Aromen her. Metste ist übrigens der Namen des Platzes, an dem die Familie wohnt und Talu heißt Bauernhof auf estnisch.

Mir gefällt das Holzhaus der Familie sehr gut. Tõnu erklärt, dass es 1926/1927 viel kleiner erbaut wurde. Später wurde es ein wenig erweitert und vor 10 Jahren wurde es nochmal verlängert, damit Katrin eine Wohnung im Haus beziehen konnte. Auch hier am Haus zeigt sich der „goldene Daumen“, wie Katrin sagt, der Mutter.

Wir gehen durch eine Baumreihe in Richtung der anderen Gewächshäuser.

Im Zwischenraum des gepflegten Gartens stehen Heidelbeerpflanzen. Jede Pflanze ist eine andere Sorte und manche auch aus anderen Ländern, erklärt Tõnu.


Im ältesten Gewächshaus, das früher für das normale Hausgemüse und Salat erbaut wurde, wachsen heute hauptsächlich Tomaten. Gestern Morgen, vor der Ernte, war noch alles rot, das hätte ein farbenfroheres Bild gegeben, entschuldigt sich Katrin. Mir gefällt die Farbzusammenstellung auch so. Die schöne Holzfarbe der Ständer, das Grün davor und darin, der rostige Ofen, der blaue Himmel – ein stimmiges Bild

In einem neueren halbrunden Gewächshaus wachsen in der Mitte Kinderchili. Vom Aussehen Chilischoten, aber ohne Schärfe. Allerdings mit mehr Aroma als normale Paprikaschoten. Links und rechts davon wachsen die Habaneros, die bereits um die 300.000 Scoville Grade haben.

An einem Schuppen ist der komplette Giebel mit einer Weinrebe der lettischen Sorte Zilga bewachsen. Diese Rebe hält Temperaturen bis minus 35° aus. Eine russische Weinrebe ohne Namen wächst an anderer Stelle im Garten.


Produkte von Metste Talu
Wir haben unseren Gartenrundgang beendet. Direkt neben dem Sitzplatz der Familie ist ein alter Brunnen und ich frage Tõnu, ob der noch genutzt wird. Dieser gehe nur 8 m in die Tiefe und wurde früher genutzt. Um den Wasserbedarf der durstigen Chilipflanzen zu decken, wurde vor drei Jahren ein neuer Brunnen gebohrt, der über 40 m in die Tiefe geht. Der wurde je zu ein Drittel von der Familie, der Gemeinde und der EU gezahlt. Wir setzten uns an den Tisch mit den gelben Chilischoten, die Tõnu zur Seite stellt. Sein sehr gutes Deutsch hat er auf der Universität gelernt. Außerdem schaut er bereits seit 30 Jahren deutsche Sendungen im Fernsehen. Katrin war unterdessen im Haus und kommt mit einem Tablett mit den Erzeugnissen zurück.

Die estnischen Namen sind für uns wieder langwierig zu lesen, aber doch verständlich. Tšillipulber Klassikaline, Tšillipulber Habanero, Tšillipulber Trinidad Moruga Skorpion und die Soße oder Paste Kreemjas Tšillikaste. Diese wird für 3 € pro Glas verkauft und eignet sich hervorragend zu Fleisch und Käsegerichten. Ein kleiner Bestandteil dieser Soße ist Rotwein.


Die Preise von Chilipulver sind in Estland viel günstiger als in Deutschland, betont Katrin. Für ein Glas Tšillipulber Klassikaline verlangen sie 5 €. Das Glas Tšillipulber Habanero kostet 10 € und das Tšillipulber Trinidad Moruga Skorpion kostet 15 €. I
In den letzten Jahren haben sie ihre Produkte auf vielen Märkten in Estland verkauft, aber das ist sehr zeitaufwändig und kostenintensiv. Alle Produkte werden nun online ab Hof verkauft, ebenso Brot und Chilipflanzen bei einem Besuch auf dem Hof. Andere Hofläden im Umkreis haben die Produkte von Metste Talu auch im Angebot. Katrin weist uns auf das Zeichen für eine landwirtschaftliche Produktion in Estland hin. Über die estnische Flagge ist ein stilisierter Tropfen mit Blättern darin gedruckt.

Wir kosten auf einem Löffelchen die Paste, die mild ist und doch im „Abgang“ Schärfe zeigt. Ja, die kann ich mir gut auch zur Würze von Soßen und Salaten vorstellen. So kaufen wir einige der Gläser für uns und einige als Mitbringsel. Katrin geht noch mal ins Haus und kommt, mit dem älteren Sohn auf dem Arm, der seinen Mittagschlaf beendet hat, zurück. Sie packt die Chilis, die sie während unseres Rundgangs in eine Schale gepflückt hat, in eine Papiertüte. Diese gibt sie uns als Geschenk mit und auch ein selbstgebackenes Brot.


Wir sind baff und überrascht von dieser Geste und bedanken uns sehr. Das Geschwisterpaar hat sich gefreut, mal Deutsch sprechen zu können. Sie haben uns einen interessanten Besuch ermöglicht und waren sehr liebe Gastgeber. Wer sich für besondere Landwirtschaft interessiert ist auf dem Hof herzlich willkommen. Allerdings solltest Du Dich vorher anmelden. Vielen Dank, Katrin und Tõnu, für die interessante Führung und die informativen Erläuterungen.
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