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Können Kinder auf dem Motorrad mitfahren? Kann das Erwachsenen und Kindern Spaß machen? Ist das nicht zu gefährlich? Diese Fragen beschäftigen jede neue Generation von Motorradfahrern, wenn sie Eltern werden.
Der Beitrag über Lottis und meine vierwöchige Motorradtour nach Dänemark und Schweden zeigt: Motorradfahren mit Kindern ist wunderbar möglich.
Meine Vorbilder für diese und andere Motorradtouren mit meinen Kindern sind Hjalte Tin und Nina Rasmussen. Das dänische Paar hat weltweit große Touren mit ihren zwei Kindern gefahren. Solange sie klein waren (ab etwas über einem Jahr!), saßen sie vor einem Elternteil auf der Sitzbank, sicher umringt von dessen Armen und Beinen. Als sie dafür zu groß waren, haben sie hinter einem Elternteil gesessen, gut umhüllt und geschützt von Packtaschen und Gepäckrollen.
Die Anzahl von Kindern, die bei einem Elternteil auf dem Motorrad mitfahren hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht. Einerseits liegt das sicherlich daran, das Jahr für Jahr mehr Motorräder zugelassen werden. Andererseits geben viele Motorradfahrer nach Familiengründung ihr Hobby nicht auf. Sondern sie weiten es auf die ganze Familie aus. Da das Budget durch Kinder ohnehin geschmälert ist, wird das in der Garage stehende Motorrad weiter benutzt und nicht von einem Gespann ersetzt.
Wie sicher kann ein Kind auf einem Motorrad mitfahren? Wie bereitet man eine Tour mit einem Kind vor? Wie weit kann man mit einem Kind täglich fahren? Wie sollte die Ausrüstung beschaffen sein? Welche Touren sind zu empfehlen? Diese und andere Fragen wurden unter meiner Leitung in den Jahren 2001 und 2002 bei zwei verlängerten Wochenenden in der Jugendherberge in Bonndorf im Schwarzwald behandelt. Die Veranstaltungen liefen unter dem Namen MiKiMoTo (MitKindernMotorradTouren) und wurden von mir entwickelt. Sie wendeten sich an Motorradfahrende mit älteren Kindern, etwa ab sechs Jahren. Oder mit entsprechender Größe, für die der Platz hinter dem Fahrer gewählt werden muss.
Eine Checkliste mit allen Tipps von dieser Seite habe ich als exklusiven Service für Dich zusammengestellt. Du kannst sie hier kostenlos downloaden. Viel Spaß damit!
Wie sicher kann ein Kind auf einem Motorrad mitfahren?
Eigene Fahrweise
Meiner Meinung nach kann ein Kind auf einem Motorrad ebenso sicher mitfahren, wie in einem Auto. Es kommt auf die eigene Fahrweise an. Ich selbst bin eine äußerst defensive Fahrerin – erst recht mit Kind auf dem Sozius. Ich fahre vorausschauend, ich gehe davon aus, dass mir jeder andere Verkehrsteilnehmer „an den Kragen“ will. Ich fahre immer mit Licht, im Wald, mit Sonne-Schattenwechsel sogar mit Fernlicht. Ich bin immer bremsbereit und bestehe beim Fahren, auch auf Vorfahrtsstraßen, nie auf meinem Recht. So werde ich auch nicht umgefahren. Viele Aufprallunfälle passieren, da Autofahrer beim Abbiegen den Motorradfahrer übersehen. Der Abbieger aus der Seitenstraße, der Einfahrt oder der Entgegenkommende auf der Linksabbiegerspur. Ich rechne damit, nicht gesehen zu werden, verlangsame die Geschwindigkeit und bin bremsbereit. Erst wenn ich Augenkontakt mit dem Fahrer habe, beschleunige ich wieder.
Wer vorhat, mit Kind zu fahren, sollte sein Motorrad beherrschen und ein Sicherheitstraining besuchen, ab besten jährlich. Du trainierst Dein Reaktionsvermögen, lernst Dein Motorrad besser kennen. Ein Sicherheitstraining gibt Dir auch weiteres Handwerkszeug zur Motorradbeherrschung.
Wo sitzt das Kind?
Wichtig für die Sicherheit ist nicht nur die Schutzkleidung (siehe „Wie sollte die Ausrüstung beschaffen sein?“) sondern auch der Sitzplatz des Kindes. Die Fußraste sollte natürlich vom Kinderfuß erreicht oder passend umgebaut werden.
Kleine Touren am Nachmittag mit einem aufmerksamen, wachen Kind, brauchen vielleicht keinen Seitenhalt. Bei einer Tour, die über mehrere Tage oder über längere Strecken geht, sollte das Kind seitlich und am Rücken einen Halt haben. Dies wird, ggf. durch Seitentaschen und darauf aufgeschnallte kleinere Gepäckrollen und Topcase oder Gepäckrolle erreicht.
Der Beifahrersitz wird mit dem Rucksack verkleinert. Ich habe vor dem Kind noch genug Platz. Rutsche ich ein wenig zurück kann ich das Kind wenn nötig einklemmen
Kindersitz und Haltemöglichkeiten
Ich persönlich halte nichts von Kindersitzen mit Anschnallvorrichtung auf dem Motorrad. Im Falle eines Unfalls ist das Kind unwiderruflich fest mit dem Motorrad verbunden. Das wollte ich nie. Ich selbst möchte auch lieber „vom Motorrad weg“, als mit Motorrad irgendwo gegenprallen, eingeklemmt werden etc.
Um den Kindern die Möglichkeit zu geben, sich festzuhalten, reicht es, wenn Du einen Gürtel anziehst. An dem sollten Schlaufen befestigt sein, an denen sich das Kind mit Motorradhandschuhen auch festhalten kann. Ich hatte immer eine Bauchtasche, an deren Gurt sich Lotti festhalten konnte. Sie saß immer rundum geschützt, hatte Halt durch das Gepäck.
Vorher Abläufe üben für den Fall eines Unfalls
In Sicherheitstrainings habe ich gelernt, dass es besser sein kann „abzufliegen“, statt aufzuprallen. Falls ein Aufprall bevorsteht (z.B. Auto), in den Fußrasten aufstellen und „flugbereit machen“. So kommt man mit Glück über das Auto. Bei der Landung nicht wie ein Sack aufkommen, sondern geschmeidig wie eine Katze. Leicht gesagt, aber wie getan? Üben! Aufstellen in den Fußrasten üben. Körper fit und geschmeidig halten. Sei dir klar über die Kraft der Fliehkräfte! Und natürlich: vorausschauend fahren.
Mit Lotti habe ich geübt:
Aufprall droht: Während langsamen Fahrens: Aufstehen in den Fußrasten – beide, nach Zuruf. Festhalten an Mama. Mama greift nach linkem Kinderarm – im Glücksfall landet das Kind auf mir. Wir haben es nie in der Praxis probiert – ich bremse lieber!
Seitliches ausrutschen: Arme und Beine bleiben am Körper bzw. Motorrad. Da ich mit Packtaschen und Tanktaschen gefahren bin, wären wir auf den Taschen gerutscht, aber nicht auf unseren Gliedmaßen. Schultern und Kopf ragen zwar über dem Motorrad und Gepäck raus, aber die haben (hoffentlich) gute Protektoren und einen guten Helm.
Schlechtes Beispiel
Als Lotti und ich anfingen Motorrad zu fahren, hat ein Motorradfahrer aus einer Nachbargemeinde sein Kind auf der Autobahnauffahrt verloren! Wie das? Nun, er hatte ein sehr hochmotorisiertes Motorrad, mit einem erhöhten Soziussitz. Die Füße des Kindes reichten nicht bis zu den Fußrasten. Der Papa war recht korpulent, die Goretexjacke lag eng am Körper an. Der Siebenjährige hatte Gummistiefel, eine Sommerjacke, Mamas Helm und Winterhandschuhe an! Aber keine Möglichkeit, sich festzuhalten. Er konnte sich nur mit den Schenkeln am Sitz festklemmen.
In der Autobahnauffahrt gab der Papa – so wie immer – richtig Gas, und der Junior rutschte hinten vom Motorrad. Und der Papa hat das noch nicht mal gemerkt! Ein nachfolgender PKW bremste und brachte den Junior zur nächsten Polizeistelle!
Wie sollte die Ausrüstung beschaffen sein?
Schutzkleidung
Ich selbst fahre immer in kompletter Schutzkleidung Motorrad – denn ich habe nur die eine Haut, die ich „zu Markte“ trage und nur einen Kopf auf meinem Hals. Selbst die Motorradstiefel fehlen nicht auf kleinsten Ausflügen. Das, was für mich wichtig ist, ist erst recht für (m)ein Kind wichtig.
Noch in den 1990er Jahren musste man, wollte man für den Sprössling protektierte Schutzkleidung erwerben, auf die Anbieter von Motocross-Bekleidung zurückgreifen. Heutzutage gibt es in einem guten Motorradzubehörladen Kinderbekleidung mit Protektoren ab Größe 110 in allen Stilrichtungen des Motorradfahrens. Da Kinder schnell aus der Ausrüstung herauswachsen hat sich jedoch mittlerweile ein guter Secondhand-Markt im Internet, in den einschlägigen Zeitschriften und bei Motorradclubs etabliert.
Beim Helm würde ich immer auf einen Neuen Helm für das Kind zurückgreifen, einen der Kopf und Gesicht vollständig schützt.
Gegensprechanlage
Ich empfehle eine Gegensprechanlage. So bist Du immer über das Empfinden des Kindes informiert. Du weißt ob es friert, Pipi muss, ein Eis essen will oder sonst was auf dem Herzen hat. Dem Kind wird nicht langweilig, denn ihr könnt in normaler Lautstärke miteinander reden. Deine Aufmerksamkeit bleibt auf der Straßen und bei den anderen Verkehrsteilnehmern.
Gepäck (Achtung, hier folgt Werbung!)
Ich selbst habe nur Packtaschen von Ortlieb. Die passen auf jedes Motorrad. Bei einem seitlichen Sturz, wenn ein Bein zwischen Straße und Gepäck gerät, gibt eine weiche Packtasche anders nach als ein harter Koffer oder eine Alubox.
Auf der weichen Packtasche von Ortlieb lässt sich prima ein Packsack befestigen
Die Packtaschen werden über die Sitzbank gelegt, durch Klettband lassen sie sich der Breite des Sitzes anpassen. Mit Spanngurten werden sie rechts und links vom Sozius, z.B. an der Fußraste, angebracht. Auf den Packtaschen befestige ich Gepäckrollen, gefüllt z.B. mit den Schlafsäcken.
So sieht das gepackte Motorrad von der Seite aus
Ist zwischen dem Kind und Topcase oder Gepäckrolle noch Platz, befestige hinter dem Kind mit einem Netz einen Rucksack, den ihr z.B. bei Wanderungen benötigt. Lotti saß immer bequem wie in einem Lehnstuhl mit hohen Armlehnen. Sie hätte nicht seitlich oder hinten vom Motorrad rutschen können.
Durch das Gepäck ist das Kind rundum geschützt, bis hinauf zum Nacken
Als Gegengewicht für die Gepäckrolle hatte ich meine Ortlieb-Fahrradtaschen zu Tanktaschen umfunktioniert. Auf meine Befestigungsplatte des Tankrucksacks habe ich ein stabiles Drahtgestell aufgelegt, sozusagen als Fahrradgepäckträgersimulation. Dieses Drahtgestell wurde vom aufgesteckten Tankrucksack gehalten. An das Gestell habe ich die Fahrradtaschen eeingehängt, der Ortliebverschluss hält die Packtaschen am Drahtbügel fest. Zur Redundanz habe ich aber noch einen Gurt unter dem Tankrucksack gespannt, der die beiden Taschen am Verschluss festgehalten hat. Je ein weiterer Gurt spannte nach unten an den Motorradrahmen jede Packtasche ab. Auch bei einem Sturz wären sie nicht davongeflogen, sondern hätten unsere Beine vor der Straße geschützt.
Gurte halten die Fahrradtaschen an Ort und Stelle
Wie bereitet man eine Tour mit einem Kind vor?
Will das Kind überhaupt Motorrad fahren?
Nur wenn das Kind wirklich mitfahren möchte, sollte man überhaupt darüber nachdenken, mit Kind Motorrad zu fahren. Fange mit geliehener Ausrüstung und einem kleinen Ausflug zum übernächsten Spielplatz, Wald, Sportplatz oder Eisdiele an.
Mit dem Kind über die Gefahren beim Motorradfahren reden
Das Kind muss wissen, dass es von einem Motorrad herunterrutschen kann. Das es gefährlicher als beim Auto sein kann, wenn die Eltern abgelenkt werden. Eltern und Kind müssen sich für das Fahren Verhaltensregeln auferlegen. Es darf während der Fahrt kein Streit darüber entstehen. Die miteinander aufgestellten Verhaltensregeln sind bindend!
Pausen
Spätestens nach einer Stunde sollte eine kurze Pause und nach zwei Stunden eine mindestens halbstündige Pause eingeplant werden. Während der Pause sollten sich alle bewegen. Ein Frisbee oder Fußball, ein toller Spielplatz mit Klettermöglichkeiten oder sonstige Bewegung tut allen Reisenden gut!
MiKiMoTo – Ein schöner Pausenplatz ist gefunden, alle steigen ab
Keine Langeweile für das Kind auf dem Sozius
Über die Gegensprechanlage haben meine Tochter und ich viel gesungen, Matheaufgaben gelöst, Geschichten erzählt, Rätsel geraten und vieles mehr. Während der Fahrt haben beide Zeit für Gespräche miteinander. Bitte darauf achten, dass es keine Streitthemen sind, schließlich wollt ihr positive Zeit miteinander verbringen.
Lotti war immer für die Navigation zuständig. Wir fuhren noch „10 Jahre vor Navi oder Google Maps“. Landkarte und Roadbook lesen war noch dran. Morgens haben Lotti und ich die Tour mit der Landkarte besprochen. Ich habe das Roadbook leserlich geschrieben, weil Lotti es lesen sollte. Die Landkarte hatte ich auf dem Tankrucksack. Das Roadbook hing in einem Wanderkarten-Klarsichtteil auf meinem Rücken. Also vor Lottis Nase. Sie musste Straßenschilder lesen, mit dem Roadbook vergleichen und mir die Richtung angeben. „Mama, an der Kreuzung da vorne nach links, nach Växjö,“ zum Beispiel. Da die angegebene Entfernung kleiner wurde, hat sie gleich noch ausgerechnet, wie weit wir bereits gefahren sind und wie weit wir noch fahren wollen.
Da die Landkarte und das Roadbook immer mal am „Ende der Seite waren“, mussten wir zum Umblättern Pausen machen. Auch diese Plätze hat Lotti angewiesen. Und natürlich die Stellen zur Mittagspause.
Die Vesper schmeckt – danach Frisbeespiel auf der großen Wiese
Ich hatte natürlich die Tour im Kopf, bin aber Lottis Anweisungen gefolgt, auch wenn sie sich vertan hat. Sie hat es ja kurze Zeit später gemerkt und mich zum Umkehren aufgefordert.
Lotti war am Spätnachmittag auch zuständig, einen Campingplatz zu finden. Da wir meist nicht wussten, wie weit wir an jedem Tag fahren würden, hatten wir diese nicht vorausgeplant. So blieb ihre Aufmerksamkeit bei allen Fahrten hoch und – das ist das Wesentlichste – sie war mit diesen Aufgabenstellungen für das Gelingen der Reise wichtig.
Wie weit kann man mit einem Kind täglich fahren?
Das kommt auf das Kind und die Beschaffenheit der Tour an. Um bei An- und Abreise Strecke zu machen habe ich maximal 400 km pro Tag auf der Autobahn verbracht. Mit zwei kleinen und einer großen Pause. Das haben wir nach Möglichkeit morgens abgespult und uns am Nachmittag was (für Kinder) Tolles angeschaut, waren schwimmen oder haben Freunde besucht.
Diese Autobahnfahrten habe ich vor der Tour oft mit dem Kind besprochen, ihr die Notwendigkeit des langen Stillsitzens, erklärt. Ich habe ihren Einwänden und Fragen zugehört und bin darauf eingegangen. Wir haben uns auch für die Fahrt etwas vorgenommen. Beispielsweise eine Geschichte aus dem aktuellen Lieblingsbuch zu erzählen oder weiterzuspinnen.
Unsere kürzeste Tour auf der Schwedenreise waren 37 km. Nicht geplant, aber voll in Ordnung.
Welche Touren sind zu empfehlen?
Touren mit Kindern sind anders vorzubereiten. Kinder haben andere Bedürfnisse. Ein zufriedenes Kind, das auf seine Kosten kommt, ist der Garant für eine erholsame, spannende, abenteuerreiche Familientour.
Für Kinder ist die schönste kurvenreiche Straße oder der höchste Pass mit der Zeit uninteressant, wenn zwischendurch nicht auch ihre Interessen zur Geltung kommen. Hier ein toller Spielplatz, da eine große Wiese zum Frisbeespielen, dort ein Tierpark oder Schwimmbad. Der kindliche Bewegungsdrang sollte befriedigt werden. Beachte bitte die Hinweisschilder auf der Strecke, sei selbst neugierig, werde wieder Kind!
Ein lohnendes Ziel ist der tosende Rheinfall in Schaffhausen. Dort machten wir unsere Vesperpause, bevor es mit dem Schiff in das Wasserinferno ging
Große Touren eventuell unter ein Motto stellen und lange vor der Tour mit dem Kind vorbereiten. Wir haben ab Januar über Wikinger gelesen und alle Bücher von Astrid Lindgren. Im Juli haben wir eine Woche in Dänemark alle möglichen Wikingerstätten besucht und in Schweden alles, was mit Astrid Lindgren zu tun hat.
Mit der richtigen Vorbereitung und aufmerksamen Unterwegssein können so für Fahrer und Kind unvergessliche Touren unternommen werden.
Die MiKiMoTo Gruppe im Hof der Jugendherberge in Bonndorf
Tipps zum Download
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Ich wünsche Dir und deinem Kindern wunderbare, erlebnisreiche und abenteuerliche Motorradtouren. Viel Spaß!
Deine
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Eine große Motorradtour sollte es sein mit vielen kindgerechten Attraktionen. Bei meiner Tochter waren Astrid-Lindgren-Bücher top angesagt. Die Wikinger hatte sie in einer anderen Buchreihe entdeckt. Und die Protagonisten der Bücher lebten in Dänemark und Schweden – somit war das Ziel klar.
Das Auto vor ihr sortiert sich auf der Linksabbiegerspur ein, sie selbst bleibt auf der Rechtsabbiegerspur. Ein kurzer Seitenblick, von links ist frei, also gibt sie Gas. Rumms, der Linksabbieger hat es sich jetzt doch anders überlegt und Lotti beim rechts abbiegen gerammt. Zum Glück fahren die Autos nicht schnell und haben dicke Gummistoßstangen rundum, es passiert also nichts.
„Jetzt musst du nur noch ein Kindermotorrad kaufen, dann kann ich selbst fahren, Mama“, ruft sie glücklich, als sie mit ihrem Legoland-Führerschein angerannt kommt. Kann ich aber nicht und so muss sie während unserer großen Dänemark-Schweden-Motorradtour bei mir als Sozia mitfahren.
Die Fahrprüfung macht große Freude im Legoland
Dänemark liegt eigentlich nicht auf dem direkten Weg nach Schweden, denn durch die verschiedenen Fährverbindungen ist die Anfahrtszeit recht kurz geworden. Aber ich hatte seit zwei Jahren den Besuch von Legoland in Billund versprochen und wir planten daher die Anreise durch Dänemark. Wir hatten bei der Anreise zwei etwa vierstündige Autobahnetappen. Wir hatten über diese „langweiligen“ Etappen gesprochen, Lotti war die Notwendigkeit des langen Stillsitzens klar. Wir haben uns unterwegs Geschichten von Astrid Lindgren erzählt, gesungen und gerechnet. Die Nachmittage verbrachten wir bei Freundinnen mit Kindern, die praktischerweise bei Hannover und bei Flensburg wohnen. Spielen, bewegen, lachen, toben – der richtige Ausgleich für die Achtjährige.
In den Tankpausen unterwegs gab es natürlich ein Eis!
Legoland Billund
Ich mag eigentlich keine Freizeitparks, aber das Legoland in Billund ist faszinierend. Überall, teils unverhofft, stehen Gebäude, Tiere oder Menschen aus Legosteinen. Stadt- oder Landschaftsteile, Flughafen, Bahnhof, Schleusenanlagen und Häfen sind aufgebaut und in Bewegung. Schiffe fahren und schleusen, LKW transportieren Waren, auf einer Ölplattform wird gearbeitet und Züge halten an Bahnhöfen.
Die Tiere sind aus Legosteinen
Selbst die Fahrattraktionen sind in die Legowelt
integriert. Kann man sich vorstellen, dass bei einigen der Gebilde bis zu 4,5
Mio. Legosteinen verbaut sind? Wir trennen uns abends nur schwer von der
Legowelt, aber wir sind bei Freunden auf Langeland angemeldet und müssen noch
zwei Stunden fahren.
Wikinger live – nicht nur im Bilderbuch
Unsere nächste Tagesetappe führt uns nur über die Ostküste von Fünen bis zum wunderschön gelegenen Campingplatz von Nyborg. Trotzdem das Meer mit herrlichem Sandstrand lockt, fahren wir nach dem Zeltaufbau ohne Gepäck zur Schiffsetzung nach Ladby, unserer dritten Wikingerstätte. In der Nähe von Schleswig haben wir schon das Museum Haithabu besucht. Die ausgestellten Fundstücke, die die Lebensgewohnheiten der Wikinger veranschaulichen, stammen aus der teilweise ausgegrabenen Handelsstadt aus der Zeit um 900 bis 1100 n. Chr. An der dänischen Nordseeküste, nahe dem schönen Städtchen Ribe ist ein Freilichtmuseum, in dem „Berufswikinger“ den Besuchern das Leben der damaligen Zeit vorführen. Derzeit wird dort mit alten Handwerksmethoden der Stadtkern aus dem Jahre 825 n. Chr. neu errichtet. Lotti half mit, indem sie Holznägel für die Häuser herstellte, die, ganz ohne Eisen, nur aus Holz, Leder, Gras und Schilf gebaut werden. Bei einem Wikingerjungen, der Fladenbrot backte, stärkten wir uns.
Die Holznägel werden für den Hausbau benötigt
Ein Junge backt kleine Brotfladen am offenen Feuer, wir dürfen probieren
Hier
in Ladby, in der Nähe von Kerteminde, wurde ein altes Schiffsgrab entdeckt und
so konserviert, dass man es heute besichtigen kann. Wir haben Glück und erleben
eine Ferienfreizeit, die sich mit dem Thema Wikinger beschäftigt. Die verkleideten
Kinder und Betreuer, versuchen das Leben von damals nachzuspielen. Die Mädchen
spinnen, weben oder sammeln Kräuter, die Jungen schärfen Schwerte oder schauen
dem Schmied zu. Auf einem Wiesengelände folgt Kampfausbildung, mit der
anschließenden Versorgung von „Verletzten“ und das ist spannend anzuschauen.
Die Kinder und Betreuer spielen das Leben der Wikinger nach
Begrenztes Gepäck und trotzdem alles mit
Die Strandmuschel schützt vor dem Wind und spendet Schatten
Den Rest des Tages verbringt Lotti in Sichtweite des Zeltes am Strand. Ich habe große Wäsche, denn der Campingplatz ist mit Waschmaschine ausgestattet und unsere Wäschevorräte fast verbraucht.
Unser gepacktes Motorrad mit Sitzplatz für Zwei
Gepäck auf dem Motorrad
Auf dem Motorrad haben wir ja nur begrenzte Mitnahmemöglichkeiten für alle auf der Reise benötigten Dinge: In dem großen Gepäcksack sind das Zelt und die Therm-a-Rest-Matten, die Strandmatten und die Strandmuschel (zugegeben ein Luxusartikel bei unserem Packvolumen), ein Armeeponcho für vielfältige Aufgaben (Tarp, Sitzunterlage, Regenschutz, Motorradgarage etc.), ein Brändi-Grill (ein, an einem in die Erde gerammten Stab befestigter, höhenverstellbarer Rost), ein „Anti-Plattfuß-Spray“ für eine schnelle Reifenreparatur, Lottis Wanderschuhe und Spielrucksack, mit Mandala-Malkarten, Walkman und Kassetten, Lesebuch und Sandspielzeug. Die Schlafsäcke, -anzüge und kleinen Kopfkissen sind in den blauen Packsäcken, die Lotti umgeben. Die Küchentaschen beinhalten den Benzinkocher, Topfset, Pfanne, Teller, Bestecke, Gewürze, Öl, Bouillon, 110 g Beutel mit Basmatireis, Haferflocken, „Allradbecher“ (spezielle Gefäße, in denen man auch kochen kann), Wassersack, Milchpulver, Müsli, usw. Die Schwierigkeit ist, beim Einkaufen unterwegs die Vorräte mit entsprechend kleinen Mengen wieder aufzufüllen. In den schwarzen Ortlieb-Packtaschen sind die Kleidung, T-Shirts, Vliesjacken und Hosen, Unterwäsche und Socken, je eine lange Hose und ein Sweat-Shirt, die erste Hilfe-, Arznei und Kulturbeutel, Handtücher, Seile und Klammern, Filmmaterial und die Motorradersatzteile sowie Öl und Kettenspray untergebracht. Im Tankrucksack sind die Regen- und Fotoausrüstung, Ersatzhandschuhe und die Trinkflaschen. Hinter Lotti steht ein Rucksack, in dem tagsüber eventuell benötigte Dinge (wie Schwimmsachen), die Teva-Sandalen und Wertsachen sind, den wir bei einer Besichtigung oder einem Einkauf einfach mitnehmen. Meine Tipps habe ich für Dich auf einer eigenen Seite zusammengestellt und als Download. Lese auch meinen Artikel zum Thema Mit Kindern Motorrad Touren machen.
Als die Wäsche auf der Leine flattert, gehe ich zu Lotti an den Strand. Ich stürze mich in die kühlen Fluten der Ostsee, der Wellengang ist mäßig, die Erfrischung maximal. Lotti ist zu wasserscheu. Nur ihre Füße, bis Mitte Waden und der Po in der Hocke dürfen das kühle Meer spüren. Wir bauen noch eine tolle Sandburg. Während der Dekorationsarbeiten von Lotti, genieße ich die Aussicht auf die Storebæltbrücke, über die wir morgen nach Seeland fahren. In der Mitte werden wir 60 m über dem Meer sein!
Storebæltbrücke im Abendlicht – das wird eine spannende Überfahrt
Diese Fahrt genießen wir am nächsten Tag mit Tempo 60 da nur wenig Verkehr ist. Wider Erwarten ist es fast windstill und wir bedauern, dass kein Ozeanriese unter der Brücke durchfährt. Heute ist noch mal „Wikingertag“ und wir besuchen die Trelleborg bei Slagelse. Von diesen Burgen wurden, wahrscheinlich unter König Harald Blauzahn, einige errichtet. Der hohe, kreisrunde Außenwall war innen symmetrisch in 4 x 4 Häuser eingeteilt, darin konnten etwa 500 Menschen geschützt leben. Das Museum hierzu ist etwa 300 m davon entfernt. Auf dem Gelände dazwischen findet jedes Jahr ein großer Wikingermarkt statt, der gerade von „Hobbywikingern“ aufgebaut wird. Alle möglichen Händler errichten ihre wunderschönen Leinenzelte die teils mit Ornamenten bemalt sind. Hier kann man Pfeil und Bogen erwerben, dort ein neues Gewand, oder die unerlässlichen Tunika-Schließen aus Silber und anderen Schmuck. Plötzlich schreckt uns Kampfeslärm, zwei gestandene Wikinger messen ihre Kräfte mit Schwertern und Schilden. Auch ein Baby, dass im Schatten eines Zeltes auf einem kuscheligen Schaffell schlief, fängt nun an zu schreien und die Männer werden von der Mutter ohne Waffe vertrieben.
Die Freizeitwikinger üben mit echten Schwertern
Nachmittags fahren wir nach Roskilde und besuchen dort das Schiffsmuseum, um auch die seefahrerische Seite des Wikingerlebens zu studieren. Es ist schon erstaunlich, mit welchen Booten sie bis nach Neufundland und ins Schwarze Meer kamen. In einem halben Handelsschiff darf Lotti probesitzen ehe es zur Fähre nach Helsingør geht.
Zwei Wikingerboote im Hafen von Roskilde
Überfahrt nach Schweden
Wir
werden gleich auf die Fähre gewunken. Ich fahre mit unsicherem Gefühl auf das
Schiff. Es ist für mich das erste Mal mit Motorrad, ich bin mir unsicher, ob
wir es irgendwie festzurren müssen. Es kümmert sich keiner um uns und schon
geht die Bugklappe zu. Da der Seitenständer der Honda CB 450 S nur unter
Belastung die Maschine hält, kann schon ein leichtes Wackeln der Fähre das
Motorrad umkippen lassen, ich will also zumindest auf dem Hauptständer parken.
Mitsamt dem Gepäck bekomme ich das aber nicht mehr hin, ein freundlicher Herr
hilft jedoch. Ehe wir uns recht besinnen, sind wir schon in Schweden, denn die
Überfahrt dauert nur 15 Minuten!
Was
für ein Knöpfchen muss ich drücken, um Benzin aus dem Zapfhahn herauszulocken?
Entnervt gehe ich zur Kasse und frage auf englisch nach. Ach so, Kassa bedeutet
Barzahlung oder, falls möglich, mit Scheckkarte, die anderen Zapfhähne sind für
Tankkarteninhaber oder für Geldscheine. Andere Länder, andere Sitten, aber
jetzt wissen wir es. Vor dieser Reise haben wir uns ein Sprechfunkgerät
für unsere Motorradhelme zugelegt und können uns so während des Fahrens die Arbeit teilen. Ich halte Lotti auf dem
Laufenden, wohin die Reise gehen soll, sie sucht dann bei den Abzweigungen die
Schilder und weist mir die Richtung, sie hält nach den Campingplätzen Ausschau
und ab sofort an den Tankstellen nach den richtigen Zapfsäulen. Wenn wir an
Ampeln halten müssen, kann ich entspannen, denn Lotti sagt mir, wenn es grün
wird. Auch wenn ich selbst schaue, fahre ich erst nach Lottis Information los,
sonst fühlt sie sich nicht ernst genommen. Diese Aufgaben sind deshalb wichtig,
da sie dann nicht „nur“ hinten draufsitzt, sondern ebenfalls Verantwortung hat.
Sie dirigiert mich nach etwa 30 km auf unseren ersten schwedischen
Campingplatz. Heute machen wir uns nur ein dünnes Süppchen und essen Brot dazu.
Bei schönem Sonnenuntergang schreiben wir Postkarten und spielen
“Mensch-Ärgere-Dich-Nicht”. Erst mit der Dämmerung um 22.30 Uhr krabbeln wir
müde in unsere Schlafsäcke.
Postkarten-Schwedenidylle
Kurz
vor Kristianstad finden wir den richtigen Abzweig nach Österlöv, dort aber
leider nicht das kleine Motorradmuseum. Wir haben uns für heute den
Campingplatz Galaxen nordöstlich von Vilshult ausgesucht. Kleine Sträßchen
führen uns durch eine „Mama-Muh oder Petterson-Landschaft“. Wälder, von Seen
durchbrochen, zwischendrin kleine, rote Bauernhöfe mit Kuhweiden, die mit
Felsbrocken übersät sind. Der Zeltplatz liegt an einem wunderschönen See, in
dem sich die Hitze herrlich ertragen lässt. Lotti lernt einen älteren Herrn
kennen, der sie mit zum Angeln nimmt, zum Abendessen gibt es aber doch Reistopf
mit Hackfleisch, da die Fische lieber weiter leben wollen.
Lottis erster Angelausflug auf dem See Galaxen
Blekinge
Wir
folgen am nächsten Tag einer Straßenbeschreibung aus der Blekinge-Broschüre:
„Von Halahult folgen Sie dem Kulturvägen, einer romantischen Naturstraße, nach
Süden. Auf dieser Fahrt können Sie nachvollziehen, was Selma Lagerlöff mit ihrem
Begriff „die drei Stufen“, mit denen sie die Provinz Blekinge beschreibt, in
ihrem Buch „Nils Holgersson“ meint.“ Diese Naturstraße ginge bei uns höchstens
unter „guter Wanderweg“ in die Landkarten ein. Das Schottersträsschen, in der
Mitte der Fahrspur grasbewachsen, schlängelt sich ganz unbedarft durch
schönsten Mischwald. Als ich anhalte, um zu fotografieren, ist Lotti nach
meinem Ausruf „Hier gibt’s jede Menge Heidelbeeren!“ so schnell vom Motorrad,
wie sonst auf der ganzen Reise nicht.
Die Heidelbeeren sind fast kirschgroß und die Lippen trotz Sommerhitze blau
Mit
blauen Lippen, trotz Sommerhitze, steigen wir auf zur idyllischen Weiterfahrt.
Den Abend verbringen wir am Strand von Ekenäs bei Ronneby, das Wasser der
Ostsee wäscht die Heidelbeertatoos davon.
Wir machen einen Abstecher nach Torhamnslandet, wo Felszeichnungen aus der Zeit um 1500-500 v. Chr. zu bewundern sind.
Småland
Nach der Grenze zu Småland lassen wir uns Zeit zum Schauen und steuern über eine Landstraße mit wenig Verkehr. „Da steht eine braune Kuh im Wald, Mama“, Lotti deutet nach rechts. Erst nachdem wir ein „Elchwarnschild“ passiert haben realisieren wir, dass sie vielleicht einen Elch gesehen hat. Das irgendwo Leute leben müssen, merkt man nur an den Ortsschildern, aber vor und hinter den Ortschildern sieht der Wald gleich aus.
Manchmal sieht man Briefkästen am Straßenrand stehen, vermutlich gibt es dann auch Bewohner…
Begeisterung
erweckt bei Lotti der Ortsname Yxnanäs, da sie die Buchstaben Y und X bisher
zwar gelernt, aber noch nicht oft gebraucht hat. Der See in Linneryd bietet für
den Rest des Tag alles, was wir brauchen. Sonne, Sand, Wasser, Campingplatz und
die leider schlechteste Minigolf-Bahn der Welt. Bretter mit Dachpappe benagelt
bilden den Parcours, der sicherlich schon etliche Jahre auf den „Buckeln“ hat.
Växjö – Abenteuer Physik im Experimentierhaus
Vorsichtig zieht Lotti die Drähte auseinander und erzeugt
eine Riesenseifenblase, die etwa 5 m hoch ist! Später hebt sie sich mit
Hebelkraft selbst in die Höhe! Der Besuch des Xperiment Huset in Växjö lohnt
sich, da Physik ganz nebenbei „begriffen“ wird, eine deutsche Anleitung der
Versuche wird ganz selbstverständlich ausgehändigt.
Zwischen zwei Drähten bildet sich eine Seifenblase, in die Lotti reinpustet
Lotti zieht die Seifenwand weit nach oben
Astrid-Lindgrens-World
Die 150 km nach Vimmerby sind nach so viel Gelehrsamen die reinste Entspannung. Die Strecke führt uns durch eine Landschaft, die Astrid Lindgren in ihren Büchern so treffend beschreibt. Seit Februar haben wir nur noch ihre Bücher gelesen: Bullerbü, Pippi, Karlsson vom Dach, Lotta aus der Krachmacherstraße, Madita und Michel. In Vimmerby in „Astrid-Lindgrens-Värld“ wollen wir in die Geschichten eintauchen. Im Freiluftpark werden einige der Geschichten über die Sommermonate von Schauspielern in Szene gestellt.
Gleich am Anfang sind wir in der Krachmacherstraße und entdecken Lottas und Tante Bergs Haus. Mit viel Getöse kommt uns ein Mann in blauer Latzhose entgegen, Karlsson, der mal eben einen „Rundflug“ macht, um zu gucken, wieviel Leute heute kommen. Wir folgen ihm in die Stockholmer Straßenzeile bis in sein Häuschen auf dem Dach, das durch eine Rutschbahn verlassen werden muß und landen in der Nähe von Pippis „Nicht-den-Boden-berühren-Parcours“. Dort steht ein Schild das Erwachsenen ausdrücklich erlaubt, den Parcours zu benutzen. Trotzdem bin ich die einzige Mama, die hinter ihrem Kind herturnt.
Während unserer Reise lesen wir
das Ronja-Räubertochter-Buch und interessieren uns am meisten für die
„Mattisborgen“ im Mattiswald. Ja, da ist sie, sogar mit Höllenschlund.
Mattis schaut nach den Borkaräubern aus, Räuberhauptmann Borka und sein Sohn Birk schleichen sich von der Seite an
Trotzdem die Schauspieler nur
schwedisch reden, können wir der Handlung folgen. Lovis und Ronja, Birk,
Mattis, Glatzen-Peer und Knutas kann Lotti später „anfassen“ und mit Ronja
sogar ein wenig deutsch reden.
Glatzen-Peer ist unverkennbar
Mattis unterhält sich mit Lotti – so eine Ehre, dass macht sie ganz schüchtern
Mit Ronja kann Lotti auf Deutsch reden und ist ungemein stolz
In der Pause des Stückes auf der Mattisborgen gehen wir nach „Bullerbü“. Auf dem Weg dorthin treten unverhofft Kling und Klang, die Polizisten aus der Pippi-Geschichte, aus dem Wald und erschrecken uns.
Die Polizisten Kling und Klang erschrecken uns
Bei der Fortsetzung der Ronja-Geschichte, sind dicke schwarze Wolken und Donnergrollen über uns und wir versuchen rennend, die Astrid-Lindgren-Ausstellung, eines der wenigen festen Häuser des Geländes, zu erreichen, aber auf halbem Weg erwischt uns der Wolkenbruch. Platschnaß, von vielen weinenden Kindern umringt erleben wir im Haus ein schweres Gewitter. Aber wir nutzen die Zeit, um durch die Ausstellung zu gehen und Leben und Werk der Schriftstellerin kennenzulernen. Die Sonne lacht plötzlich wieder, und wir entschließen uns, noch das „Heckenrosental“ zu besichtigen. Dort auf der Bühne sind alle Schauspieler versammelt und singen die Lieder, die in den Filmen vorkommen. Teils sind die Melodien unseren deutschen „Übersetzungen“ ähnlich, teils können wir nur an den Figuren erkennen, welche Geschichten besungen werden.
Lotti leiht Pippi ihr Gesicht
Die Filmschauplätze sind keine Kulissen
Am Vormittag besuchen wir das „richtige Bullerbü“, das
Örtchen Sevedstorp. Außer dem Bullerbyn-Express, einer Pferdekutsche mit der es
sich Lotti nicht nehmen lässt zu fahren, gibt es noch eine geheimnisvolle
Scheune, in der Kinder mit Eltern verschwinden, aber nur Eltern wieder
herauskommen. Lotti und ich wollen das Rätsel lösen. Von einer etwa 3 m hohen
Empore können die Kinder ins duftende, weiche Heu springen und erst wenn sie
genug haben, an der Rückseite der Scheune wieder herauskommen.
Die drei Häuser in Bullerbü sehen aus wie die im Film – sie sind ja auch die Häuser aus dem Film
Vom Heuboden springen macht Riesenspaß
Auf unserer Weiterfahrt liegt noch Gibberyd, wo der
Katthulthof steht, in dem die Michel-Filme gedreht wurden. Lotti möchte am
liebsten im Tischlerschuppen bleiben, denn sie schnitzt so gerne.
Obwohl sie nichts ausgefressen hat, lässt Lotti es sich nicht nehmen, im Holzschuppen von Michel Platz zu nehmen
Wir haben aber für heute Gränna als Etappenziel und so
folgen wir mal diesem, mal jenem Sträßchen, irgendwie Richtung Westnordwest.
Die schmalen Straßen sind teilweise aus Schotter, auf denen ich mich mit dem
Fahren immer noch schwer tue. Ich habe immer das Gefühl, im nächsten Moment rutscht
die Maschine weg. Theoretisch kann das mit gleichmäßiger Geschwindigkeit nicht
passieren, aber Motorradtheorie und meine Psyche passen irgendwie nicht
zusammen!
Die Stadt Gränna ist durch die Witwe Amalia Eriksson
bekannt geworden, die im vorigen Jahrhundert anfing Polkagris, herrlich
schmeckende Zuckerstangen, herzustellen.
Viele Arbeitsschritte sind notwendig, bis Zuckerstangen spiralförmig rot-weiß sind
Auch der Ballonfahrer Salomon August Andrée, der 1897
versuchte den Nordpol mit dem Ballon zu erreichen, stammt aus dieser Stadt am
Vätternsee. Am Abend kochen wir in der 4-Sterne Küche des Campingplatzes
Kartoffeln mit Rührei und Spinat und genießen danach einen tollen
Sonnenuntergang.
Fahrradtour auf Visingsö
Herrgott,
da ist ja keine Bremse am Lenker, bis ich mich auf die Rücktrittsbremse
besinne, ist es schon zu spät, ich pralle gegen Lottis Leihfahrrad und wir
behalten blaue Flecken als Souvenir. Hier auf der Insel Visingsö, die wir als
Fußgänger mit der Fähre von Gränna aus erreicht haben, spielt Lotti den ganzen
Tag, ihr Fahrrad wäre ein Motorrad. So kommen wir durch Eichenwälder, die 1830
gepflanzt wurden um die Marine mit Bauholz zu versorgen, flott voran. Die
Kumlaby-Kirche ist innen mit schönen Wandmalereien versehen und wir genießen
den Ausblick, nachdem wir die Stufen des engen Kirchturmes erklommen haben. Vom
Braheschloss ist nach einem Brand 1718 bis auf den Südflügel nichts mehr
übriggeblieben, aber dessen Ruine lässt die Großartigkeit der Anlage erahnen.
Der Kirchturm der Kumlaby-Kirche kann bestiegen werden
Lotti genießt die eigene Fortbewegung
Wir erreichen den Göta-Kanal bei Motala, der uns mit einer
Hebebrücke, die uns zum Anhalten zwingt, begrüßt. Die Straße klappt hoch und
wir können die obersten Wimpel des durchfahrenden Ausflugsschiffes sehen.
Der Fahrdamm links öffnet sich bereits Die Wimpel des Ausflugsdampfers sind noch zu sehen
Ansonsten ist die viel befahrene Straße 50 um den
Vätternsee, der dreieinhalbmal so groß ist wie der Bodensee, nach Norden sehr
langweilig. Spannend wird es erst wieder nach Askersund, als wir einem
schmalen, buckligen Asphaltstreifen südwestlich zum Tiveden Nationalpark
folgen. Über eine Schotterstraße erreichen wir den See Fagertärn, aber die
roten Seerosen, die ihn so berühmt gemacht haben, sind schon zugegangen. Schade!
Wanderung im Tived-Urwald
Den heutigen Sonntag verbringen wir auf einer
eindrucksvollen Wanderung durch den Urwald des Tived. In der Tourist Info haben
wir eine kleine Routenbeschreibung erhalten. Der Pfad, den man nicht verlassen
sollte, ist total verwunschen. Von bunten Moosen und Flechten umgeben führt er
über Felsplatten und große Geröllbrocken, vorbei an Baumriesen und auf Stegen
über moorigen Untergrund.
Wir erwarten jeden Moment einen Rumpelwicht der uns fragt „was tust du?“ Gut ausgerüstet zur Wanderung im Tived-Urwald
Vänersee
Ein kleines Faltblatt belehrt uns über die zu sehenden Besonderheiten. Auf der Rückfahrt stellen wir fest, dass unser Sprechgerät einen Wackelkontakt hat, den wir reparieren müssen. Aber am nächsten Morgen ist die Anlage tot und nicht zu reparieren. Wir vermissen auf der Weiterfahrt die Gespräche und Spiele und meine Nieren müssen unter Lottis Schlägen, wenn sie auf sich aufmerksam machen will, leiden. Weder in Kristinehamn, wo wir die 15 m hohe Picasso-Skulptur bestaunen, noch in Karlstad ist Ersatz für das kaputte Teil zu bekommen. Frustriert, da wir den Tag mit der Suche nach Motorradzubehörläden verplempert haben, fahren wir weiter bis Åmål. Der Campingplatz zieht sich über einen Hügel und wir schlagen unser Zelt mit Blick auf den Vänernsee auf. Beim Abendessen hören wir ein Tuckern auf dem See. Es rührt von einer schwimmenden Terrasse her, die mit einem Außenbordmotor angetrieben wird, auf der zwei Männer in Gartenstühlen vor einem Grill sitzen. Unglaublich, hat uns da der Sandmann einen Streich gespielt und die Traumbilder vor dem Einschlafen geschickt? Aber nach Entwicklung der Fotos bestätigt sich das Gesehene.
Wir trauen unseren Augen nicht – eine schwimmende Terrasse
Morgens besuchen wir das Ronja-Museum, in dem der Aufwand der Dreharbeiten des Filmes durch Fotos veranschaulicht wird. Teile der Requisiten, die Modelle der Mattisburg und auch „Steine“ der im Sörknatten-Nationalpark extra für den Film errichteten Burg sind ausgestellt.
Abenteuer beim Paddeln
„Lotti paddel links, links!“ Warum um alles in der Welt dreht sich dieses Boot denn nicht nach rechts? Der See Lelång hat an dieser Stelle eine Breite von 2 km, es stürmt, die Wellen kommen von schräg rechts vorne. Nichts zu machen, wir driften nach links ab und paddeln, gezwungen von der Strömung, zurück. Nach einer Stunde Schinderei landen wir wieder an unserem Schlafplatz, einer mit Kiefern bestandenen felsigen Halbinsel, auf dem wir die Nacht im Gewitter verbracht haben. Wir versuchen es nochmals und paddeln nah an der Küstenlinie entlang und erreichen einen Steg, oberhalb dessen einige Häuser stehen. Wir schaffen es nach mehreren Anläufen, das über 5 m lange Aluminiumboot aus dem See zu ziehen und schleppen das Gepäck auf die Anhöhe. Dort bietet uns ein Herr seine Hilfe an und zieht auf der vom Regen sumpfigen, mit Schafskötteln übersäten Wiese das Boot auf dem Bootswagen hinauf. Übers Handy informieren wir den Bootsverleiher, der nach einer halben Stunde in einem heftigen Regenschauer ankommt. Nein, es hat nichts mit mangelnder Erfahrung zu tun, wenn man bei so einem Wetter nicht weiterpaddelt, bestätigt er mir, sondern die auf dem See Gebliebenen handeln unklug. Und wir hatten uns die drei Tage beim Paddeln so schön vorgestellt.
Unsere Ortlieb-Packtaschen sind wasser- und staubdicht – super geeignet für die Paddeltour!
Dalsland
Statt dessen gönnen wir uns zwei Tage Rast in Laxsjöns Friluftsgård, wo Lotti die 30 Tage jüngere, fast 8-Jährige Bettina kennenlernt. Sie sind sich sehr ähnlich und daher für zwei Tage ein unzertrennliches Team. Bettina schaut uns, als das Motorrad fertig gepackt ist, ungläubig beim Anziehen zu. Über unsere Radlerhosen ziehen wir die Motorradhosen, dann stehen wir weder beim An- noch Ausziehen in Unterhosen da. Dann folgen die Stiefel, das Halstuch, der Nierengurt, die Jacke der Helm und die Handschuhe. Auf dieser Reise wurden wir oft angeglotzt, was Lotti sehr gestört hat, aber diesmal nervt es nicht. Ein letztes Winken, wir sind wieder auf dem Weg.
Bettina kann nicht fassen, was wir trotz der Sommerhitze anziehen
Håverud
Die Schlucht vor Håverud wird von fünf verschiedenen Verkehrswegen auf fünf verschiedenen Ebenen überquert. Wir stehen 50 m über den Stromschnellen des Upperud Flusses (1), auf der Straßenbrücke (2), über die wir eben den Parkplatz erreicht haben. Etwa 15 m unter uns verläuft die Eisenbahnbrücke (3), unterhalb kreuzt das Aquädukt (4) des Dalslandkanals, gefolgt von drei Schleusen, die Stromschnellen. Diese Fahrrinne aus Stahl wird seit 1868 von Schiffen benutzt. Zuunterst quert eine Fußgängerbrücke (5) den Upperud.
Vier Brücken übereinander – auf der Straßenbrücke stehe ich beim fotografieren
Die Atmosphäre lädt zum Bleiben ein und als Hamfri, ein Dampfschiff, tutet, schaut mich Lotti bittend an. Wir fahren zum kleinen Hafen und erfahren, dass in einer halben Stunde das Dampfschiff für heute zum letzten Mal ablegt. Ja, ein Zeltplatz sei gleich dort drüben am See. Wir fahren schnell hin und bauen in Windeseile alles auf. Mittlerweile sind die Abläufe nach Ankunft klar. Packsack runter, Zelt heraus, Stangen einstecken und aufstellen – das machen wir im Team. Innenzelt einhängen und Schlafplätze einrichten, sind Lottis Aufgaben, während ich die restlichen Taschen abpacke und im großzügen Vorzelt verstaue. Motorrad auf den Hauptständer stellen, Benzinhahn zu, abschließen. Schnell noch raus aus den Klamotten und umziehen, Trinkflaschen in den Rucksack und schon laufen wir fröhlich zum Anleger.
Wenn wir fix sind, sind wir in 20 Minuten ausgepackt und aufgebaut Humfri ist die Verballhornung des Namens Humphry (Bogard), wegen des Dampfschiffs im Film „Africa Queen“
Das Schiffchen liegt noch, und der Kessel wird vom Kapitän mit Holzscheiten gefüttert. Sind nun alle eingestiegen und haben die Dampfmaschine bewundert? Ja, dann geht die Fahrt los.
Die blankpolierte Dampfmaschine verträgt nur kleine Holzscheite
Gleichmäßig tuckernd erreichen wir Upperud und wandern entlang der Landstraße zurück. An der unteren Schleuse liegt ein Kanu, in das gerade Eltern mit ihren drei kleinen Töchtern einsteigen. Jetzt haben wir mal etwas zu glotzen. Sie haben Gepäck für drei Wochen mit und es trotzdem gemütlich, versichern die Mädchen.
Zu den Drehorten von Ronja Räubertochter
Unseren heutigen Ausflug machen wir ohne Gepäck, so sparen wir uns auch Ab- und Aufbau. Die Dalsländische Landschaft ist meines Erachtens in Südschweden die spektakulärste, von tollen Felsformationen zerklüftet, unendlich viele Seen und farbenfrohe Wiesen zwischen den Wäldern, unterbrochen von roten Häusertupfen. Über Schotterstraßen, die ohne das Gepäck leichter zu bewältigen sind, erreichen wir den Sörknatten Nationalpark und tauschen mal wieder Wanderschuhe gegen Motorradstiefel. Hier versuchen wir die Stellen herauszufinden, die als Filmkulisse für Ronja Räubertochter gewirkt haben.
Von diesem See starten die Wildtruden in der Gewitternacht – oder etwa nicht?
Wir steigen hinauf auf die Felsen und versucehn herauszufinden, wo die Mattisborgen gestanden hat. Wir versuchen uns zu erinnern, wie der Blick aus dem Burgfenster ausgesehen hat und vergleichen diese Bilder mit dem Ausblick. Und, war das hier nicht die Stelle, wo Ronja dem verletzten Pferd mit dem Weißmoos das Blut gestillt hat? Nach einer Mittagsrast locken uns die Felszeichnungen von Högsbyn am Nachmittag. Dort wurden unter anderem Salto rückwärts springende Figuren und jede Menge Füße eingeritzt.
Die Bilder zu interpretieren macht Spaß
Anschließend folgen wir bewusst zum zweiten Mal der
schmalen Straße nach Håverud, denn die Geländeform wurde beim Straßenbau
bewahrt. Steile Gefälle und Steigungen mit urplötzlichen, teils 120° Kurven und
Buckel, die an Achterbahn erinnern, wechseln in rasanter Folge. Fast könnte ich
zum Spaß nochmals umdrehen, aber die Sozia streikt, genug gesessen!
Auf der Fahrt an die Westküste wird es so kalt, dass ich die Vliesjacken und warmen Handschuhe rauskrame. Die Festung Bohus in Kungälv begrüßt uns mit Sturm, der uns bei der Besichtigung beinahe von den Zinnen weht.
Trutzig steht die Feste Bohus in Küstennähe
Bis Åså wird es etwas wärmer, dort auf dem Campingplatz bekommen wir den Platz, den die Motorradfahrer lieben, denn er ist nur steil bergauf, über Felsen, Geröll und Sand zu erreichen. Ich gebe Gas, das Motorrad schlingert erst vorwärts dann plötzlich nur noch rückwärts. Irgendwas habe ich falsch gemacht, zu wenig Gas oder Kupplung gezogen. Als wir zum Stillstand kommen, ist uns bloß das Herz in die Hose gerutscht, aber die vollgepackte Maschine nicht umgekippt. Das passiert erst später, als sie geparkt auf dem Hauptständer parallel zu einem leichten Abhang steht und der Sand unter der Last einfach nachgibt! Von da an weiß ich, dass ich mein Motorrad nicht alleine hochheben kann, denn ausprobieren konnte ich es noch nie. Der Bremshebel ist geknickt, aber noch funktionstüchtig.
Am Abend ist die Stimmung am Strand mit dicken Regenwolken, durch die Sonnenstrahlen brechen, gespenstisch, ja fast bedrohlich. Am nächsten Morgen jedoch treibt uns die warme Sonne aus dem Zelt. Gestern abend habe ich meinen Brötchenteig mit Hefe angesetzt, er hat in einer Schüssel mit Deckel in meinem Schlafsack die „warme“ Nacht verbracht und ist nun ausgiebig gegangen. Ich forme die Brötchen, die ich in ganz wenig Öl in der Pfanne auf unserem Brändigrill backe – mit etwas Abstand zur Flamme des Benzinkochers.
Frische Brötchen zum Frühstück – sooo lecker!
Heute ist richtiges Strandwetter und das möchte ich bei Schloss Tjolöholm genießen, im Reiseführer als, wie ein englischer Herrensitz wirkend beschrieben. Aber Lotti hat keine Lust auf Schloss, so fahren wir über die landschaftlich reizlose, verkehrsreiche E 6 weiter bis Falkenberg. Kleine Küstenstraßen führen uns zu Haverdals Strand, aber die bis zu 12 m hohen Dünen im Naturreservat locken Lotti auch nicht, sie will nur Sand buddeln und plantschen.
Beim planschen sind wir gut – und beim Füße im Meer versinken lassen erst recht
Lotti springt über den Höllenschlund am Strand
Landskrona in Brasilien?
Gegen
Ende Juli findet der Karneval „Rio de Landskrona“ statt, eine Veranstaltung,
die mit den Abbildungen von Salsa-Tänzerinnen wirbt. So fahren wir voller
Erwartungen auf der eng an die Küste geschmiegten, schmalen Straße in die
Festungsstadt. Im Zentrum sind etliche Verkaufsstände und ein lärmender
Rummelplatz aufgebaut. Auf einem Karussell entdeckt Lotti eine Harley und fährt
stolz ihre Runden.
Endlich selbst Motorrad „fahren“
Um dem Lärm zu entfliehen besuchen wir das Museum und tauchen in die örtliche Geschichte ein. Eine Sonderausstellung ist einer Tochter der Stadt, Nell Walden, gewidmet, einer avantgardistischen Künstlerin, die Anfang des 20. Jahrhunderts lebte. Nun ist später Nachmittag und von „Rio“ und Salsa keine Spur zu sehen. So verlagern wir unsere Hoffnungen auf die Eröffnungsfeier in der Zitadelle, einer der besterhaltenen Befestigungsanlagen in Skandinavien. Tatsächlich wird dort eine dunkelhäutige Schöne mit dem Boot „Kristian III“ über den, uns von der „Bühne“ trennenden, Wallgraben gerudert und das ortsansässige Blasorchester intoniert dazu Sambarhythmen.
Die Tänzerin wird zum Schauplatz gerudert
Die Blaskapelle intoniert den Samba
Nach
einigem Redenschwingen tritt, für den Veranstalter selbst überraschend, noch
kurz die Sambaschule auf und dann verläuft sich die Zuschauermenge. Das war
alles!?
Mit viel Spaß und tollen Kostümen versucht die Gruppe Stimmung zu machen
Morgens
beim Zeltabbau entdecke ich direkt unter Lottis Bett Maulwurfsgänge und drei
Haufen, die er während wir schliefen gegraben hat. Sie hatte mich deswegen nachts
geweckt, aber ich glaubte ihr nicht!
Der Maulwurf empfand Lottis Matte als Erdboden und hat seinen Gang direkt darunter gegraben
Skåne
Auf
dem Weg nach Trelleborg durchqueren wir Skåne nun gemütlich, passieren die
malerischen Städtchen der überwiegend durch Ackerbau geprägten Provinz, die
sich in prächtigster Sommerstimmung präsentiert. In der Hafenstadt knüpfen wir
an unsere Reiseanfänge an und besichtigen die „Trelleborg” die der Stadt ja den
Namen gab. Hier wurde ein Viertel des Burgkreises inmitten eines Wohngebietes
rekonstruiert und das Gelände davor mit den damals in der Landschaft üblichen
Pflanzen rekultiviert. Ein großes, den Langhäusern nachempfundenes Zelt aus
Eichenbalken und Leinenbahnen runden die Stimmung ab.
Der Eingang zur Trelleborg war gut gesichert
Ob das ein Unterstand für die Wächter gewesen ist? Das Leinwandzelt ist wie ein Häuptlingshaus geformt
Einen
Ausflug nach Ystad über die idyllische Küstenstraße machen wir an unserem
letzten „Schwedentag“. Nach einem Stadtbummel gehen wir dort an den Strand,
welcher, im Gegensatz zu Trelleborgs, sehr sauber ist. Bei Sonnenaufgang sind
wir schon beim Zeltabbau, denn nun geht es auf die Fähre, die uns über Rostock
und endlose Autobahnen, nach insgesamt 4500 km wieder nach Hause bringt.
Ein letztes Foto von uns und unserem treuen Motorrad vor der Fähre
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Lange schon lag mir meine 7-jährige Tochter in den Ohren, sie bei einer Motorradtour mitzunehmen. Die vier schulfreien Tage über Christi-Himmelfahrt nutzten wir, um die nähere Heimat zu erkunden. Bei einer vier Flüsse Runde, Nagold, Gutach, Wolfach und Neckar, hatten wir viele spannende Erlebnisse.
„Ich würde heute Nacht lieber in der Jugendherberge schlafen.” – „Warum?“ – „Wir sind heute schon mal nass geworden und es sind wieder Regenwolken über uns. Wenn wir auf den Campingplatz gehen, müssen wir morgen bestimmt ein feuchtes Zelt einpacken.“ – „Wir müssen aber im Zelt schlafen, sonst ist es keine richtige Motorradtour. Und so einen Regen kann man doch mal aushalten, oder?“ Nach diesen Worten meiner 7-jährigen Tochter Lotti schimpfe ich mich in Gedanken „Weichei! Weichei!!“ Recht hat sie ja. Also fahren wir an der schön gelegenen Jugendherberge Dillweisenstein vorbei und steuern den Campingplatz in Bad Liebenzell an. Eigentlich sind wir ja im strahlenden Sonnenschein in Mannheim losgefahren, aber schon kurz nach Brühl erwischte uns die erste dicke Wolke. Aber dieser Mai 1999 ist sowieso eher ein April, denn schon im Vogelpark in Oberhausen traute sich die Sonne wieder hervor. Die Störche dort haben vier Küken und einer der freiwilligen Helfer lässt uns sogar auf eine Leiter steigen, um die flaumigen Tierchen besser zu sehen.
Vogelpark Oberhausen
Die vier Storchenküken im Nest
Ein Pfau, dem das Getue um die Klapperstörche nicht gefällt, balzt sodann sehr beeindruckend vor uns zwei Damen herum. Aber wir wollen weiter, das Barockschloss in Bruchsal lockt uns noch mehr. Dieses Hauptwerk des deutschen Barock wurde als Residenz des Fürstbischofs Damian Hugo von Schönborn erbaut mit einem einzigartigen zentralen Treppenhaus von Balthasar Neumann. Wir gönnen uns und unserer altgedienten Honda CB 450 S zuerst die rückwärtige Schlossansicht vom Schlosspark aus, bevor wir im Schlosscafé einen großen Eisbecher mit besonderer Aussicht verputzen.
Mit Selbstauslöser machen wir ein Foto im Garten von Schloss Bruchsal
Nagold
Durch blühende Rapsfelder fahren wir über Bretten nach Pforzheim, queren die Enz um dann entlang der Nagold bis fast zu ihrer Quelle zu gelangen. Für heute müssen wir allerdings erst mal einen Schlafplatz haben. Auf dem Campingplatz in Bad Liebenzell werden wir sehr herzlich aufgenommen. Der Platzwart sucht mit uns den weichsten Wiesenplatz. Auf den regnet es heute Nacht garantiert nicht, verspricht er. Es nieselt auch nur solange, bis das Außenzelt steht! In der Küche kochen wir uns einen Aufwärmtee und machen es uns an einem Tisch zum Abendessen gemütlich. Lotti gewinnt die erste Runde des „Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Turniers“ haushoch. Mit einer Geschichte der Kinder von Bullerbü als Vorbereitung auf unsere schwedische Sommerreise schlafen wir gut ein.
Na, gibt es woanders nicht noch einen weicheren Wiesenplatz?
Eigentlich hatten wir auf dem uns bekannten Minigolfplatz in Hirsau ein Spielchen wagen wollen, aber so kurz nach der Abfahrt will ich keine lange Pause machen. Lotti darf also nur auf dem angrenzenden Spielplatz rutschen, klettern und „Motorrad fahren“, bevor wir uns zum Nagoldstausee begeben.
Lotti darf auf dem Spielplatz Hirsau selbst Moped fahren, äh schaukeln
Bei Kentheim entdecken wir die
Holzbrücke über die Nagold, die nutzen wir gleich für ein Selbstauslöserfoto.
Eigentlich ist die Nagoldbrücke bei Kentheim für Fussgänger und Radfahrer, aber für ein Foto mit uns wird sie hoffentlich halten!
Kurz hinter Ebhausen lädt uns
linkerhand eine tolle Wiese zur Mittagsrast ein. Sogar die Sonne gesellt sich
nun zu uns. Hinter Altensteig wird die Straße dann sehr idyllisch, schmal durch
Wälder führend, bunte Blumen als Wegbegrenzung, einfach herrlich.
„Guck mal Mama, die surfen!“ Tatsächlich, bunte Segel leuchten auf dem Wasser des Nagoldstausees. Wir schauen eine Weile zu, bevor wir über Erzgrube und Obermusbach nach Freudenstadt weiterfahren. Dort folgen wir der B 28 nur kurz und biegen dann ins Wolfstal ab.
Wolfach
Ab Bad Rippoldsau folgen wir wieder einem Flüsschen, der Wolfach. Lotti hinter mir findet gar nicht genug Ausdrücke, um mir die Schönheit dieses Tals zu beschreiben. Nachdem ich wegen einer rasenden Bochumer Motorrad-Gruppe, die mich in Etappen überholt, zweimal gefährlich bremsen musste, halten wir an, um die Kilometerfresser vorbeizulassen. „Sehen die überhaupt die schönen bunten Blumen, Mama?“ fragt meine Süße mich über die Gegensprechanlage. – „Ich habe keine Ahnung, ich glaube eher nicht. Die sehen ja nicht mal entgegenkommende Autos!“ erwidere ich genervt. Als wir uns weitertrauen entdecken wir Wildwasserpaddler und halten wieder, um sie um eine enge Kurve gleiten zu sehen.
Lotti hat die Wildwasserpaddler auf der Wolfach entdeckt
Vogtsbauernhof
Kurz nach Wolfach leiten uns Hinweisschilder zum Vogtsbauernhof, einem Freilichtmuseum, das auf unserem Besichtigungsplan steht. Alte Schwarzwaldhöfe, wurden an anderen Stellen abgebaut, um hier restauriert in altem Glanz zu erstrahlen. Diese Höfe sind sehr beeindruckend. Die Einrichtungen in den einzelnen Höfen sind nach Themen geordnet, hier mal Kleidung, da Korbflechterei, Holzschnitzerei oder Weberei. Durch die anschaulichen Erklärungen und alten Fotos ist für Lotti und mich nachvollziehbar, wie die Leute früher gelebt haben. Die Riesendachstühle sind heutzutage bestimmt ein El Dorado für Zimmerleute. Schon allein das Zusammenfügen der Scheunentore nur mit Holznägeln, ohne irgendein Metallstück ist beachtlich.
Lotti sitzt müde von den Tageseindrücken vor einem Wollkorb Schafstall des Vogtsbauernhofmuseums
Müde vom Schauen fahren wir zurück Richtung Wolfach, denn dort war ein Campingplatz ausgeschildert. Durch die Erlebnisse des Freilichtmuseums geprägt, ergötzen wir uns an den tollen Häusern und Gärten in Kirnbach und sind am Ortsende, ohne den Campingplatz gesehen zu haben. „Lotti, war der woanders?“ frage ich ratlos. Lotti ist nämlich zuständig für das Auffinden der blauen, mit Wohnwagen und Zelt versehenen, Schilder und das Hinlotsen auf den Platz. „Nee, da stand Kirnbach“ kommt die ebenso ratlose Antwort zurück. Ich kehre um und auf dem Rückweg stellen wir fest, dass wir vor lauter Gucken am Campingplatz zur Mühle, der sich steil einen Hang heraufzieht, vorbeigefahren sind.
Nasses Wetter, nasses Zelt, aber drinnen ist es gemütlich und trocken!
Nach dem Spagettimahl gibt es für mich ein erfrischendes Weizenbier zum „Mensch-Ärgere-Dich-Nicht“ Spiel. Die Regentropfen wiegen uns heute in den Schlaf und wecken uns am Morgen auch wieder. So kuscheln und dösen wir noch etwas, bevor wir uns entschließen, doch ein nasses Zelt einzupacken. „Schau, die Hasen kochen auch Kaffee!“, ruft Lotti. Aus den Wäldern steigen nach dem vielen Regen Wolkenfetzen hoch, die wie Kochfeuer aussehen.
1. Größte Kuckucksuhr in Schonach
Die Fahrt zur größten Kuckucksuhr der Welt in Schonach gestaltet sich verwirrend, denn wir sind auf so viele „größte“ Kuckucksuhren, die sich auf dem Weg dorthin aneinanderreihen, nicht gefasst. Am Ziel stellen wir dann fest, dass die Schonacher Uhr die 1. Weltgrößte war. Wir erreichen sie um kurz vor 12.00 Uhr. Gespannt auf den Kuckuck verharren wir im Nieselregen und werden mit 12 sonoren Kuckucks des ehrwürdig aussehenden Vogels belohnt.
Kurz nach zwölf posiert Lotti vor der 1. Weltgrößten Kuckucksuhr in Schonach, noch ganz beeindruckt von dem Kuckuck, der 12 mal Kuckuck rufen musste
Quellstein des Neckar
Den Wasserfall in Titisee lassen wir ausfallen, da wir schon gut mit Wasser von oben eingedeckt sind. Wir machen uns auf dem schnellsten Weg, über die B 33, an Villingen vorbei nach Schwenningen. Dort finden wir nach kurzer Suche im Stadtpark Möglingshöhe einen Spielplatz und nahebei den Quellstein des Neckar.
Hier nun ist der Anfang unserer Neckartour – der Quellstein des Neckar
Von der Quelle bis zur Mündung in den Rhein bei Mannheim ist der Neckar der eigentliche Grund für unsere Reise. Aber zuerst versteckt er sich unter den Straßen von Schwenningen, erst als wir nach dem Luftfahrtmuseum nach Deißlingen abbiegen, sehen wir ihn zum ersten Mal in seinem Bett. Wir fahren das, in der Landkarte gelb eingezeichnete, Sträßchen über Lauffen nach Rottweil, wo wir in schöner Atmosphäre Rast machen.
Der Stadtbrunnen in Rottweil vor einem prächtigen Bürgerhaus
„Mama, du wolltest doch auf die Straße 14, nicht auf die 27!“ sagt mein aufmerksames Kind kurz hinter den Rottweil-Serpentinen zu mir. Ich halte und studiere die Landkarte. Tja, da habe ich mich von dem Hinweis Tübingen an der Nase herumführen lassen. Der Weg über Dietingen und Irslingen nach Talhausen an den Neckar zurück ist jedoch sehr viel beschaulicher als die B 27 oberhalb Rottweils.
So ein schöner Brunnen in Irslingen, wohl der Faßnet gewidmet
Burgruine Ahlbeck und Mammutbäume
In Sulz wollen wir die Burgruine Albeck besichtigen und im Naturschutzgebiet Eichwald die mehr als 100jährigen über 40 m hohen Mammutbäume. Wir folgen erst dem Waldlehrpfad der uns zur, im Sonnenschein liegenden Burg, führt. Derzeit ist ein Ruinenverein mit der Restauration befasst, um der Nachwelt die Ruine zu erhalten.
Jungfer Lotti auf Burg Albeck, Sulz
Über einen Kilometer soll es noch bis zu den Mammutbäumen sein, wir haben jetzt schon keine Lust mehr auf die Helme und Tankrucksackschlepperei. „Sie können ihre Sachen ruhig in unser Auto legen, da kommt nichts weg“, bietet uns der freundliche Helfer des Vereins an. Er beschreibt uns auch die Stämme der Mammutbäume als von 4-5 Männern kaum zu umfassen. Na prima! Wir folgen dem beschilderten Weg, aber kaum sind wir im Wald fängt es an zu schütten. Einige Zeit folgen wir noch dem aufgeweichten Weg mehr rutschend als wandernd, bevor wir in einer Fichtenschonung Schutz vor der ausgebrochenen Sintflut suchen. Unsere Halstücher tragen wir längst als Kopftücher. Wir sind froh, dass uns niemand sieht, denn sonst wäre die Mär der neuen Waldhexen im Eichwald geboren. Als der Regen nachlässt folgen wir noch zwei Kurven und kehren dann um, denn die Mammutbäume sind nirgends zu entdecken. Lotti hat Fussweh in ihren Motorradstiefeln und meine, erst 20 Jahre alten Stiefel, lassen doch tatsächlich Wasser durch. So ist der Rückmarsch recht beschwerlich. Auf der Karte am Wanderparkplatz stellen wir fest, dass uns drei Kurven oder maximal 200 m von den Mammutbäumen getrennt haben. Sehr schade!
Wasserschloss Glatt
Wir queren in Sulz die B 14 und fahren auf einem schmalen kurvigen Sträßchen nach Glatt zu einem sehr schönen, malerischen Wasserschlösschen. „Ich dachte, das ist im Wasser,“ sagt Lotti zu mir. – „Ist es doch auch.“ – „Nein, ich dachte richtig im Wasser. Ich dachte der Nöck wohnt da im Schloss unter Wasser!“ Jetzt erst verstehe ich Lottis Befürchtungen, das Wasserschloss zu besuchen. Sie hat ein Kinderbuch vom schwarzen Nöck, der im Teich wohnt und ein junges Menschenmädchen zur Hochzeit zu sich in Wasser lockt.
Lotti sitzt auf der Mauer vor dem Wasserschloss in Glatt
„Da geht’s links ab zum Campingplatz Horb, Mama!“ kommt die Anweisung von hinten. – „Wollen wir hier in Horb schon bleiben?“ Schon ist gut, immerhin ist es bald sieben Uhr. Als wir glauben, dass mit den blauen Campingschildern Schabernack getrieben wurde, entdecken wir weit außerhalb Horbs endlich den Zeltplatz, absolut ruhig gelegen inmitten des Nichts. Zum Abendessen gibt es Reiseintopf und die Fortsetzung unseres Turniers. Warum gewinnt meistens Lotti?
Unsere Campingküche versorgt uns großartig
Morgens
werden wir von der Sonne geweckt, wenn dass kein gutes Zeichen ist! Wir folgen
dem Neckar auf kleinen Sträßchen über Mühlen und Börstingen und fahren zur Burg
Weitenau hinauf. Die entpuppt sich als Nobelhotel und Restaurant, die unterhalb
am Neckar einen eigenen Golfplatz unterhält. So schauen wir nur das schöne
Gebäude von außen an.
Wie schön die Burg Weitenau oberhalb des Neckars liegt
Schwäbische Weinstraße
Ab Rottenburg
begleiten uns Weinberge am Neckar, die Schwäbische Weinstraße beginnt
allerdings erst wesentlich später. Wir verweilen in Tübingen nicht, obwohl uns
das Spielzeugmuseum reizt, denn wir haben Anderes vor. Das Ballungsgebiet bis
Stuttgart befahren wir auf Bundesstraßen, bleiben aber dem Neckar treu. Kurz
vor Pliezhausen entdeckt Lotti „Zeltbäume“, Bäume von Kletterpflanzen
überwuchert, die um den Stamm herum sehr geräumig sind. „Da muss man gar kein
Zelt aufbauen, wenn man hier schlafen will.“ Manchmal wäre das tatsächlich
schön, obwohl wir zwei schon ein eingespieltes Team sind. Das Außenzelt bauen
wir zusammen auf, ich lade das restliche Gepäck ab, während Lotti das Innenzelt
aufbaut und mit mir einrichtet, binnen 20 Minuten sind wir mit Aufbau und Einzug
fertig.
Lotti würde hier am Liebsten übernachten
Urmensch Museum Steinheim
Ab Bad Cannstatt fahren wir wieder „gelbe“ Sträßchen und verlassen kurz hinter Marbach den Neckar, um bis Steinheim der Murr zu folgen. Dort ist direkt hinter dem Rathaus das „Urmensch-Museum“ unser Ziel. In den Kiesablagerungen der Pleidelsheimer Senke wurden eine Vielzahl von Gebiss- und Skelettresten gefunden. Nicht nur das eines Waldelefanten, sondern auch der Schädel eines Urmenschen. Die Ausstellung ist sehr anschaulich, sogar mit einer Ton-Bild-Schau ausgestattet.
So ganz geheuer ist Lotti das Skelett des Waldelefanten nicht
Nach so viel Bildung erholen wir uns auf einer Wiese vor Benningen mit einer Brotzeit. Dann ist Frisbee spielen angesagt. Weiter folgen wir der Schwäbischen Weinstraße, entlang der beeindruckenden Felsengärten von Mundelsheim und Hessigheim. In Besigheim verführt uns die Sonne in eine Eisdiele. Wir gönnen uns zwei große Eisbecher und während der anschließenden Stadtbesichtigung können wir die Helme in der Eisdiele „unterstellen“. Das römische Museum in Walheim müssen wir zu meinem Bedauern auslassen, da es schon geschlossen hat. „Über die Römer weiß ich doch schon alles aus den Asterix-Filmen“, tröstet mich Lotti. Direkt neben einem Hühnerpferch werden die „Einmalübernachter“ auf dem Zeltplatz in Neckarsulm untergebracht. Lotti entdeckt gleich, dass die Hühner keine Kinder bekommen können, denn sie haben keinen Gockel. Leider legen sie uns auch kein Frühstücksei.
Lotti füttert die Hühner mit frischem Gras
Zweiradmuseum Neckarsulm
Wieder lockt uns die Sonne morgens aus den Federn. Sprichwörtlich, denn bei meinem Schlafsack ist eine Naht geplatzt. Für heute steht das Zweiradmuseum hier in Neckarsulm auf dem Programm. Die Straße dorthin ist gesperrt. Wir lassen uns davon nicht beeindrucken und parken direkt vor dem Eingang. Auch für nicht Technikversierte ist die Ausstellung sehr interessant gemacht. Im Erdgeschoß kann ich Lotti auf einem Hochrad ablichten, zu unserem Bedauern ist das bei den Motorrädern nicht möglich. In der Sonderausstellung „Roller“ finden wir unser Idealgefährt, einen Roller mit Anhänger. Beim Weiterschauen ein Weltumrundermotorrad mit Beiwagen. Das wäre, im Gegensatz zu einer Goldwing, für mich vom Gewicht her auch zu bewältigen. Aber wir wollen mal mit unserem Moped zufrieden sein. Weil wir das Gepäck um Lotti herum bauen, sitzt sie sicher wie in einem Sessel.
Das Motorrad wäre für Motorradtouren mit Kind auch nicht schlecht
Als ich mir andächtig ein Video der Rallye Paris – Dakar anschaue, fragt mich ein Besucher, ob ich auch mit der Rallye gekommen bin. Ich bestätige, dass auch Frauen auf dem Motorrad an der Rallye teilgenommen haben, ich jedoch leider nicht dazu zähle. Er lacht. „Ich meine die Rallye heute, vom Technikmuseum Sinsheim nach Neckarsulm.“ Tatsächlich, als wir aus dem Museum kommen, steht der Parkplatz voll mit alten Motorrädern, unser erst 10jähriger Youngster unschön mittendrin. Auf der gesperrten Straße parken die Oldtimer-Autos. Jetzt haben wir doch noch die Gelegenheit, die 7-jährige Lotti auf einer 70-jährigen NSU abzulichten. „Mein Opa ist aber vier Jahre älter“, klärt Lotti den Besitzer auf.
Lotti darf eine NSU 501 T von 1929 besteigen
Das Besucherbergwerk in Bad Friedrichshall, in dem auch eine Saurierausstellung untergebracht ist, muss aus Zeitgründen für heute unterbleiben. Wir touren weiter nach Bad Wimpfen, einem weiteren mittelalterlichen Städtchen auf dieser Neckartour. Dort findet heute das 5. Drehleierfestival statt. So ein Glück. Überall in den mittelalterlichen Gassen sind Drehorgelspieler aus aller Welt in historischen Kostümen unterwegs.
Haben wir ein Glück, so viele Drehleierspieler auf einem Fleck
Burg Guttenberg
Ab Bad Wimpfen folgen wir der „Burgenstraße“ bis zur aus dem 12. Jahrhundert stammenden, unzerstörten Burg Guttenberg, die zwei Attraktionen bietet. Einmal im Burgmuseum Geschichten vom „Leben auf der Ritterburg“ und zum Zweiten ist dort die Deutsche Greifenwarte von Claus Fentzloff untergebracht. Wegen der haben wir Neckarmühlbach angesteuert. Wir kommen gerade recht zur Flugschau um 15.00 Uhr. Anschaulich wird das Leben der Uhus, Adler und Geier vorgeführt und erklärt, denn die Greifenwarte züchtet seit vielen Jahren Greifvögel um sie an ursprünglichen Standorten wieder auszuwildern. Beim Rundgang lernen wir viel über diese Vögel, aber auch über die Zerstörung ihrer Lebensräume und direkte Verfolgung von Menschen.
Auf Burg Guttenberg erwarten und zwei Attraktionen
Heidelberg
Wegen der fortgeschritten Zeit
müssen wir ohne weiteren Stopp der Burgenstraße nach Heidelberg folgen und
halten dort nur für das obligatorische Foto vom Schloss.
In der Abendsonne beleuchtet das Heidelberger Schloss über dem Neckar
Mit der Fähre setzen wir von
Neckarhausen nach Ladenburg über. Dort findet endlich das versprochene
Minigolfspiel statt.
Schnell ein Foto und dann mit dem Motorrad auf die Fähre in Ladenburg
Neckarmündung
Nun ist der Neckar bald am
Ziel, über Ilvesheim, Feudenheim nach Mannheim-Neckarstadt begleiten wir ihn
auf seinen letzten Kilometern und nach der Hebebrücke im Industriehafen folgen
wir einem Anliegersträßchen zur Gaststätte Orderstation, um dort die Mündung
des Neckar in den Rhein, bei einem herrlichen Sonnenuntergang, zu passieren.
Die Neckarmündung ist sehr versteckt – gegenüber liegen die Industrieanlagen der BASF
Die vier schulfreien Tage
waren für diese schöne Tour eigentlich zu kurz, eine Ferienwoche hätten wir
einplanen müssen, um mehr von dieser geschichtsträchtigen Gegend zu sehen.
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Motorradfahren und Kultur,
dass lohnt sich besonders im Elsass. Um die Fahrpraxis nach der
Führerscheinprüfung von Karen zu erhöhen, nahmen wir uns eine AnfängerkulTour
vor. Kurvige Strecken, pittoreske Dörfchen, Burgruinen, französische Lebensart
und leckeres Essen machten die Reise perfekt.
Als Karen an der letzten roten Ampel vor der Autobahn das Visier öffnen will, ist die Bewegung zu ruckartig, sie rutscht von der Stiefelspitze und kippt mitsamt dem erst 264 km gefahrenen neuen Moped um. Mist! Ich fahre zur Seite und stelle die Honda Vigor ab. Zusammen heben wir die kleine Honda, XLR 125 hoch und rollen sie auf den Randstreifen. Es ist ein wenig Benzin ausgelaufen, der Handprotektor ist etwas zerkratzt und der rechte Blinker schielt ab jetzt. Wir lassen die Maschine wieder an, sie kommt sofort.
Wir verlassen die Autobahn nach 60 km wieder, denn wir haben das Rhein-Neckar-Dreieck bereits hinter uns und kommen auf der B 38 auch gut voran. Mein Adrenalinspiegel erhöht sich zwei mal schlagartig, als Autofahrer jeweils sehr knapp vor Karen einscheren, einer sie sogar auf dieser nieselfeuchten Straße zum Abbremsen zwingt.
Deutsches Weintor Schweigen-Rechtenbach
Am Deutschen Weintor in Schweigen-Rechtenbach machen wir einen Stopp.
Das Deutsche Weintor in Schweigern, kurz vor der deutsch-französischen Grenze
Drei leichte Kurven hinter dem
deutschen Weintor finden wir uns auf französischem Boden in Wissembourg wieder.
Einen Bummel durch diese 1179 erstmals erwähnten Stadt mit ihren malerischen
Fachwerkhäusern beschließen wir typisch französisch vor einem kleinen Café.
Wissembourg
In Wissembourg, Brückchen über die LauterWissembourg, Maison du Tanneur, das Gerberhaus unter dessem großen Dach früher die Häute getrocknet wurden
Outre-Forêt
Die kleine D 244 bringt uns mit sanften Kurven durch schön
restaurierte Fachwerkdörfchen. Hier im „Outre-Forêt“ ist die Landschaft nur von
Hügelchen unterbrochen. Auch Lauterbourg, das schon zu Römerzeiten besiedelt
war, sieht uns flanieren. Vor dem Rathaus werden wir vom Vorsitzenden des
Fremdenverkehrsverbandes höchstpersönlich angesprochen und auf die
Sehenswürdigkeiten der Stadt hingewiesen. Stolz präsentiert er uns im Rathaus
den römischen, dem Jupiter geweihten Altar, der bei Ausgrabungen am Schloss
gefunden wurde. Wir finden im Anschluss eine Crêperie, Kultur macht hungrig.
Karen hinter mir wird immer langsamer, als wir nur noch 40 fahren stoppe ich, um die Ursache zu erfragen. Sie hat ein total unsicheres Gefühl, denn die Stollenreifen der XLR schwimmen auf dem Straßenbelag aus bitumierten runden Kieseln. Die Fahrschule hat sie auf einer Suzuki GN 125, natürlich mit Straßenreifen, absolviert. So ist ihr vieles an ihrem eigenen, neuen Moped noch ungewohnt. Erst als wir von der D 248 auf die D 28 abbiegen erreichen wir wieder unsere Höchstgeschwindigkeit von fast 80 km/h. In Esch sehen wir unsere erste Casemate, eine Bunkeranlage der Maginot-Linie, aber das Gelände ist umzäunt und mit einem Tor verschlossen, ebenso wie das Museum zum Thema in Hatten, das nur an Wochenenden Besichtigungen erlaubt, schade!
Betschdorf – Töpferdorf
Die Töpfereien in Betschdorf
haben im Gegensatz dazu immer geöffnet. Wie gut, dass wir auf den Mopeds nicht
viel mitnehmen können, denn es werden wunderschöne Dinge hergestellt, von
Töpfer zu Töpfer in Form und Farben unterschiedlich. Wir folgen jetzt wieder
einer kleinen „D“ nach Surbourg. Auch hier schöne Fachwerkhäuser mit
Inschriften, die auf Bauherren und Baujahr hinweisen. Ein Haus hat eine
hebräische Inschrift und erinnert an die einst bedeutende jüdische Gemeinde.
Nach wenigen Kilometern haben wir unser heutiges Tagesziel, das
Motorradfahrer-Hotel Beau-Sejour in Morsbronn, mit 168 km mehr Routine auf dem
Tacho, erreicht. Nach einem ausgezeichneten Abendessen, Benzingesprächen in
denen wir die heutigen schönen und schwierigen Fahrsituationen Revue passieren
lassen und einigen Kartenspielen, schlafen nicht nur die Hondas gut unter
diesem Dach.
Hotel-Restaurant Beau-Sejour in Morsbronn-les-Bains, Hauptgang beim Abendessen
Morsbronn-les-Bains
Durch den Straßenlärm der
direkt vor unserem Fenster verlaufenden D 27 werden wir schon früh geweckt.
Nach einem französischen Frühstück packen wir nur Tagesgepäck für die heutige
Rundtour auf unsere Mopeds. Zum Eingewöhnen soll es erst noch ein wenig durch
den flachen „Outre-Forêt“ und später dann in die bergigen Nordvogesen gehen.
Beim ersten Stopp in Woerth entdecken wir ein altes Wasch„haus“, überdachte
Planken, die durch eine Höhenregelung immer dem Wasserstand des Flüsschens
Sauer angepasst wurden. Allein beim Betrachten der schwankenden, harten Bretter
und der Kälte des Wassers fühlen wir Schmerzen in Knien und Händen und danken
dem Erfinder der Waschmaschine.
Karen parkt vor dem Dach des alten Waschplatzes
Erdölmuseum in Merkwiller-Pechelbronn
In Merkwiller-Pechelbronn gibt
es ein „Musée de Pétrol“ und zwar deshalb, weil der Ort (wer hätte das
gedacht?) ein reiches Mineralölvorkommen hat. Mitten im Dorf wird auf einer
Häuserwand schematisch die Erdölförderung dargestellt, davor ist eine
elektrische Pumpe installiert.
Die Erdölpumpe kam uns erst mal ungewöhnlich für die Landschaft vor
Auf der Weiterfahrt haben wir
auch an unserer zweiten Möglichkeit, etwas genaueres über die Maginot-Linie zu
erfahren, Pech. Auch das Artilleriewerk Schoenenbourg ist ab Oktober nur noch
am Wochenende für Besucher geöffnet.
Karen betrachtet die oberirdischen Bunkerausgänge des B Artilleriewerks Schoenenbourg
Cleebourg
Die besonders malerischen Orte
Hunspach und Seebach durchfahren wir im Schritttempo bevor wir uns dem
Weinanbaugebiet des nördlichen Elsass nähern. In der Winzergenossenschaft in
Cleebourg werden die Fässer im dreistöckigen Keller, die 16.000 l fassen, jetzt
im Oktober wieder mit Tokayer, Auxerrois und Gewürztraminer gefüllt. Schweren
Herzens verzichten wir auf eine Weinprobe, denn allein der Duft des „Neuen
Weines“, der uns schon auf dem Parkplatz empfängt, macht uns beschwippst.
Col du Pigeonnier
Ich schalte runter, noch mal,
bremse leicht an und betrachte den Kurvenverlauf, noch einen Gang runter und
schön reingelegt. Im Spiegel beobachte ich Karen hinter mir. Super, die erste
Serpentine ist geschafft, und zwar runder als meine! Cool passiert Karen ihren
ersten Pass, den Col du Pigeonnier mit stolzen 432 Höhenmetern über dem
Meeresspiegel. Mit schöner Aussicht ins Tal auf die sich verfärbenden Wälder,
folgen wir der D 3 bis Climbach und biegen dort scharf rechts nach Petit Wingen
ab. Nun gibt es nur noch schmalste Sträßchen mit Kurven und Ruinen von
unzähligen Châteaus. Es sind fast keine Autos unterwegs, wir können uns ganz
dem Fahren mit den beiden wendigen Motorrädern hingeben. Am Ausflugslokal
Gimbelhof angekommen, dessen Wirtsleute Montags und Dienstags leider ausruhen,
genießen wir den Blick auf die Reste von Fleckenstein, Hohenbourg und
Loewenstein.
So wird die Burg Fleckenstein früher mal ausgesehen haben
Nach Col de Litschhof (337 m) passieren wir nach einem kleinen Abstecher nach Deutschland den Col du Gœtzenberg (400 m) und die Ruinen der Châteaus Blumenstein, Wasigenstein und Lutzelhardt. Zum Relaxen folgen wir der D 35 westlich und dann der D 87 südöstlich durch eine traumhafte Allee. Wir müssen fast zeitgleich auf Reserve umschalten und wissen nun nicht genau, wie weit wir noch mit Motorkraft kommen, denn ich habe die Vigor nur geliehen und Karens XLR ist neu, es gibt keine Erfahrungswerte! So konzentrieren wir uns nun auf Tankstellensuche, statt die Ruinen Schœneck, Neuf und Windstein anzusteuern. Die Casemate von Dambach interessiert uns nun genauso wenig wie die Reste der Schmiede in Jaegerthal aus dem 17. Jahrhundert. In Niederbronn spreche ich mit meinem schlechten Französisch einige Jugendliche an, zeige auf den Tank und radebreche was von Benzin. Als die Jungs auf sächsisch antworten, sie wären nicht von hier, fällt Karen fast vor Lachen von der XLR.
Nach bangem Suchen finden wir in Reichshoffen eine uralte Werkstatt mit Zapfsäulen für Diesel und Superbenzin und erstehen für 44 D-Mark 20 l Sprit für die beiden Spielzeugtanks. In einem Café in Niederbronn verdauen wir die französischen Benzinpreise, bevor wir uns auf die höchste Erhebung, den Grand Wintersberg mit immerhin 580 Höhenmetern stürzen.
Grand Wintersberg
Die Fahrstraße hinauf ist ohne jegliche Absicherung teilweise eng an den Berg geschmiegt. Links fällt der Wald steil bergab, rechts steigt er über Felsen ebenso bergan, durch enge Kurven winden wir uns hinauf. Karen ist von dieser Art zu wandern völlig begeistert, endlich nicht mehr laufen müssen! Ich erklimme aus einer sportlichen Anwandlung heraus die 144 Stufen des 25 m hohen Aussichtsturms oben auf dem Plateau und genieße die Aussicht in Richtung der Nordvogesen, wo wir ab morgen die Passhöhen steigern wollen. Wir kommen auf der N 62 aus dem Wald, schlagen uns aber gleich nach Niederbronn wieder auf unseren kleinen, von wenigen Autos frequentierten, „D´s“ zurück nach Morsbronn.
Nach den ersten zwei trüben
Tagen empfängt uns heute Morgen die Sonne mit hellen Strahlen. In Oberbronn staunen
wir über schmale Gassen.
Oberbronn, uraltes Haus vor einem plätschernden Brunnen, von denen die Frauen früher das Wasserr nach Hause schlepptenOberbronn, durch diese hohle Gasse muss Karen kommen
Eine Gasse, links am Rathaus, führt
steil hinauf in den Wald zur Ruine des Châteaus Wasenbourg. Erst als wir nach
dieser neuerlichen Kurvenorgie, durch noch dicht belaubte Wälder, am Rand der
Ebene, durch Zinswiller, Offwiller und Rothbach fahren, wärmt uns die Sonne
wieder. Aber gleich geht es erneut auf kleinen Straßen in die Wälder. Völlig
unerwartet kommt mir in einer Rechtskurve ein Auto auf meiner Seite entgegen,
nur dadurch, dass ich sowieso ganz rechts fahre kann ich ausweichen. Nach einem
Adrenalinstoß blicke ich in die Rückspiegel,
Karen kommt, weit in der Mitte der Fahrbahn, gemütlich um die Kurve getuckert
und hat von der Situation gar nichts mitgekriegt. Ob es bei ihrer Fahrweise
auch so glatt ausgegangen wäre? Die aus dem 13. Jh. stammende Burg Lichtenberg
erreichen wir genau vor der Mittagspause, ja machen die extra alles zu, wenn
wir kommen??
Wir beschließen den zarten weißen Linien auf der Landkarte, über Reipertswiller, Melch und Mouterhouse nach Bitche, einer Stadt in Lothringen, zu folgen. Als wir Schwangerbach passieren, postiert sich Karen vor das Ortsschild, ich hoffe auf keine schreienden Ergebnisse nach neun Monaten.
Schwangerbach, das Ortschild hat es Karen angetan. Wo mag der Ortsname wohl herkommen?
Bitche Festung
Der Anblick der Zitadelle von
Bitche, die die Stadt überragt, ist imposant. Dies ist keine der bisher
gesehenen Festungsanlagen, sondern wurde Mitte des 18. Jahrhunderts
ausschließlich für militärische Zwecke auf einem Sandsteinfelsen, inmitten
einer weiten Talmulde in die fünf bedeutende Straßen münden, errichtet. Die
Zitadelle ist nicht nur oberirdisch angelegt, sondern Gänge und Säle sind auch
unterirdisch in die Felsen hineingearbeitet. Diese Informationen erhalten wir
in der Tourist-Information ebenso, wie einen Hinweis auf die Maginot-Anlage
„Fort Casso“ in Rohrbach.
Bitche, Blick zur Zitadelle, die die Stadt überragt
Linie Maginot
Beide Besichtigungen dauern ca. 2 Stunden, wir entscheiden uns für die jüngere Geschichte und folgen der N 62 nach Rohrbach. Diesmal haben wir tatsächlich Glück, gleich soll außerplanmäßig eine Führung stattfinden. Die Linie Maginot, eine Verteidigungslinie, benannt nach dem Kriegsminister André Maginot, sollte, nach den Erfahrungen des ersten Weltkriegs, die Deutschen an einem Einmarsch nach Frankreich hindern. Geplant war eine Befestigungsanlage von Dünnkirchen bis nach Nizza, bestehend aus unterirdischen Festungen mit dazwischen liegenden Kasematten (Bunkern), die untereinander nur oberirdisch zu erreichen waren. Dass der Plan nicht aufging und die deutschen Kriegstreiber im zweiten Weltkrieg über Belgien Frankreich überrannten, hat nichts mit der Genialität des Vorhabens zu tun. Einige Stellungen, darunter auch „Fort Casso“, haben sich erst auf Befehl der Regierung den Deutschen ergeben. Die Besatzung der Festungen war in der Lage, ohne Kontakt zur Außenwelt, zwei Monate zu überleben und die Grenze zu verteidigen. Nach über zwei gelehrsamen Stunden, die jedoch eher die Unsinnigkeit von kriegerischen Auseinandersetzungen betonten, kommen wir bei Sonnenuntergang wieder ans Tageslicht.
Rohrbach Fort Casso der Maginot-Linie, Eingang zu Block II, dem Besuchereingang
Die heutige Motorrad-Tour, die eigentlich durch den „krummen Elsass“ führen sollte, wird auf Grund der fortgeschrittenen Zeit drastisch gekürzt. Die D 36, 37 und ein schnuckliges kleines kurviges Gässchen mit Nummer 256 bringen uns zur Familie Bergmann in Wingen sur Moder und ihrer Motorradpension. Wir schieben die Motorräder in den Schuppen hinten im Garten, wo mehrere Guzzis in verschiedenen Zusammenbaustadien ihr Dasein fristen. Im Garten gibt es einen kleinen Pool, schade, dass es schon so spät im Jahr ist. Monsieur Bergmann, der eine Guzzi-Werkstatt betreibt, gibt uns am Abend etliche Tourenvorschläge. Unsere Tour ist aber schon vorbereitet und er staunt nicht schlecht, dass mein Roadbook die Highlights, die er uns nennt, fast alle aufführt.
Während wir am Morgen Kettenspannung, -schmierung und Ölstand kontrollieren, korrigiert Herr Bergmann bei Karens XLR die Kupplung. Sie kam immer erst spät und das steigerte Karens Unsicherheit. Heute ist Karen die Führende, hat das Roadbook auf dem Tankrucksack und fährt vor mir her. Das gehört zu dem Training, dass ich mit dieser Motorradtour auch beabsichtige. Sie soll lernen, mit Blick auf Landkarte und Roadbook, den Blick auf die Straße nicht zu verlieren. Heute ist außerdem Kurventraining angesagt. Wir bekommen einen kleinen Vorgeschmack auf der Strecke nach La Petite Pierre, wo wir kurz Burg Lützelstein einen Besuch abstatten.
La Petite Pierre
La Petite Pierre, Außenansicht von Château de Lützelstein, Sitz der Verwaltung des Parc Régional des Vosges du Nord
Ganz romantisch ist die Fahrt
nach Graufthal. Sonnige Wälder, durch die Nebelschwaden wabbern, kleine Seen,
die das Herbstaquarell der Wälder spiegeln, unterbrochen von tauglänzenden
Wiesen begleiten uns auf der schmalen D 178. Die Besonderheit in Graufthal sind
die, noch bis 1958 bewohnten, Höhlenhäuser – Grotten in den
Buntsandsteinfelsen.
Höhlenwohnungen in Graufthal
Aber wir wollen nicht schon wieder unter die Erde und machen uns auf den Weg zum Schiffshebewerk nach St. Louis-Arzwiller. Wir tangieren Saverne und folgen der D 138. Rechts von uns bewegt sich plötzlich eine Jacht auf der Wiese vorwärts, ein zweiter Blick entdeckt den Rhein-Marne-Kanal, der sich unbedarft durch die Landschaft schlängelt.
Schiffshebewerk St. Louis-Arzwiller
Im Schiffshebewerk überwindet der Kanal mit dem Schrägaufzug die Höhe von 44,55 m, Freizeitkapitäne sparen dabei 4 km Fahrt und 17 Schleusen! Wir beobachten dieses technische Schauspiel auch im Maschinenraum, wo zwei Elektromotoren mit 120 PS die große „Badewanne“ auf- und abwärts bewegen.
Schiffshebewerk in St. Louis-Arzweiler am Rhein-Marne-Kanal
Wir biegen von der D 98 auf die D 45 ab und nun geht’s richtig rauf! In schönen, weit geschwungenen Kurven folgen wir dem Schild nach Dabo. In einer Rechtskurve stockt mir beim Blick nach links der Atem, ich halte an. Was ist denn das für ein Ding? Durchs Zoom vom Fotoapparat erkenne ich, dass auf einem steilen Felsvorsprung eine Kirche steht, quasi als Zeigefinger Gottes! Ich krame im Fremdenführer. Da habe ich tatsächlich überlesen, das auf dem 664 m hohen Rocher de Dabo die Leokapelle steht, die an Pabst Leo erinnert, dessen Mutter aus Dabo stammte. Irre, wie unwirklich das Gebilde über dem immer noch dunstigen Tal thront! Karen kommt mir auf der Weiterfahrt entgegen, sie hatte erst in Dabo bemerkt, dass ich nicht mehr hinter ihr bin und sich Sorgen gemacht. Als ich ihr in einer Kurve den unbeschreiblichen Anblick zeige, kann sie es genauso wenig fassen wie ich. Trotzdem ist sie nicht zu einer Besichtigung zu bewegen, sondern will jetzt endlich Kurven fahren!! Ist ja gut, will ich ja eigentlich auch.
Kurven fahren, brmmmm
In Serpentinen schrauben wir uns weiter hoch über den Col de Valsberg mit 652 m, wieder herunter und halten uns an der Kreuzung zur D 218 rechts. Ich beobachte, wie Karen die Kurven immer runder, souveräner nimmt, längst nicht mehr so eierig wie anfänglich, doch in den Linkskurven noch zu weit in der Mitte, problematisch bei Gegenverkehr. Wir genießen die Kehren gegen die tiefstehende Sonne noch bis zum Aussichtsparkplatz vom Château de Nideck. Dort beschließen wir die Rückfahrt durch Saverne, mit einem Caféstopp. Nun, mit der Sonne im Rücken, lassen sich die kurz aufeinanderfolgenden Serpentinen der D 218 besser nehmen. Gemächlich, mit schönem Blick auf das „Auge des Elsass“ – das Château du Haut-Barr, rollen wir in die Ebene. Ein Stau wegen eines Unfalls lässt uns über die Unbillen des Straßenverkehrs diskutieren.
Über kleine, verschwiegene
„D´s“, durch tiefe Wälder und beschauliche Ortschaften kommen wir mit der Dämmerung
zu unserem Quartier zurück. Ein Abendspaziergang führt uns zur
Flammkuchenwirtschaft „Au Tilleul“. Diese Spezialität wird auf einem großen
Brett serviert, ist hauchdünn und knusprig, dazu schmeckt das Elsässer Bier
herrlich.
Zum Abschied ist heute morgen
wieder Herbstnebel aufgezogen, doch die Sonne versucht ihr Bestes. Monsieur
Bergmann zeigt uns noch Fotos von ihm auf Mopedtour mit seinem 17-jährigen
Sohn, in Karens Augen kann ich lesen: Schade, dass der nicht hier war! Bei der
Abfahrt ist es noch empfindlich kalt, die Sonnenstrahlen, die durch die Bäume
auf die Straße scheinen, erzeugen Discoatmosphäre wie Strobolicht.
Die Sonnenstrahlen wirken wie Strobolichtund erschweren das Fahren – aber schön sieht es aus
Hanauer Ländchen
Wir freuen uns, die Wälder zu verlassen und über offenes Land in der wärmenden Sonne zu fahren. Zwar ist die Strecke nun nicht mehr so spannend aber wir machen ja eine Kultour. Letzter Stopp in Frankreich ist das Städtchen Bouxwiller im „Hanauer Ländchen“. Auch hier, wie übrigens überall im Elsass, sieht man die vielfältige Geschichte in den Gebäuden dokumentiert.
Bouxwiller, krummes, bewohntes Fachwerkhaus
In einer Patisserie erstehen wir noch Mitbringsel für Karens kleine Schwester und ihre Tante, meine Schwester, die aufeinander aufpassen, während wir unterwegs sind. Über verschiedene größere „D´s“ erreichen wir nach insgesamt 578 km wieder unseren Ausgangspunkt Wissembourg. Karen, die mal wieder vorne fährt, biegt kurz hinter der Grenze auf die Autobahn ab, statt noch länger der Bundesstraße zu folgen. Ich halte ihr hinter ihr fahrend die LKW´s vom Leib, die relativ genervt unsere Bemühungen, die XLR-Schallgrenze von 80 km/h zu durchbrechen, beobachten. Plötzlich zappelt Karen vor mir auf dem Moped, aber erst zu Hause ergibt sich die Gelegenheit zu fragen, was für eine Bedeutung das hatte. Die 1000 km auf dem Tacho waren erreicht, ach so! Aber genau diese Fahrpraxis und unsere Gespräche über das gemeinsam Erlebte haben in den fünf Tagen Karens Fahrsicherheit enorm erhöht. Und ganz sicher ist: der Elsass hat uns nicht zum letzten Mal gesehen.
Nach der Rückkehr werden die Mopeds geputzt
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Willkommen
Hallo von Anne-Bärbel
Ich bin eine Reisende -fern und nah-, Abenteurerin, Humanistin, Freigeist. Reisepunsch.de bietet die Vielfalt des Reisens in Geschichten, Tipps, Infos, Genuss, und Empfehlungen. Für Dich zum Teilhaben oder vielleicht zum Selbsterleben!?