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Eine große Motorradtour sollte es sein mit vielen kindgerechten Attraktionen. Bei meiner Tochter waren Astrid-Lindgren-Bücher top angesagt. Die Wikinger hatte sie in einer anderen Buchreihe entdeckt. Und die Protagonisten der Bücher lebten in Dänemark und Schweden – somit war das Ziel klar.
Das Auto vor ihr sortiert sich auf der Linksabbiegerspur ein, sie selbst bleibt auf der Rechtsabbiegerspur. Ein kurzer Seitenblick, von links ist frei, also gibt sie Gas. Rumms, der Linksabbieger hat es sich jetzt doch anders überlegt und Lotti beim rechts abbiegen gerammt. Zum Glück fahren die Autos nicht schnell und haben dicke Gummistoßstangen rundum, es passiert also nichts.
„Jetzt musst du nur noch ein Kindermotorrad kaufen, dann kann ich selbst fahren, Mama“, ruft sie glücklich, als sie mit ihrem Legoland-Führerschein angerannt kommt. Kann ich aber nicht und so muss sie während unserer großen Dänemark-Schweden-Motorradtour bei mir als Sozia mitfahren.
Die Fahrprüfung macht große Freude im Legoland
Dänemark liegt eigentlich nicht auf dem direkten Weg nach Schweden, denn durch die verschiedenen Fährverbindungen ist die Anfahrtszeit recht kurz geworden. Aber ich hatte seit zwei Jahren den Besuch von Legoland in Billund versprochen und wir planten daher die Anreise durch Dänemark. Wir hatten bei der Anreise zwei etwa vierstündige Autobahnetappen. Wir hatten über diese „langweiligen“ Etappen gesprochen, Lotti war die Notwendigkeit des langen Stillsitzens klar. Wir haben uns unterwegs Geschichten von Astrid Lindgren erzählt, gesungen und gerechnet. Die Nachmittage verbrachten wir bei Freundinnen mit Kindern, die praktischerweise bei Hannover und bei Flensburg wohnen. Spielen, bewegen, lachen, toben – der richtige Ausgleich für die Achtjährige.
In den Tankpausen unterwegs gab es natürlich ein Eis!
Legoland Billund
Ich mag eigentlich keine Freizeitparks, aber das Legoland in Billund ist faszinierend. Überall, teils unverhofft, stehen Gebäude, Tiere oder Menschen aus Legosteinen. Stadt- oder Landschaftsteile, Flughafen, Bahnhof, Schleusenanlagen und Häfen sind aufgebaut und in Bewegung. Schiffe fahren und schleusen, LKW transportieren Waren, auf einer Ölplattform wird gearbeitet und Züge halten an Bahnhöfen.
Die Tiere sind aus Legosteinen
Selbst die Fahrattraktionen sind in die Legowelt
integriert. Kann man sich vorstellen, dass bei einigen der Gebilde bis zu 4,5
Mio. Legosteinen verbaut sind? Wir trennen uns abends nur schwer von der
Legowelt, aber wir sind bei Freunden auf Langeland angemeldet und müssen noch
zwei Stunden fahren.
Wikinger live – nicht nur im Bilderbuch
Unsere nächste Tagesetappe führt uns nur über die Ostküste von Fünen bis zum wunderschön gelegenen Campingplatz von Nyborg. Trotzdem das Meer mit herrlichem Sandstrand lockt, fahren wir nach dem Zeltaufbau ohne Gepäck zur Schiffsetzung nach Ladby, unserer dritten Wikingerstätte. In der Nähe von Schleswig haben wir schon das Museum Haithabu besucht. Die ausgestellten Fundstücke, die die Lebensgewohnheiten der Wikinger veranschaulichen, stammen aus der teilweise ausgegrabenen Handelsstadt aus der Zeit um 900 bis 1100 n. Chr. An der dänischen Nordseeküste, nahe dem schönen Städtchen Ribe ist ein Freilichtmuseum, in dem „Berufswikinger“ den Besuchern das Leben der damaligen Zeit vorführen. Derzeit wird dort mit alten Handwerksmethoden der Stadtkern aus dem Jahre 825 n. Chr. neu errichtet. Lotti half mit, indem sie Holznägel für die Häuser herstellte, die, ganz ohne Eisen, nur aus Holz, Leder, Gras und Schilf gebaut werden. Bei einem Wikingerjungen, der Fladenbrot backte, stärkten wir uns.
Die Holznägel werden für den Hausbau benötigt
Ein Junge backt kleine Brotfladen am offenen Feuer, wir dürfen probieren
Hier
in Ladby, in der Nähe von Kerteminde, wurde ein altes Schiffsgrab entdeckt und
so konserviert, dass man es heute besichtigen kann. Wir haben Glück und erleben
eine Ferienfreizeit, die sich mit dem Thema Wikinger beschäftigt. Die verkleideten
Kinder und Betreuer, versuchen das Leben von damals nachzuspielen. Die Mädchen
spinnen, weben oder sammeln Kräuter, die Jungen schärfen Schwerte oder schauen
dem Schmied zu. Auf einem Wiesengelände folgt Kampfausbildung, mit der
anschließenden Versorgung von „Verletzten“ und das ist spannend anzuschauen.
Die Kinder und Betreuer spielen das Leben der Wikinger nach
Begrenztes Gepäck und trotzdem alles mit
Die Strandmuschel schützt vor dem Wind und spendet Schatten
Den Rest des Tages verbringt Lotti in Sichtweite des Zeltes am Strand. Ich habe große Wäsche, denn der Campingplatz ist mit Waschmaschine ausgestattet und unsere Wäschevorräte fast verbraucht.
Unser gepacktes Motorrad mit Sitzplatz für Zwei
Gepäck auf dem Motorrad
Auf dem Motorrad haben wir ja nur begrenzte Mitnahmemöglichkeiten für alle auf der Reise benötigten Dinge: In dem großen Gepäcksack sind das Zelt und die Therm-a-Rest-Matten, die Strandmatten und die Strandmuschel (zugegeben ein Luxusartikel bei unserem Packvolumen), ein Armeeponcho für vielfältige Aufgaben (Tarp, Sitzunterlage, Regenschutz, Motorradgarage etc.), ein Brändi-Grill (ein, an einem in die Erde gerammten Stab befestigter, höhenverstellbarer Rost), ein „Anti-Plattfuß-Spray“ für eine schnelle Reifenreparatur, Lottis Wanderschuhe und Spielrucksack, mit Mandala-Malkarten, Walkman und Kassetten, Lesebuch und Sandspielzeug. Die Schlafsäcke, -anzüge und kleinen Kopfkissen sind in den blauen Packsäcken, die Lotti umgeben. Die Küchentaschen beinhalten den Benzinkocher, Topfset, Pfanne, Teller, Bestecke, Gewürze, Öl, Bouillon, 110 g Beutel mit Basmatireis, Haferflocken, „Allradbecher“ (spezielle Gefäße, in denen man auch kochen kann), Wassersack, Milchpulver, Müsli, usw. Die Schwierigkeit ist, beim Einkaufen unterwegs die Vorräte mit entsprechend kleinen Mengen wieder aufzufüllen. In den schwarzen Ortlieb-Packtaschen sind die Kleidung, T-Shirts, Vliesjacken und Hosen, Unterwäsche und Socken, je eine lange Hose und ein Sweat-Shirt, die erste Hilfe-, Arznei und Kulturbeutel, Handtücher, Seile und Klammern, Filmmaterial und die Motorradersatzteile sowie Öl und Kettenspray untergebracht. Im Tankrucksack sind die Regen- und Fotoausrüstung, Ersatzhandschuhe und die Trinkflaschen. Hinter Lotti steht ein Rucksack, in dem tagsüber eventuell benötigte Dinge (wie Schwimmsachen), die Teva-Sandalen und Wertsachen sind, den wir bei einer Besichtigung oder einem Einkauf einfach mitnehmen. Meine Tipps habe ich für Dich auf einer eigenen Seite zusammengestellt und als Download. Lese auch meinen Artikel zum Thema Mit Kindern Motorrad Touren machen.
Als die Wäsche auf der Leine flattert, gehe ich zu Lotti an den Strand. Ich stürze mich in die kühlen Fluten der Ostsee, der Wellengang ist mäßig, die Erfrischung maximal. Lotti ist zu wasserscheu. Nur ihre Füße, bis Mitte Waden und der Po in der Hocke dürfen das kühle Meer spüren. Wir bauen noch eine tolle Sandburg. Während der Dekorationsarbeiten von Lotti, genieße ich die Aussicht auf die Storebæltbrücke, über die wir morgen nach Seeland fahren. In der Mitte werden wir 60 m über dem Meer sein!
Storebæltbrücke im Abendlicht – das wird eine spannende Überfahrt
Diese Fahrt genießen wir am nächsten Tag mit Tempo 60 da nur wenig Verkehr ist. Wider Erwarten ist es fast windstill und wir bedauern, dass kein Ozeanriese unter der Brücke durchfährt. Heute ist noch mal „Wikingertag“ und wir besuchen die Trelleborg bei Slagelse. Von diesen Burgen wurden, wahrscheinlich unter König Harald Blauzahn, einige errichtet. Der hohe, kreisrunde Außenwall war innen symmetrisch in 4 x 4 Häuser eingeteilt, darin konnten etwa 500 Menschen geschützt leben. Das Museum hierzu ist etwa 300 m davon entfernt. Auf dem Gelände dazwischen findet jedes Jahr ein großer Wikingermarkt statt, der gerade von „Hobbywikingern“ aufgebaut wird. Alle möglichen Händler errichten ihre wunderschönen Leinenzelte die teils mit Ornamenten bemalt sind. Hier kann man Pfeil und Bogen erwerben, dort ein neues Gewand, oder die unerlässlichen Tunika-Schließen aus Silber und anderen Schmuck. Plötzlich schreckt uns Kampfeslärm, zwei gestandene Wikinger messen ihre Kräfte mit Schwertern und Schilden. Auch ein Baby, dass im Schatten eines Zeltes auf einem kuscheligen Schaffell schlief, fängt nun an zu schreien und die Männer werden von der Mutter ohne Waffe vertrieben.
Die Freizeitwikinger üben mit echten Schwertern
Nachmittags fahren wir nach Roskilde und besuchen dort das Schiffsmuseum, um auch die seefahrerische Seite des Wikingerlebens zu studieren. Es ist schon erstaunlich, mit welchen Booten sie bis nach Neufundland und ins Schwarze Meer kamen. In einem halben Handelsschiff darf Lotti probesitzen ehe es zur Fähre nach Helsingør geht.
Zwei Wikingerboote im Hafen von Roskilde
Überfahrt nach Schweden
Wir
werden gleich auf die Fähre gewunken. Ich fahre mit unsicherem Gefühl auf das
Schiff. Es ist für mich das erste Mal mit Motorrad, ich bin mir unsicher, ob
wir es irgendwie festzurren müssen. Es kümmert sich keiner um uns und schon
geht die Bugklappe zu. Da der Seitenständer der Honda CB 450 S nur unter
Belastung die Maschine hält, kann schon ein leichtes Wackeln der Fähre das
Motorrad umkippen lassen, ich will also zumindest auf dem Hauptständer parken.
Mitsamt dem Gepäck bekomme ich das aber nicht mehr hin, ein freundlicher Herr
hilft jedoch. Ehe wir uns recht besinnen, sind wir schon in Schweden, denn die
Überfahrt dauert nur 15 Minuten!
Was
für ein Knöpfchen muss ich drücken, um Benzin aus dem Zapfhahn herauszulocken?
Entnervt gehe ich zur Kasse und frage auf englisch nach. Ach so, Kassa bedeutet
Barzahlung oder, falls möglich, mit Scheckkarte, die anderen Zapfhähne sind für
Tankkarteninhaber oder für Geldscheine. Andere Länder, andere Sitten, aber
jetzt wissen wir es. Vor dieser Reise haben wir uns ein Sprechfunkgerät
für unsere Motorradhelme zugelegt und können uns so während des Fahrens die Arbeit teilen. Ich halte Lotti auf dem
Laufenden, wohin die Reise gehen soll, sie sucht dann bei den Abzweigungen die
Schilder und weist mir die Richtung, sie hält nach den Campingplätzen Ausschau
und ab sofort an den Tankstellen nach den richtigen Zapfsäulen. Wenn wir an
Ampeln halten müssen, kann ich entspannen, denn Lotti sagt mir, wenn es grün
wird. Auch wenn ich selbst schaue, fahre ich erst nach Lottis Information los,
sonst fühlt sie sich nicht ernst genommen. Diese Aufgaben sind deshalb wichtig,
da sie dann nicht „nur“ hinten draufsitzt, sondern ebenfalls Verantwortung hat.
Sie dirigiert mich nach etwa 30 km auf unseren ersten schwedischen
Campingplatz. Heute machen wir uns nur ein dünnes Süppchen und essen Brot dazu.
Bei schönem Sonnenuntergang schreiben wir Postkarten und spielen
“Mensch-Ärgere-Dich-Nicht”. Erst mit der Dämmerung um 22.30 Uhr krabbeln wir
müde in unsere Schlafsäcke.
Postkarten-Schwedenidylle
Kurz
vor Kristianstad finden wir den richtigen Abzweig nach Österlöv, dort aber
leider nicht das kleine Motorradmuseum. Wir haben uns für heute den
Campingplatz Galaxen nordöstlich von Vilshult ausgesucht. Kleine Sträßchen
führen uns durch eine „Mama-Muh oder Petterson-Landschaft“. Wälder, von Seen
durchbrochen, zwischendrin kleine, rote Bauernhöfe mit Kuhweiden, die mit
Felsbrocken übersät sind. Der Zeltplatz liegt an einem wunderschönen See, in
dem sich die Hitze herrlich ertragen lässt. Lotti lernt einen älteren Herrn
kennen, der sie mit zum Angeln nimmt, zum Abendessen gibt es aber doch Reistopf
mit Hackfleisch, da die Fische lieber weiter leben wollen.
Lottis erster Angelausflug auf dem See Galaxen
Blekinge
Wir
folgen am nächsten Tag einer Straßenbeschreibung aus der Blekinge-Broschüre:
„Von Halahult folgen Sie dem Kulturvägen, einer romantischen Naturstraße, nach
Süden. Auf dieser Fahrt können Sie nachvollziehen, was Selma Lagerlöff mit ihrem
Begriff „die drei Stufen“, mit denen sie die Provinz Blekinge beschreibt, in
ihrem Buch „Nils Holgersson“ meint.“ Diese Naturstraße ginge bei uns höchstens
unter „guter Wanderweg“ in die Landkarten ein. Das Schottersträsschen, in der
Mitte der Fahrspur grasbewachsen, schlängelt sich ganz unbedarft durch
schönsten Mischwald. Als ich anhalte, um zu fotografieren, ist Lotti nach
meinem Ausruf „Hier gibt’s jede Menge Heidelbeeren!“ so schnell vom Motorrad,
wie sonst auf der ganzen Reise nicht.
Die Heidelbeeren sind fast kirschgroß und die Lippen trotz Sommerhitze blau
Mit
blauen Lippen, trotz Sommerhitze, steigen wir auf zur idyllischen Weiterfahrt.
Den Abend verbringen wir am Strand von Ekenäs bei Ronneby, das Wasser der
Ostsee wäscht die Heidelbeertatoos davon.
Wir machen einen Abstecher nach Torhamnslandet, wo Felszeichnungen aus der Zeit um 1500-500 v. Chr. zu bewundern sind.
Småland
Nach der Grenze zu Småland lassen wir uns Zeit zum Schauen und steuern über eine Landstraße mit wenig Verkehr. „Da steht eine braune Kuh im Wald, Mama“, Lotti deutet nach rechts. Erst nachdem wir ein „Elchwarnschild“ passiert haben realisieren wir, dass sie vielleicht einen Elch gesehen hat. Das irgendwo Leute leben müssen, merkt man nur an den Ortsschildern, aber vor und hinter den Ortschildern sieht der Wald gleich aus.
Manchmal sieht man Briefkästen am Straßenrand stehen, vermutlich gibt es dann auch Bewohner…
Begeisterung
erweckt bei Lotti der Ortsname Yxnanäs, da sie die Buchstaben Y und X bisher
zwar gelernt, aber noch nicht oft gebraucht hat. Der See in Linneryd bietet für
den Rest des Tag alles, was wir brauchen. Sonne, Sand, Wasser, Campingplatz und
die leider schlechteste Minigolf-Bahn der Welt. Bretter mit Dachpappe benagelt
bilden den Parcours, der sicherlich schon etliche Jahre auf den „Buckeln“ hat.
Växjö – Abenteuer Physik im Experimentierhaus
Vorsichtig zieht Lotti die Drähte auseinander und erzeugt
eine Riesenseifenblase, die etwa 5 m hoch ist! Später hebt sie sich mit
Hebelkraft selbst in die Höhe! Der Besuch des Xperiment Huset in Växjö lohnt
sich, da Physik ganz nebenbei „begriffen“ wird, eine deutsche Anleitung der
Versuche wird ganz selbstverständlich ausgehändigt.
Zwischen zwei Drähten bildet sich eine Seifenblase, in die Lotti reinpustet
Lotti zieht die Seifenwand weit nach oben
Astrid-Lindgrens-World
Die 150 km nach Vimmerby sind nach so viel Gelehrsamen die reinste Entspannung. Die Strecke führt uns durch eine Landschaft, die Astrid Lindgren in ihren Büchern so treffend beschreibt. Seit Februar haben wir nur noch ihre Bücher gelesen: Bullerbü, Pippi, Karlsson vom Dach, Lotta aus der Krachmacherstraße, Madita und Michel. In Vimmerby in „Astrid-Lindgrens-Värld“ wollen wir in die Geschichten eintauchen. Im Freiluftpark werden einige der Geschichten über die Sommermonate von Schauspielern in Szene gestellt.
Gleich am Anfang sind wir in der Krachmacherstraße und entdecken Lottas und Tante Bergs Haus. Mit viel Getöse kommt uns ein Mann in blauer Latzhose entgegen, Karlsson, der mal eben einen „Rundflug“ macht, um zu gucken, wieviel Leute heute kommen. Wir folgen ihm in die Stockholmer Straßenzeile bis in sein Häuschen auf dem Dach, das durch eine Rutschbahn verlassen werden muß und landen in der Nähe von Pippis „Nicht-den-Boden-berühren-Parcours“. Dort steht ein Schild das Erwachsenen ausdrücklich erlaubt, den Parcours zu benutzen. Trotzdem bin ich die einzige Mama, die hinter ihrem Kind herturnt.
Während unserer Reise lesen wir
das Ronja-Räubertochter-Buch und interessieren uns am meisten für die
„Mattisborgen“ im Mattiswald. Ja, da ist sie, sogar mit Höllenschlund.
Mattis schaut nach den Borkaräubern aus, Räuberhauptmann Borka und sein Sohn Birk schleichen sich von der Seite an
Trotzdem die Schauspieler nur
schwedisch reden, können wir der Handlung folgen. Lovis und Ronja, Birk,
Mattis, Glatzen-Peer und Knutas kann Lotti später „anfassen“ und mit Ronja
sogar ein wenig deutsch reden.
Glatzen-Peer ist unverkennbar
Mattis unterhält sich mit Lotti – so eine Ehre, dass macht sie ganz schüchtern
Mit Ronja kann Lotti auf Deutsch reden und ist ungemein stolz
In der Pause des Stückes auf der Mattisborgen gehen wir nach „Bullerbü“. Auf dem Weg dorthin treten unverhofft Kling und Klang, die Polizisten aus der Pippi-Geschichte, aus dem Wald und erschrecken uns.
Die Polizisten Kling und Klang erschrecken uns
Bei der Fortsetzung der Ronja-Geschichte, sind dicke schwarze Wolken und Donnergrollen über uns und wir versuchen rennend, die Astrid-Lindgren-Ausstellung, eines der wenigen festen Häuser des Geländes, zu erreichen, aber auf halbem Weg erwischt uns der Wolkenbruch. Platschnaß, von vielen weinenden Kindern umringt erleben wir im Haus ein schweres Gewitter. Aber wir nutzen die Zeit, um durch die Ausstellung zu gehen und Leben und Werk der Schriftstellerin kennenzulernen. Die Sonne lacht plötzlich wieder, und wir entschließen uns, noch das „Heckenrosental“ zu besichtigen. Dort auf der Bühne sind alle Schauspieler versammelt und singen die Lieder, die in den Filmen vorkommen. Teils sind die Melodien unseren deutschen „Übersetzungen“ ähnlich, teils können wir nur an den Figuren erkennen, welche Geschichten besungen werden.
Lotti leiht Pippi ihr Gesicht
Die Filmschauplätze sind keine Kulissen
Am Vormittag besuchen wir das „richtige Bullerbü“, das
Örtchen Sevedstorp. Außer dem Bullerbyn-Express, einer Pferdekutsche mit der es
sich Lotti nicht nehmen lässt zu fahren, gibt es noch eine geheimnisvolle
Scheune, in der Kinder mit Eltern verschwinden, aber nur Eltern wieder
herauskommen. Lotti und ich wollen das Rätsel lösen. Von einer etwa 3 m hohen
Empore können die Kinder ins duftende, weiche Heu springen und erst wenn sie
genug haben, an der Rückseite der Scheune wieder herauskommen.
Die drei Häuser in Bullerbü sehen aus wie die im Film – sie sind ja auch die Häuser aus dem Film
Vom Heuboden springen macht Riesenspaß
Auf unserer Weiterfahrt liegt noch Gibberyd, wo der
Katthulthof steht, in dem die Michel-Filme gedreht wurden. Lotti möchte am
liebsten im Tischlerschuppen bleiben, denn sie schnitzt so gerne.
Obwohl sie nichts ausgefressen hat, lässt Lotti es sich nicht nehmen, im Holzschuppen von Michel Platz zu nehmen
Wir haben aber für heute Gränna als Etappenziel und so
folgen wir mal diesem, mal jenem Sträßchen, irgendwie Richtung Westnordwest.
Die schmalen Straßen sind teilweise aus Schotter, auf denen ich mich mit dem
Fahren immer noch schwer tue. Ich habe immer das Gefühl, im nächsten Moment rutscht
die Maschine weg. Theoretisch kann das mit gleichmäßiger Geschwindigkeit nicht
passieren, aber Motorradtheorie und meine Psyche passen irgendwie nicht
zusammen!
Die Stadt Gränna ist durch die Witwe Amalia Eriksson
bekannt geworden, die im vorigen Jahrhundert anfing Polkagris, herrlich
schmeckende Zuckerstangen, herzustellen.
Viele Arbeitsschritte sind notwendig, bis Zuckerstangen spiralförmig rot-weiß sind
Auch der Ballonfahrer Salomon August Andrée, der 1897
versuchte den Nordpol mit dem Ballon zu erreichen, stammt aus dieser Stadt am
Vätternsee. Am Abend kochen wir in der 4-Sterne Küche des Campingplatzes
Kartoffeln mit Rührei und Spinat und genießen danach einen tollen
Sonnenuntergang.
Fahrradtour auf Visingsö
Herrgott,
da ist ja keine Bremse am Lenker, bis ich mich auf die Rücktrittsbremse
besinne, ist es schon zu spät, ich pralle gegen Lottis Leihfahrrad und wir
behalten blaue Flecken als Souvenir. Hier auf der Insel Visingsö, die wir als
Fußgänger mit der Fähre von Gränna aus erreicht haben, spielt Lotti den ganzen
Tag, ihr Fahrrad wäre ein Motorrad. So kommen wir durch Eichenwälder, die 1830
gepflanzt wurden um die Marine mit Bauholz zu versorgen, flott voran. Die
Kumlaby-Kirche ist innen mit schönen Wandmalereien versehen und wir genießen
den Ausblick, nachdem wir die Stufen des engen Kirchturmes erklommen haben. Vom
Braheschloss ist nach einem Brand 1718 bis auf den Südflügel nichts mehr
übriggeblieben, aber dessen Ruine lässt die Großartigkeit der Anlage erahnen.
Der Kirchturm der Kumlaby-Kirche kann bestiegen werden
Lotti genießt die eigene Fortbewegung
Wir erreichen den Göta-Kanal bei Motala, der uns mit einer
Hebebrücke, die uns zum Anhalten zwingt, begrüßt. Die Straße klappt hoch und
wir können die obersten Wimpel des durchfahrenden Ausflugsschiffes sehen.
Der Fahrdamm links öffnet sich bereits Die Wimpel des Ausflugsdampfers sind noch zu sehen
Ansonsten ist die viel befahrene Straße 50 um den
Vätternsee, der dreieinhalbmal so groß ist wie der Bodensee, nach Norden sehr
langweilig. Spannend wird es erst wieder nach Askersund, als wir einem
schmalen, buckligen Asphaltstreifen südwestlich zum Tiveden Nationalpark
folgen. Über eine Schotterstraße erreichen wir den See Fagertärn, aber die
roten Seerosen, die ihn so berühmt gemacht haben, sind schon zugegangen. Schade!
Wanderung im Tived-Urwald
Den heutigen Sonntag verbringen wir auf einer
eindrucksvollen Wanderung durch den Urwald des Tived. In der Tourist Info haben
wir eine kleine Routenbeschreibung erhalten. Der Pfad, den man nicht verlassen
sollte, ist total verwunschen. Von bunten Moosen und Flechten umgeben führt er
über Felsplatten und große Geröllbrocken, vorbei an Baumriesen und auf Stegen
über moorigen Untergrund.
Wir erwarten jeden Moment einen Rumpelwicht der uns fragt „was tust du?“ Gut ausgerüstet zur Wanderung im Tived-Urwald
Vänersee
Ein kleines Faltblatt belehrt uns über die zu sehenden Besonderheiten. Auf der Rückfahrt stellen wir fest, dass unser Sprechgerät einen Wackelkontakt hat, den wir reparieren müssen. Aber am nächsten Morgen ist die Anlage tot und nicht zu reparieren. Wir vermissen auf der Weiterfahrt die Gespräche und Spiele und meine Nieren müssen unter Lottis Schlägen, wenn sie auf sich aufmerksam machen will, leiden. Weder in Kristinehamn, wo wir die 15 m hohe Picasso-Skulptur bestaunen, noch in Karlstad ist Ersatz für das kaputte Teil zu bekommen. Frustriert, da wir den Tag mit der Suche nach Motorradzubehörläden verplempert haben, fahren wir weiter bis Åmål. Der Campingplatz zieht sich über einen Hügel und wir schlagen unser Zelt mit Blick auf den Vänernsee auf. Beim Abendessen hören wir ein Tuckern auf dem See. Es rührt von einer schwimmenden Terrasse her, die mit einem Außenbordmotor angetrieben wird, auf der zwei Männer in Gartenstühlen vor einem Grill sitzen. Unglaublich, hat uns da der Sandmann einen Streich gespielt und die Traumbilder vor dem Einschlafen geschickt? Aber nach Entwicklung der Fotos bestätigt sich das Gesehene.
Wir trauen unseren Augen nicht – eine schwimmende Terrasse
Morgens besuchen wir das Ronja-Museum, in dem der Aufwand der Dreharbeiten des Filmes durch Fotos veranschaulicht wird. Teile der Requisiten, die Modelle der Mattisburg und auch „Steine“ der im Sörknatten-Nationalpark extra für den Film errichteten Burg sind ausgestellt.
Abenteuer beim Paddeln
„Lotti paddel links, links!“ Warum um alles in der Welt dreht sich dieses Boot denn nicht nach rechts? Der See Lelång hat an dieser Stelle eine Breite von 2 km, es stürmt, die Wellen kommen von schräg rechts vorne. Nichts zu machen, wir driften nach links ab und paddeln, gezwungen von der Strömung, zurück. Nach einer Stunde Schinderei landen wir wieder an unserem Schlafplatz, einer mit Kiefern bestandenen felsigen Halbinsel, auf dem wir die Nacht im Gewitter verbracht haben. Wir versuchen es nochmals und paddeln nah an der Küstenlinie entlang und erreichen einen Steg, oberhalb dessen einige Häuser stehen. Wir schaffen es nach mehreren Anläufen, das über 5 m lange Aluminiumboot aus dem See zu ziehen und schleppen das Gepäck auf die Anhöhe. Dort bietet uns ein Herr seine Hilfe an und zieht auf der vom Regen sumpfigen, mit Schafskötteln übersäten Wiese das Boot auf dem Bootswagen hinauf. Übers Handy informieren wir den Bootsverleiher, der nach einer halben Stunde in einem heftigen Regenschauer ankommt. Nein, es hat nichts mit mangelnder Erfahrung zu tun, wenn man bei so einem Wetter nicht weiterpaddelt, bestätigt er mir, sondern die auf dem See Gebliebenen handeln unklug. Und wir hatten uns die drei Tage beim Paddeln so schön vorgestellt.
Unsere Ortlieb-Packtaschen sind wasser- und staubdicht – super geeignet für die Paddeltour!
Dalsland
Statt dessen gönnen wir uns zwei Tage Rast in Laxsjöns Friluftsgård, wo Lotti die 30 Tage jüngere, fast 8-Jährige Bettina kennenlernt. Sie sind sich sehr ähnlich und daher für zwei Tage ein unzertrennliches Team. Bettina schaut uns, als das Motorrad fertig gepackt ist, ungläubig beim Anziehen zu. Über unsere Radlerhosen ziehen wir die Motorradhosen, dann stehen wir weder beim An- noch Ausziehen in Unterhosen da. Dann folgen die Stiefel, das Halstuch, der Nierengurt, die Jacke der Helm und die Handschuhe. Auf dieser Reise wurden wir oft angeglotzt, was Lotti sehr gestört hat, aber diesmal nervt es nicht. Ein letztes Winken, wir sind wieder auf dem Weg.
Bettina kann nicht fassen, was wir trotz der Sommerhitze anziehen
Håverud
Die Schlucht vor Håverud wird von fünf verschiedenen Verkehrswegen auf fünf verschiedenen Ebenen überquert. Wir stehen 50 m über den Stromschnellen des Upperud Flusses (1), auf der Straßenbrücke (2), über die wir eben den Parkplatz erreicht haben. Etwa 15 m unter uns verläuft die Eisenbahnbrücke (3), unterhalb kreuzt das Aquädukt (4) des Dalslandkanals, gefolgt von drei Schleusen, die Stromschnellen. Diese Fahrrinne aus Stahl wird seit 1868 von Schiffen benutzt. Zuunterst quert eine Fußgängerbrücke (5) den Upperud.
Vier Brücken übereinander – auf der Straßenbrücke stehe ich beim fotografieren
Die Atmosphäre lädt zum Bleiben ein und als Hamfri, ein Dampfschiff, tutet, schaut mich Lotti bittend an. Wir fahren zum kleinen Hafen und erfahren, dass in einer halben Stunde das Dampfschiff für heute zum letzten Mal ablegt. Ja, ein Zeltplatz sei gleich dort drüben am See. Wir fahren schnell hin und bauen in Windeseile alles auf. Mittlerweile sind die Abläufe nach Ankunft klar. Packsack runter, Zelt heraus, Stangen einstecken und aufstellen – das machen wir im Team. Innenzelt einhängen und Schlafplätze einrichten, sind Lottis Aufgaben, während ich die restlichen Taschen abpacke und im großzügen Vorzelt verstaue. Motorrad auf den Hauptständer stellen, Benzinhahn zu, abschließen. Schnell noch raus aus den Klamotten und umziehen, Trinkflaschen in den Rucksack und schon laufen wir fröhlich zum Anleger.
Wenn wir fix sind, sind wir in 20 Minuten ausgepackt und aufgebaut Humfri ist die Verballhornung des Namens Humphry (Bogard), wegen des Dampfschiffs im Film „Africa Queen“
Das Schiffchen liegt noch, und der Kessel wird vom Kapitän mit Holzscheiten gefüttert. Sind nun alle eingestiegen und haben die Dampfmaschine bewundert? Ja, dann geht die Fahrt los.
Die blankpolierte Dampfmaschine verträgt nur kleine Holzscheite
Gleichmäßig tuckernd erreichen wir Upperud und wandern entlang der Landstraße zurück. An der unteren Schleuse liegt ein Kanu, in das gerade Eltern mit ihren drei kleinen Töchtern einsteigen. Jetzt haben wir mal etwas zu glotzen. Sie haben Gepäck für drei Wochen mit und es trotzdem gemütlich, versichern die Mädchen.
Zu den Drehorten von Ronja Räubertochter
Unseren heutigen Ausflug machen wir ohne Gepäck, so sparen wir uns auch Ab- und Aufbau. Die Dalsländische Landschaft ist meines Erachtens in Südschweden die spektakulärste, von tollen Felsformationen zerklüftet, unendlich viele Seen und farbenfrohe Wiesen zwischen den Wäldern, unterbrochen von roten Häusertupfen. Über Schotterstraßen, die ohne das Gepäck leichter zu bewältigen sind, erreichen wir den Sörknatten Nationalpark und tauschen mal wieder Wanderschuhe gegen Motorradstiefel. Hier versuchen wir die Stellen herauszufinden, die als Filmkulisse für Ronja Räubertochter gewirkt haben.
Von diesem See starten die Wildtruden in der Gewitternacht – oder etwa nicht?
Wir steigen hinauf auf die Felsen und versucehn herauszufinden, wo die Mattisborgen gestanden hat. Wir versuchen uns zu erinnern, wie der Blick aus dem Burgfenster ausgesehen hat und vergleichen diese Bilder mit dem Ausblick. Und, war das hier nicht die Stelle, wo Ronja dem verletzten Pferd mit dem Weißmoos das Blut gestillt hat? Nach einer Mittagsrast locken uns die Felszeichnungen von Högsbyn am Nachmittag. Dort wurden unter anderem Salto rückwärts springende Figuren und jede Menge Füße eingeritzt.
Die Bilder zu interpretieren macht Spaß
Anschließend folgen wir bewusst zum zweiten Mal der
schmalen Straße nach Håverud, denn die Geländeform wurde beim Straßenbau
bewahrt. Steile Gefälle und Steigungen mit urplötzlichen, teils 120° Kurven und
Buckel, die an Achterbahn erinnern, wechseln in rasanter Folge. Fast könnte ich
zum Spaß nochmals umdrehen, aber die Sozia streikt, genug gesessen!
Auf der Fahrt an die Westküste wird es so kalt, dass ich die Vliesjacken und warmen Handschuhe rauskrame. Die Festung Bohus in Kungälv begrüßt uns mit Sturm, der uns bei der Besichtigung beinahe von den Zinnen weht.
Trutzig steht die Feste Bohus in Küstennähe
Bis Åså wird es etwas wärmer, dort auf dem Campingplatz bekommen wir den Platz, den die Motorradfahrer lieben, denn er ist nur steil bergauf, über Felsen, Geröll und Sand zu erreichen. Ich gebe Gas, das Motorrad schlingert erst vorwärts dann plötzlich nur noch rückwärts. Irgendwas habe ich falsch gemacht, zu wenig Gas oder Kupplung gezogen. Als wir zum Stillstand kommen, ist uns bloß das Herz in die Hose gerutscht, aber die vollgepackte Maschine nicht umgekippt. Das passiert erst später, als sie geparkt auf dem Hauptständer parallel zu einem leichten Abhang steht und der Sand unter der Last einfach nachgibt! Von da an weiß ich, dass ich mein Motorrad nicht alleine hochheben kann, denn ausprobieren konnte ich es noch nie. Der Bremshebel ist geknickt, aber noch funktionstüchtig.
Am Abend ist die Stimmung am Strand mit dicken Regenwolken, durch die Sonnenstrahlen brechen, gespenstisch, ja fast bedrohlich. Am nächsten Morgen jedoch treibt uns die warme Sonne aus dem Zelt. Gestern abend habe ich meinen Brötchenteig mit Hefe angesetzt, er hat in einer Schüssel mit Deckel in meinem Schlafsack die „warme“ Nacht verbracht und ist nun ausgiebig gegangen. Ich forme die Brötchen, die ich in ganz wenig Öl in der Pfanne auf unserem Brändigrill backe – mit etwas Abstand zur Flamme des Benzinkochers.
Frische Brötchen zum Frühstück – sooo lecker!
Heute ist richtiges Strandwetter und das möchte ich bei Schloss Tjolöholm genießen, im Reiseführer als, wie ein englischer Herrensitz wirkend beschrieben. Aber Lotti hat keine Lust auf Schloss, so fahren wir über die landschaftlich reizlose, verkehrsreiche E 6 weiter bis Falkenberg. Kleine Küstenstraßen führen uns zu Haverdals Strand, aber die bis zu 12 m hohen Dünen im Naturreservat locken Lotti auch nicht, sie will nur Sand buddeln und plantschen.
Beim planschen sind wir gut – und beim Füße im Meer versinken lassen erst recht
Lotti springt über den Höllenschlund am Strand
Landskrona in Brasilien?
Gegen
Ende Juli findet der Karneval „Rio de Landskrona“ statt, eine Veranstaltung,
die mit den Abbildungen von Salsa-Tänzerinnen wirbt. So fahren wir voller
Erwartungen auf der eng an die Küste geschmiegten, schmalen Straße in die
Festungsstadt. Im Zentrum sind etliche Verkaufsstände und ein lärmender
Rummelplatz aufgebaut. Auf einem Karussell entdeckt Lotti eine Harley und fährt
stolz ihre Runden.
Endlich selbst Motorrad „fahren“
Um dem Lärm zu entfliehen besuchen wir das Museum und tauchen in die örtliche Geschichte ein. Eine Sonderausstellung ist einer Tochter der Stadt, Nell Walden, gewidmet, einer avantgardistischen Künstlerin, die Anfang des 20. Jahrhunderts lebte. Nun ist später Nachmittag und von „Rio“ und Salsa keine Spur zu sehen. So verlagern wir unsere Hoffnungen auf die Eröffnungsfeier in der Zitadelle, einer der besterhaltenen Befestigungsanlagen in Skandinavien. Tatsächlich wird dort eine dunkelhäutige Schöne mit dem Boot „Kristian III“ über den, uns von der „Bühne“ trennenden, Wallgraben gerudert und das ortsansässige Blasorchester intoniert dazu Sambarhythmen.
Die Tänzerin wird zum Schauplatz gerudert
Die Blaskapelle intoniert den Samba
Nach
einigem Redenschwingen tritt, für den Veranstalter selbst überraschend, noch
kurz die Sambaschule auf und dann verläuft sich die Zuschauermenge. Das war
alles!?
Mit viel Spaß und tollen Kostümen versucht die Gruppe Stimmung zu machen
Morgens
beim Zeltabbau entdecke ich direkt unter Lottis Bett Maulwurfsgänge und drei
Haufen, die er während wir schliefen gegraben hat. Sie hatte mich deswegen nachts
geweckt, aber ich glaubte ihr nicht!
Der Maulwurf empfand Lottis Matte als Erdboden und hat seinen Gang direkt darunter gegraben
Skåne
Auf
dem Weg nach Trelleborg durchqueren wir Skåne nun gemütlich, passieren die
malerischen Städtchen der überwiegend durch Ackerbau geprägten Provinz, die
sich in prächtigster Sommerstimmung präsentiert. In der Hafenstadt knüpfen wir
an unsere Reiseanfänge an und besichtigen die „Trelleborg” die der Stadt ja den
Namen gab. Hier wurde ein Viertel des Burgkreises inmitten eines Wohngebietes
rekonstruiert und das Gelände davor mit den damals in der Landschaft üblichen
Pflanzen rekultiviert. Ein großes, den Langhäusern nachempfundenes Zelt aus
Eichenbalken und Leinenbahnen runden die Stimmung ab.
Der Eingang zur Trelleborg war gut gesichert
Ob das ein Unterstand für die Wächter gewesen ist? Das Leinwandzelt ist wie ein Häuptlingshaus geformt
Einen
Ausflug nach Ystad über die idyllische Küstenstraße machen wir an unserem
letzten „Schwedentag“. Nach einem Stadtbummel gehen wir dort an den Strand,
welcher, im Gegensatz zu Trelleborgs, sehr sauber ist. Bei Sonnenaufgang sind
wir schon beim Zeltabbau, denn nun geht es auf die Fähre, die uns über Rostock
und endlose Autobahnen, nach insgesamt 4500 km wieder nach Hause bringt.
Ein letztes Foto von uns und unserem treuen Motorrad vor der Fähre
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Am Elbrus war es mir wieder so ergangen, dass ich sehr langsam am Berg war. Ich wusste durch das viele Bergtraining, dass ich starke Muskeln hatte, die mich schnell bergauf und bergab tragen können. Meine Kondition war top – ich war superleistungsfähig. Aber immer am hohen Berg wurde ich langsam.
Um herauszufinden, ob ein körperliches Problem vorlag, beschloss ich am Wochenende nach der Elbrus Reise, also vom 24.-26.8.2001 nicht nur die Watzmannüberschreitung zu machen, sondern auch noch die Hochkalterüberschreitung.
An Material nahm ich Brust- und Hüftgurt, Klettersteigset,
Helm und einige Karabiner, Express- und Bandschlingen und Prusikschnüre mit.
Ansonsten Essen, einen Wasserbeutel mit Trinkschlauch, den Schlafsack und die
Ridge-Rest-Isomatte, Erste-Hilfe-Beutel, Kamera und Ersatzfilm, Karte und
Kompass, Stirnlampe, Vlies- und Goretexjacke. Außerdem noch die Wanderstöcke,
Nickituch, Sonnencreme, Waschutensilien und Klopapier.
Ich hatte mir den Parkplatz „Kreisstraße“ in Ramsau, kurz
vorm Parkplatz „Seeklaus“ als Zielort ausgesucht. Ich lief abends noch ein
wenig den Weg in den Wald hoch, um sicher zu sein, dass ich dort hinauf musste,
um Weg 482 zu erreichen. Dann aß ich was und machte es mir in meinem kleinen
Kombi bequem. Die Fläche bei umgelegten Rücksitzen war genau so groß, dass ich
ausgestreckt drin liegen konnte. Den Wecker am Höhenmesser stellte ich auf 4.15
Uhr.
Hochkalter
Als ich nach gutem, etwas unruhigem Schlaf wach wurde, war es noch stockfinster, also gönnte ich mir noch eine halbe Stunde dösen. Um 5.15 Uhr lief ich los. Die Stirnlampe konnte ich aber recht schnell ausmachen, denn die Dämmerung zog rasch auf. Ich fand schnell einen guten Rhythmus, in dem ich 500 Höhenmeter die Stunde schaffte. Als ich nach dem Anstieg nach der Schärtenalm auf dem Weg scharf nach Süd abbog, bot sich mir der erste grandiose, von der Sonne beschienene, Blick auf den Hochkalter.
Noch bewege ich mich im kühlen Schatten, bergauf zur Blaueishütte, der spitze Gipfel, zweiter von rechts, ist der Hochkaltergipfel
Unmittelbar danach kam eine Bank, auf der ich vorzüglich frühstückte. Die Blaueishütte passierte ich ohne Einkehr und folgte dem gerölligen Steig in die Wand. In der Karte ist die Linie ab dem Wandfuß als Klettersteig eingezeichnet. So hatte ich die komplette Ausrüstung dabei. Mit einigen Wanderern aus Vilsbiburg (vom örtlichen Musikverein) wechselte ich mich immer wieder in der Führung ab. Das Panorama zurückblickend war zu großartig. Oben am Grat machte ich eine ausgedehnte Rundschau-Pause, bevor ich den Vilsbiburgern folgte. Überall waren Kletterpassagen im I und II Grat, aber nirgends ein Seil zum Einhängen. Steinschlag war auch nie zu befürchten, denn der Fels war fest. Die Markierungen waren teils schlecht zu finden, aber man musste ja immer in der Nähe des Grates bleiben. Erstaunt war ich vor der ersten, steilen Wand, an der sich die Markierung kerzengerade nach oben zog. Wirklich nichts zum Sichern! Zwar auch keine schwierige Kletterei, aber angst- und schwindelfrei sollte man sein. Um keine Schwierigkeiten aufkommen zu lassen, sollte man auch bis in den III., IV Grad klettern können. Andere Wanderer, die ich überholte, halfen sich gegenseitig bei der Tritt- und Griffsuche, bei einem älteren Paar lief die Frau „am langen Seil“, das der Seilpartner immer wieder um Blöcke wand bei brenzligen Stellen.
Beim Gipfel des Kleinkalter kann man den schwindenden Blaueisgletscher sehen und hinüber zum Watzmannmassiv schauen.
Der Blaueisgletscher nimmt immer mehr abVom Hochkalter kann ich zum Watzmann hinüberschauen
Ab dem Kleinkaltergipfel überschaut man den Weg weiter zum
Hauptgipfel recht gut. Es geht mal links, mal rechts um große Blöcke, auf- und
manchmal auch wieder abwärts.
Noch bin ich nicht belehrt über den Unsinn auf Gipfelkreuze zu steigen. Aber der Hochkaltergipfel ist mehr als erreicht
Am Hochkaltergipfel machten wir eine, von den Bergdohlen gut
besuchte, Essensrast. Es war wunderschönstes, heißes Sommersonnenwetter mit
grandioser Aussicht, kaum diesig. Ach, wenn man doch all die Massive und Berge
mit Namen kennen würde, die in so weiter Ferne zu sehen waren!
Wir stiegen durch das Ofental ab, der Name machte sich bei
diesen heißen Witterungsbedingungen alle Ehre. Das Ofental ist hauptsächlich
eine Geröllhalde, erst in der Vegetationszone ließ es sich angenehmer laufen.
Das Ofental macht seinem Namen alle Ehre, es ist unglaublich heiß und die Steine strahlen die Sonnenhitze zurück
Kurz nach 14.00 Uhr waren wir am Hintersee. Um Schweiß und Staub abzuwaschen, gingen wir schwimmen. Schwimmen ist eigentlich zu viel gesagt, denn das Wasser hatte sicherlich nicht mehr als 10°. Kurzes Untertauchen mit heftigem Luftschnappen ist wohl die bessere Bezeichnung. Am Kiosk tranken wir noch was zusammen und gingen dann zu den Autos. Die Vilsbiburger machten sich auf den Heimweg, ich fuhr zum Parkplatz Wimbachtal und wartete auf meinen Südtiroler Bergkamerad Hans Gamper, der dort gegen 17.00 Uhr mit noch zwei Freundinnen aus München eintreffen wollte. Wir hatten die Watzmannüberschreitung schon im Juni ausgemacht. Toll dass es nun dieses Wochenende mit so schönem Wetter klappte. Ich döste etwas im Auto und sprach mit Leuten, die von der Watzmannüberschreitung zurückkamen. Es waren Leute Anfang 50, die um 5:30 Uhr am Watzmannhaus losgelaufen und um 14:30 am Parkplatz im Gasthaus waren, also nur 9 Stunden benötigten. Wenn ich es genauso schaffen könnte, dachte ich mir, wäre ich am Sonntag Abend zur normalen Schlafenszeit in meinem Bett. Helme und sonstige Kletterausrüstung habe ich bei den Wanderern nicht gesehen, obwohl eine Frau auf der Suche nach irgendwas den Rucksack komplett auspackte.
Watzmann
Da über den Watzmann der Klettersteig so wie beim Hochkalter eingezeichnet war, entschloss ich mich, nur Bandschlingen und Karabiner mitzunehmen, um mir provisorisch, falls es nötig würde, mit meinem Rucksack eine Sicherung zu bauen. Da wir nicht drauf hoffen konnten, bei solchem Kaiserwetter im eigentlichen Watzmannhaus noch Platz zu finden, nahm ich Schlafsack und Isomatte in den Rucksack. Den Helm, Gurt und das Eisenzeug ließ ich im Auto.
Um 17.30 Uhr kam Hans mit Maruja und Sabine und wir marschierten los zum Watzmannhaus. Hans ging es langsam an, denn die drei wollten sich erst warmlaufen. Ich trennte mich nach einiger Zeit von ihnen, denn ich war gut im Schritt vom Hochkalter und wollte am Ziel ankommen. Nach 3 Stunden war ich völlig erschöpft, genau bei Sonnenuntergang am Watzmannhaus. Ich hatte an diesem einen Tag über 3.300 Höhenmeter im Aufstieg und ca. 2.000 m im Abstieg geschafft. Ich war zufrieden. Meine „schlechte“ Leistung am Elbrus hatte also nichts mit körperlichen Problemen zu tun, sondern mit schlechter Akklimatisation. Oder damit, dass ich über 4.100 Höhenmetern einfach weniger leistungsfähig bin.
Aber ich sehnte mich nun nach einer Radlermaß. Die Hütte war völlig überfüllt. Wir rückten ganz eng mit anderen am Tisch zusammen und tranken und redeten. Später wurden wir zum Schlafen in ein Nebengebäude eingewiesen. Als ich im Schlafsack lag, schlief ich sofort ein, Hans und die Frauen tranken noch eine Flasche Südtiroler Rotwein und aßen noch Südtiroler Brot und Speck und Käse. Die drei hatten beim Wecken um 4.30 Uhr dann auch Kopfschmerzen, entsprechend langsam kamen wir los, es dämmerte bereits.
Aufstehen und losgehen bevor es voll wird am Watzmann. Die Langzeitbelichtung verwackelt die Morgendämmerung allerdings
Viele waren unterwegs, doch die meisten standen spät auf und frühstückten in der Hütte. Ich merkte die Anstrengung des Vortages. Nein, heute lief es nicht so gut wie gestern. Wir frühstückten kurz unterhalb des Hockecks, der Gipfel war vor Menschen nicht zu sehen.
Nun lassen wir uns das Frühstück schmecken. Foto: Hans GamperIch schaue hinab zu den Watzmannkindern und genieße die Aussicht ins Bergpanorama nach WestenDa bin ich gestern drüber geflitzt. Der Hochkalter in gesamter Pracht und Länge
Am Hocheck kehren viele um, denn die Überschreitung ist hochalpin. Da ich mich nicht richtig erkundigt hatte, wusste ich das nicht! Ich bereute sofort, die Ausrüstung im Auto gelassen zu haben. Bei uns in der Sektion Weinheim vom DAV wird viel Ausbildungsarbeit in Sicherungstechnik gesteckt. Aber was nutzt die beste Sicherungstechnik und Ausbildung, wenn die Ausrüstung im Auto liegt? Mit schlechtem Gewissen gegenüber meinen Ausbildern, baute ich mir eine provisorische Sicherung. Zwei Bandschlingen befestigte ich am Hüftgurt des Rucksacks und legte sie mir von hinten zwischen den Beinen durch. Eine weitere zog ich unter den Rucksackträgern und deren aufgenähten Schlaufen durch. Meine Bandschlinge zog ich durch die „Beinschlaufen“, machte meinen Sackstich am Anseilpunkt und verband den „Brustgurt“ ebenfalls mit einem Sackstich. Die zwei anderen 120er Bandschlingen zog ich mit einem Ankerstich durch den Anseilpunkt und befestigte die Karabiner. So hatte ich zwar nicht viel Bewegungsfreiheit, aber auch keine Falltiefe falls ich abrutschen würde. Leichtsinnig! – schoss es mir durch den Kopf. Die meisten Leute gingen allerdings frei, ganz ohne Sicherung. Von den ca. 300 Menschen, die an diesem Tag unterwegs waren, traf ich nur ein Pärchen, dass mit kompletter Klettersteigausrüstung unterwegs war. Aber nur die Frau benutzte es, den Mann sah ich nie die Karabiner einhängen.
Direkt nach dem Hocheck ist eigentlich auch alles frei zu gehen, wenn man die Hochkaltermaßstäbe zu Grunde legt. Dort hatte es ja nix zum Einhängen gegeben. Der Fels ist durch die vielen Menschen, die über den Watzmann gehen, vielfach sehr speckig und rund abgelaufen. An manchen, einfachen Stellen gab es ein Drahtseil, an anderen, teils von mir als schwieriger empfundenen Kletterstellen, war keines. An ein paar pikanten Stellen nutze ich mein Provisorium. Diese Art von Tourengehen macht mir ungeheuer viel Spaß. Großartige Aussichten, leichtes Klettern und manchmal nur wandern. Ich verweilte mich oft und genoss die Aussicht, mal runter zum Königsee, mal wieder erfreute ich mich am Anblick des Hochkalter. Trotzdem kam ich schneller voran als die drei anderen und lief manchmal in einer Gruppe von Münchnern mit, mit denen ich Unterhaltungen anfing. Auf der Mittelspitze wartete ich auf meine drei eigenlichen Begleiter.
Der Watzmann Mittelgipfel
Von Bartholomä her dröhnten Böllerschüsse, auf dem Königsee sah man Schiffe fahren. Tja, das da unten hatte ich mir noch gar nicht angeschaut. Eigentlich hatte ich die Überschreitung über zwei Tagen machen wollen. Ab der Wimbachgrieshütte hätte ich nach „links“ abbiegen und mit dem Schiff ab Bartholomä nach Königsee fahren wollen. Da Hans und seine Freundinnen aber erst ab Samstag spätnachmittags konnten, wählten wir den Sonntag für die Watzmannüberschreitung mit dem rückweg über das Wimbachgries und ich machte die Hochkalterüberschreitung am Samstag.
Von der Mittelspitze aus hat man einen herrlichen Ausblick
auf die Watzmannkinder und die Watzmannfrau. Die Ostwand, die zur Südspitze hinaufführt,
kann man teilweise auch einsehen, ebenso den weiteren Verlauf bis zum
Südgipfel.
Die Watzmannkinder vom Mittelfgipfel aus. Im Tal ist die Wallfahrtskapelle Bartholomä zu erkennenDer Weg zum Südgipfel geht es weiter ausgesetzt über den Watzmanngrat
Es waren Unmengen von Leuten unterwegs, wie ruhig war es doch gestern am Hochkalter! Nach einer Fotorast liefen die Münchner wieder gleichzeitig mit uns los. An manchen Stellen führte der Pfad offensichtlich in eine Richtung weiter, aber die Markierungen fehlten. So mussten wir öfter nach ein paar Schritten umdrehen, um der Markierung zu folgen, die irgendwo versteckt angebracht war und schräg nach oben über festen Fels weiterführte. Es ging immer wieder steil aufwärts, auf noch ein Gipfelchen und immer wieder genau so steil abwärts in eine Senke, ein Stückchen eben und dann wieder steil hinauf. Die Ausblicke und Einsichten, die Wandabstürze und der Blick ins Voralpenland und weit, weit, vielleicht bis ins Stubai und die Zillertaler – einfach irre.
Der Südgipfel kommt näher, am Kreuz sind schon Bergsteiger zu sehen
Hans, als Bergsteiger von Kindesbeinen an, hatte die Schwierigkeiten mit der Wegfindung nicht, so war der Abstand zwischen dieser Dreiergruppe und mir in der Münchner Gruppe nicht sehr groß. Nun sahen wir schon Leute in kurzer Entfernung auf der Südspitze sitzen.
Steil geht es durch die Felsen zum Südgipfel hinauf. Irgendwo da oben steigen wir fälschlicherweise nach rechts, statt der Markierung zu folgen
Der Weg zog sich rechts um einen steilen Fels herum und endete abrupt an einer steilen, ca. 10 m hohen Rinne und einem viele hundert Meter tiefen Abgrund. Tja, mal wieder umkehren, diskutierten wir. Aber auch, na, die Rinne ist gut zu klettern, da waren heute schon schwierigere Stellen.
Martin stieg als erster ein, er musste gleich ziemlich ausspreizen, dann ging es einfacher. Sofort stieg ich auch ein, denn die Kletterstelle erschien mir für mein Können leicht. Die etwas schwierigere Stelle hatte ich passiert und konnte an großen Griffen und Tritten sicher steigen, als Martin plötzlich „Achtung“ schrie. Instinktiv drückte ich mich an die Wand und senkte den Kopf. Ich spürte einen Schlag auf den Kopf und ein Wanderschuhpaar-Großer Stein rutsche nach vorn zwischen meinen Armen durch auf die Füße. Im gleichen Augenblick lief mir Blut auf mein rechtes Brillenglas. „Au, au, au,“ schrie ich und schaute nach oben. Es war nur noch eine Körperlänge bis zum Ausstieg, an dem Martin den Stein unabsichtlich losgetreten hatte und nun hilflos stand.
Von unten kamen erschrockene Rufe, Martin rief, ich solle abklettern. Aber dazu erschien mir die Einstiegsstelle zu schwierig, es gab nur den Weg hinauf. Ich blutete furchtbar. Mit wenigen Griffen und Tritten, unter Anweisungen von Martin, denn ich war ziemlich blind mit dem Blut auf den Brillengläsern, stieg ich schnell zu ihm. Wir packten mein Erste-Hilfe-Päckchen aus. Mist, den meisten Mull und die Binden hatte ich ja schon verbraucht und nicht ergänzt!!
Aber Hans und seine Freundinnen hatten den vernünftigen Weg außen herum gewählt und kamen uns von oben zu Hilfe. Wir waren nur mehr 10 m vom Gipfelkreuz entfernt. Hans half mir hinauf und übergab mich Maruja und Sabine. Sie sind beide Ärztinnen, also hatte ich Glück im Unglück. Wie groß die Platzwunde, bzw. ob es mehrere waren, versuchten wir gar nicht herauszufinden. Sie desinfizierten die Stelle am Hinterkopf großzügig und machten einen sehr guten Druckverband vom Hinterkopf zum Kinn.
Die zwei Ärztinnen legen einen festen Kopf-Druckverband an – Glück im Unglück, dass sie da waren! Foto: Hans Gamper
Schmerzen hatte ich nur von der Wunde, aber keine
Kopfschmerzen. Kreislaufprobleme hatte ich auch keine und schlecht wurde mir
auch nicht, eher das Gegenteil. Ich hatte Riesenhunger und wollte eigentlich
auf der Südspitze Mittagrast mit Essen und Trinken machen. Aber auf Grund des
Druckverbandes bekam ich die Zähne nur ca. einen Zentimeter auseinander. So
schob ich mir sprichwörtlich meine Bioladen-Amaranthriegel zwischen die Zähne
und war froh um meinen Trinkschlauch, der auch zwischen die Lippen passte. Ich
versuchte, erst mal nur die Umgebung zu genießen, denn diese Aussicht würde
sich mir wahrscheinlich nicht mehr bieten.
Hier irgendwo kommt der Weg durch die Ostwand heraus. Der Startpunkt ist hinter Bartholomä an der Felswand
Die umhersitzenden Bergsteiger waren alle sehr besorgt und
ich wurde von vielen beobachtet, denn so ein Stein hätte ja eine
Gehirnerschütterung mit allen Folgen verursachen können. Aber in mir gärte nur
der Ärger über mein unvernünftiges Verhalten. Da wird man so gut ausgebildet
und im Zweifelsfall verhält man sich aus Unvernunft doch anders. Einige Helme
kamen nun aus den Rucksäcken zum Vorschein, die ob der Hitze beim Abstieg
schnell wieder abgesetzt wurden.
Außer meinem Ärger machte mir auch die Sonne zu schaffen.
Mein Sonnenhut und mein Nickituch waren voll Blut, als Sonnenschutz wand ich
mein Trekkinghandtuch um den Kopf. Nach einer halben Stunde, als die anderen
Beteiligten „sicher“ waren, dass ich wahrscheinlich fit sei, machten wir die
Gipfelfotos und packten zusammen.
Gipfelglück am Südgipfel des Watzmann. Der Münchner Martin steht neben mir. Den Sonnenhut brauche ich wohl nicht mehr. Foto: Hans GamperDer Gamper Hans und seine Münchner Bekannten mit mir am Südgipfel. Foto: Martin der Münchner Bergkamerad
Martin bestand darauf, beim Abstig meinen Rucksack zusätzlich zu seinem zu nehmen und blieb in meiner unmittelbaren Nähe. Er machte sich genauso große Vorwürfe, wie ich mir selbst. Vor dem Abstieg offerierte mir eine Frau Bachblütentropfen zur Vorbeugung von Kopfschmerzen, die ich auch nahm.
Martin trägt meinen Rucksack, ich soll meine Kraft fürs Absteigen verwenden
Der Abstieg ging ziemlich langsam, weil ungeheuer viele
Leute unterwegs waren. Auch hier konnte man sich leicht versteigen, aber wir
waren nun auf der Hut. Weiter unten, kurz vor dem großen Geröllhang, trat
weiter oben noch mal ein Bergsteiger in der „offiziellen“ Rinne einen Stein
los, der aber keinen Schaden anrichtete.
Durch Geröllfelder geht der steile Pfad durch das Watzmannkees hinab. Der Südgipfel überragt den Schutt
Am Hubschrauberlandeplatz im Schönfeld nahm ich Martin meinen Rucksack wieder ab. Ich fühlte mich fit, die Wunde pochte nicht mal, und ich trennte mich von Hans und seinen Begleiterinnen, die an verschiedenen Stellen noch verweilen wollten. Ich wollte nur schnellstmöglich ins Tal und ins Krankenhaus. Martin und ein Teil seiner Gruppe begleiteten mich weiterhin. Als wir unten im Tal ankamen, wo die einzigen aufrechtwachsenden Latschenkiefern der Welt wachsen – oder sind es Zirben?, waren wir von der Wildheit des Gebiets sehr beeindruckt. Welche Kraft das Wasser bei der Schneeschmelze entwickelt, um dieses Gelände wieder und wieder neu zu formen? Wir kehrten in der Wimbachgrieshütte auf eine Apfelschorle ein. Den Wirt fragte ich, ob er mich mit dem Auto bis zum Parkplatz fahren könnte. Aber er antwortete, die Straße sei nur für Privatfahrten zugelassen.
Tja, dann nicht. Martin und ich gingen die 10 km zum
Parkplatz einen flotten Schritt und waren nach 1 ½ Stunden an meinem Auto.
Der Blick geht hinauf vom Wimbachgries zum WatzmanngratDie Sonne brennt unbarmherzig ins Wimbachgries
Martin fuhr mich zum Krankenhaus, in dem erfreulicherweise wenig los war und ich sofort dran kam. Seit dem Unfall waren exakt 6 Stunden vergangen. Leider machten sich der Arzt und die Krankenschwester nicht die Mühe, am ganzen Hinterkopf nach geplatzten Stellen zu suchen. Ich hatte zwei große Risse, die mit jeweils 6 Stichen genäht werden mussten. Wobei ein Riss einen 7. Stich am Ende, das nicht freirasiert und somit nicht gesehen wurde, durchaus vertragen hätte. Weiterhin hatte ich drei kleinere Risse, die mit 1-2 Stichen hätten genäht werden können. Dies stellte meine Tochter jedoch erst am nächsten Tag, bei eingehender Untersuchung fest.
Ich hatte den ganzen Abstieg allein bewältigt und fühlte mich auch weiterhin gut. Daher verzichtete ich aufs Röntgen und ich nahm auch keine Schmerzmittel. Ich musste auf dem Heimweg sowieso über München fahren und hatte mit Martin ausgemacht, dass er mich in meinem Auto bis München chauffieren sollte. Die örtliche Betäubung an den Kopfwunden würde irgendwann nachlassen und ich wusste nicht, wie ich das verkraften würde. Ab München hätte ich zumindest die Möglichkeit, einen schnellen Bahnanschluss nach Hause zu bekommen.
Durch den regen Wochenendheimkehrer Verkehr waren wir erst um 22.00 Uhr in München. Ich war zwar müde, aber die Schmerzen waren derart, dass es nicht zu weh tat, mich aber am Einschlafen hinderte. So fuhr ich, nach einem herzlichen Abschied von Martin, noch eine Stunde, bis ich eine Schlafpause auf einem Parkplatz einlegte. Von Schmerzen geweckt fuhr ich weiter und war um 2.30 Uhr endlich daheim.
Vermeidung von Bergunfällen
Meine Tochter Karen wusch mir am Morgen in zweierlei Hinsicht den Kopf. Für beide Arten war ich dankbar. Die Erste reinigte den Kopf und wusch die blutverkrusteten, abrasierten Strähnen weg. Die Andere lies mich deutlich merken, wie wenig egal ich meiner fast 18-jährigen Tochter war. Aber ich glaube, dass hätte ich auch mit einer weniger schmerzhaften Aktion herausbekommen können.
Der Arzt hat gute Arbeit geleistet, aber nicht alle kleinen Platzwunden genäht. Eine Schönheit werde ich mit rasiertem Kopf wohl nicht mehr sein
Ich bin mir sicher, dass einige Leser dieses Blogbeitrags den Kopf schütteln, weil ich so fahrlässig mein Leben riskiert habe – sie haben recht damit. Hätte ich mich nicht so instinktiv fest an die Wand gedrückt und einen guten Stand gehabt, wäre ich abgestürzt. Wäre der Stein größer oder seine Falltiefe weiter gewesen, hätte es mich unweigerlich aus der Wand geworfen. Der unten bei der Rinne wartende Rest der Gruppe meinte, dass ich viele hundert Meter den Berg hinunter gefallen wäre. Ich habe meinen Schutzengel strapaziert und danke ihm für seine Leistung.
Aber ist es nicht so, dass die meisten Unfälle aus der Nichtanwendung von vorhandenem Wissen resultieren? Ich hoffe, dass ich aus dieser Erfahrung lerne und wünsche mir, dass andere Leute den Watzmann nicht so schlecht ausgerüstet angehen. Denn fast wäre er mein Schicksalsberg geworden!
Jede und jeder sollte sich vor Bergtouren über mögliche Gefahren und den Streckenverlauf informieren. Das Wissen, das jede und jeder hat, sollte jede und jeder auch anwenden. Bequemlichkeit am Berg, statt überlegtem Handeln, kann nur schaden. Immer konzentriert, immer aufmerksam schützt vor Verletzungen und kann Leben retten.
(PS. Ich habe aus der Erfahrung gelernt und in den folgenden
Jahren die Ausbildung zum Fachübungsleiter Bergsteigen beim DAV gemacht. Und
mein Wissen zur Unfallvermeidung gebe ich vielfältig weiter!)
Hervorheben möchte ich aber noch mal die Bergkameradschaft von Martin. Er war nicht schuld! An nichts! Denn in einer nicht oder wenig begangenen Rinne können lose Steine durch die kleinste Bewegung ins Rutschen geraten. Wir hätten umkehren und auf dem offiziellen Weg gehen sollen. Und, wenn in einer Rinne vorgestiegen wird, dann muss man warten, bis die Rinne frei ist! Und sowieso einen Helm tragen, der schützt vor Steinschlag! Beides habe ich nicht beherrzigt, obwohl ich es wusste! Trotzdem er für den Unfall nichts konnte, hat Martin sich um mich gekümmert. Hat mir geholfen. Mir den Rucksack beim Abstieg getragen. Seine Gruppe verlassen und mich ins Krankenhaus und nach München begleitet. Ich empfinde sein Verhalten als vorbildlich. Herzlichen Dank!!!
Dank auch nochmals an Maruja und Sabine für die kompetente
Erste-Hilfe. Ohne den tollen Druckverband wäre der Blutverlust sicherlich größer
und der Abstieg gefährdet gewesen.
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Noch ein hoher Berg und sogar einer der Seven Summits. Als
mein Bergkamerad Klaus mir die Frage stellte, ob ich ihn zum Elbrus im Kaukasus
begleite, sagte ich spontan zu. Trotz der Erfahrung am Marmolejo oder gerade
deshalb? Gespannt war ich, ob ich die Anstrengung diesmal besser meistern
könnte.
„So ein wahnsinniger Sonnenaufgang.“ Mit diesen Worten drehe
ich mich zu den anderen um. Alle stapfen unverdrossen weiter, mit Blick vor die
eigenen Füße.
Ich trete aus der Reihe und hole meine Kamera raus. Damit
die Batterie funktionstüchtig bleibt, trage ich sie unter der Daunenjacke. Ich
habe sie in einem Gefrierbeutel verstaut, dass mein Körperdampf der Kamera
nicht schadet oder die Diafilme beschädigt.
Gerade als die Sonne hinter der Flanke des Elbrus hervorlugt, drücke ich auf
den Auslöser.
Jeden Morgen dasselbe Schauspiel der aufgehenden Sonne. Und
immer wieder anders spektakulär. Ein solcher Genuss. Und an wie vielen Stellen
ich schon einen Sonnenaufgang betrachtet habe. Viele dieser Gedanken gehen mir
durch den Kopf. Aber vor allem einer: ‚Ich mache mir hier beim Gipfelanstieg
keine Hektik. Ich möchte die Aussicht, das Steigen, die Anstrengung, meinen
Körper genießen. Oh Gott, ist das schön!‘
Die Sonne kommt über die Bergkante – beeindruckend schön
Der Elbrus ist einer der Seven Summits
Der Elbrus ist Europas höchster Gipfel, wenn man der
Definition folgt, wonach der Hauptkamm des Großen Kaukasus, der von Ost nach
West verläuft, die innereurasische Grenze zwischen Europa und Asien bildet. Der
Elbrus liegt etwas nördlich dieses Hauptkamms und somit in Europa. Für die
meisten Bergsteiger gilt diese Definition und der Elbrus gehört somit zu den Seven
Summit, den jeweils höchsten Gipfeln der sieben Kontinente der Erde.
Bergsteigerische Schwierigkeiten am Elbrus
Technisch ist der Elbrus mit 5.642 m Höhe ein leichter Berg.
Mit Steigeisen gehen zu können ist die einzige Bergsteigertechnik, die er
verlangt. Denn 22 Gletscher bedecken um die 145 km² Fläche mit Eis. Und diese
sind oftmals, so wie heute, mit Neuschnee bedeckt.
Elbrus Gletscherlandschaft
Seine Lage zum Schwarzen Meer macht den Berg so schwierig.
Es liegt nur 140 km westlich des Elbrus. Allerdings liegt das Kaspische Meer
auch nur 385 km östlich. Beide Meere bauen mit der Sonneneinstrahlung viel
„Wetter“, also Wolken auf. Je nach Windrichtung müssen diese Wolken von Westen
oder Osten über diesen exponiert stehenden Elbrusgipfel hinüber und regnen,
besser gesagt schneien, sich ab. Die Wetterbedingungen sind jeden Tag anders,
immer unberechenbar. Die Temperaturen steigen oder fallen innerhalb von Stunden
um 50 bis 70 Grad, von minus 40° auf plus 30° und umgekehrt. Wer beim Auf- oder
Abstieg in einen dieser Schneestürme oder einen Temperatursturz gerät, kommt in
Gefahr, das Basislager nicht mehr zu erreichen.
So mit Schnee verzuckert hat selbst ein Bretterverschlag was Anheimelndes. Der Ostgipfel ist noch von Wolken umhüllt
Nie wieder hoher Gipfel
Ich hatte mir beim Gipfelaufstieg zum Marmolejo, 6.108 m, am 9. Dezember 2000 geschworen, nie wieder auf einen hohen Berg zu steigen. Der innere Kampf ums Weitergehen, die Last des Atemholens, die Anstrengung, es war mir einfach zu viel. Als mich mein Bergkamerad Klaus im Frühjahr 2001 fragte, ob ich mit ihm zum Elbrus mitkommen wollte, waren alle Schwüre sofort vergessen. Gleich hat mich wieder der Höhenrausch gepackt! Klaus unternimmt seine Bergsteigertouren immer mit dem Wiener Bergreiseveranstalter „Verkehrsbüro“. Da ich mitwollte, buchte ich meine erste und einzigen Pauschalreise. (Achtung unbezahlte Werbung: www.verkehrsbuero.com).
Klaus und ich flogen am 9. August 2001 von Frankfurt nach Wien und stießen dort zum Rest der zehnköpfigen Gruppe. Über Moskau, mit einer Hotelübernachtung in der Nähe des Roten Platzes, ging es am 10. August mit einer kleinen Maschine der Linie „KMV“ weiter nach Mineralnyje Wody, dem nächsten Flughafen zum Elbrus.
Akklimatisation
Nikolaj Kadoschnikow und Tatjana Wassiljenko, unsere
Bergführer, empfingen uns mit einem längeren Kleinbus, in dem Gepäck,
Lebensmittel für den Elbrus, zehn Teilnehmer und auf der Fahrerbank zwei
Bergführer und ein Fahrer Platz fanden.
Die Fahrt durch die Städte und Dörfer des südlichen
Russlands lassen mich in eine neue Welt eintauchen, in eine andere Mentalität.
Plattenbauten und monumentale Bauten in den Städten, Pferdefuhrwerke mit
landwirtschaftlichen Erzeugnissen, kleine Gehöfte in einsamer Landschaft oder
Verkaufsstände mit Produkten aus dem eigenen Garten an staubigen Dorfstraßen
wechseln sich auf dem Weg nach Itkol im Baksantal ab.
Wir rumpeln über eine Pontonbrücke. Die Plattenbauten stehen vor schöner BergkulisseAus dem Bus fotografiere ich ein mit Heu beladenes Pferdefuhrwerk
Unser auf 1.970 m gelegenes Hotel ist ideal für
Akklimatisierungstouren. Der Körper muss langsam an eine Höhe über 3.000 m
gewöhnt werden. Der Sauerstoffpartialdruck sinkt mit zunehmender Höhe, das
macht dem menschlichen Körper Schwierigkeiten. Ein schneller Aufstieg – zum
Beispiel mit einer Seilbahn – wirkt sich nicht nur negativ auf die Hirnfunktion
aus, sondern beeinträchtigt Atmung, Kreislauf, Sehvermögen und Bewegung.
Langsames Steigen, hoch Steigen und zum Schlafen wieder etwas hinuntergehen,
ist die richtige Taktik, um den Körper einzugewöhnen (Steige hoch, schlafe
tief). Da alle Teilnehmer auf circa 200 m Seehöhe wohnen, ist ein Hotel bei
knapp 2.000 m ein wunderbarer Ort zum Akklimatisieren.
Unser Hotel im Baksantal
Ich hatte die 10 Tage vor der Reise zum Elbrus mit meiner jüngsten Tochter Lotti im Tauferer Ahrntal verbracht und bereits zwei über 3.000 m Gipfel bestiegen. Diese Akklimatisationstouren hatte sich mein Körper bereits gemerkt.
Baksan Tal
Der Tscheget (Cheget) ist unser erstes Ziel und hier haben
wir auch den ersten guten Blick auf den Elbrus, den Berg unserer Begierde. Mich
beeindrucken die Gletscher, die wie zu dick aufgetragener Zuckerguss den Berg
bedecken, mächtige Hängegletscher kleben an den Flanken. Mit leichtem Gepäck,
eher einer Sommerwanderung gleich, laufen wir bergauf zum Gipfel des Cupola.
Lange bleiben wir auf 3.800 m sitzen, mit guter Aussicht auf scheinbar
unberührte Natur – der Körper macht seine Akklimatisationsarbeit ganz alleine.
Ich stehe in einer Blumenwiese und genieße den ersten Anblick des Elbrus. Foto: Klaus Friedrich
Weiter oben, kurz vor dem Tscheget Gipfel ist der Aussicht auf den Elbrus spektakulär. Dicke Glescher schieben sich wie Zuckerguss auf einem Gugelhupf zu Tal.
Der Elbrus – Doppelgipfel mit einer beeindruckenden Gletschervielfalt
Während des Schlafs in der Nacht, verarbeitet der Körper dieses
„in der Höhe gewesen sein“. Er erzeugt vermehrt rote Blutkörperchen, die
dem Körper in der Höhe helfen, besser mit dem niedrigeren Luftdruck und dem
wenigen Sauerstoff in der Luft zurecht zu kommen.
Adyl-Su-Tal
Nun wollen unsere Bergführer noch sehen, wie wir mit den
Steigeisen zurechtkommen. Zu einer geführten Bergtour kann sich jede und jeder
anmelden. Es gibt immer wieder Menschen, die sich völlig überschätzen, die
Ausschreibung nicht lesen oder anders interpretieren. Wer aber keine Techniken
beherrscht oder zu wenig Kondition hat, kann unterwegs eine ganze Gruppe in Gefahr
bringen. Um dem Vorzubeugen, werden die Teilnehmer, bevor es auf die
eigentliche Tour geht, auf ihre „Tauglichkeit“ getestet.
Unser Fahrer bringt uns über steile Passstraßen ins Adyl-Su-Tal. Die vielen
Panzerabwehrstellungen und militärischen Geräte zeigen mir, dass Georgien nicht
weit ist und die Gegend alles andere als friedlich.
Eine Geschützstellung steht bei der Anfahrt ins Adyl-Su-Tal auf einer Kurve oberhalb eines Taleinschnitts
Wieder mit kleinem Gepäck, trotz großer Rucksäcke, marschierten
wir an einem reißenden Bergbach entlang in Richtung des Gumatschi-Gletschers.
Die Brücken sind sicherlich nicht TÜV geprüft, erfüllen aber ihre Aufgabe,
trockenen Fußes den Bach zu überqueren.
Querung einer Brücke beim Anmarsch zum Gumatschi-Gletscher. Foto: Klaus Friedrichs
Stetig geht es bergauf und nach einigen Kurven erblicken wir
erstmals den „Übungs“-Gletscher. Ein beeindruckender Anblick, auch wegen des
Gipfels, der rechts davon aufragt.
Dieser Berg wäre eine bergsteigerische Herausforderung
Lange laufen wir ins Tal hinein, kletterten die
Gletschermoränen hoch, bevor wir die Steigeisen anlegen können und die Pickel
in die Hand nehmen. Jede und jeder läuft im eigenem Tempo, eine Seilschaft wird
nicht gebildet. Die Bergführer beobachten uns, unser Können und unsere
Kondition, denn am Elbrus sollen alle mithalten können.
Wir laufen zur weiteren Akklimatisation den Gletscher hinauf. Die Bergführer wollen wohl auch das Können und die Kondition abschätzen
Diese eisgepanzerte Gletscherwelt begeistert mich. Der Gumatschi ist ein beeindruckentder Berg.
Der Gumatschigipfel fasziniert mich wegen der Form. Ein mächtiger Gletscher liegt in der Scharte
Bei einer Höhe von 3.800 m drehen wir um. Ich nutze meine Chile-Erfahrung vom Marmolejo und mache den Abstieg größtenteils mit dem Hintern und der Pickelbremse. Meine Überhose hat eine Verstärkung aus Kevelar, die lange dichthält und sich nicht abnutzt. Wieder am Kleinbus angekommen, genießen einige Teilnehmer ein Schaschlik, während ich mich mit Kartoffeln zufrieden gebe. Zumindest bekomme ich die Übersetzung, dass der Wodka, zu dem ich von einem Einheimischen eingeladen werde, ein Kartoffelbrand sei.
Statt Essen lieber einen Wodka? Nette Einladungen lehne ich nicht ab!
Fröhlich und beschwingt fahren wir zurück ins Hotel, ich
machte einen Abendspaziergang den blühenden Hang hinauf. Klaus hatte mir vom
Pflanzen-Gigantismus im Kaukasus erzählt. Durch die Wetterbedingungen und den
vielen Niederschlag gedeihen die uns bekannten Alpenpflanzen wesentlich besser
und werden sehr viel höher und größer als in den Alpen.
Die Pflanzen sind größer als in den Alpen. Blauer Enzian, Klee und Arnika stehen auf einer Wiese
Basislager am Elbrus
Unsere Elbrus-Besteigung starten wir mit der Seilbahn. Sie
bringt uns in die Nähe der Prijut-11-Hütte. Die ursprüngliche Hütte wurde 1909
von elf Alpinisten errichtet. Prijut heißt übersetzt Zuflucht – also: Zuflucht
der Elf. 1929 wurde die Hütte zuerst erweitert, in den 1930er Jahren als
höchstgelegenes Hotel Russlands umgebaut und 1940 eingeweiht. Vermutlich
unabsichtlich durch einen Touristen verursacht, brannte das Hotel am 16. August
1998 ab.
Ein trauriger Anblick: Die Ruine der Prijus-11-Hütte
Seither stehen oberhalb der Ruine, auf circa 3.800 m, große
tonnenähnliche Gebilde, in denen immer Platz für vier Personen ist.
Die Übernachtungstonnen am Elbrus muss man vorbuchen
Da wir mit unseren Wanderungen bereits zwei Tage auf 3.800 m waren, steigen wir weiter auf. Unsere Hütte, in der wir alle zusammen übernachten sollen, liegt auf 4.100 m. So steigen wir in der vergletscherten Welt weiter hinauf. Bergsteigern aus vielen Nationen wimmeln herum. Wir passieren mehrere Zeltlager, denn der Elbrus ist ein begehrter Gipfel. Abwechselnd tragen wir außer unseren Rucksäcken auch unsere Lebensmittel, die wir für die geplanten drei Tage am Elbrus benötigen werden. Nikolaj und Nadine betreuen uns nicht nur am Berg, sondern werden uns auch kulinarisch verwöhnen. Als wir aus dem größten Gewimmel heraus sind, sehen wir einen windschiefen Holzschuppen auf einer Geröllrippe stehen. Das ist unser Quartier, unser Basislager.
Unser Basisquartier am Elbrus – eine windschiefe Hütte – die Gipfel des Elbrus thronen darüber
Hinein können wir leider noch nicht, denn die Gruppe, die es
noch bewohnt, ist heute erst zum Gipfel unterwegs und noch nicht zurück. Die
nächste Nacht werden wir zusammenrücken müssen.
Stattdessen heißt es weiter akklimatisieren. Wir wandern weiter den Berg hinauf
und sollen uns auf 4.400 m verweilen und erst in sechs Stunden wieder zurück
sein. So laufen wir in Kleingruppen los, dem Strom der Gipfelbesteiger
entgegen, die bereits auf dem Weg vom Gipfel hinunter ins Lager sind.
Eine Truppe läuft im Laufschritt bergab und schleift bei
diesem halsbrecherischem Tempo einen Sack hinter sich her, in dem ein Mensch liegt.
Ein paar Sätze auf Russisch fliegen zwischen Tatjana und einem Begleiter der
Gruppe hin und her. Der Mann im „Sack“ ist höhenkrank geworden, kann selbst
nicht mehr gehen und muss schnellstmöglich hinunter. Später erfahren wir, dass
in einem der Zeltlager ein Arzt, ein Höhenmediziner, dem Mann helfen konnte. Er
solle sechs Wochen zuvor auf dem Manaslu, einem 8.163 m hohen Gipfel in Nepal
gewesen sein.
Mir führt das vor Augen, wie unberechenbar die Höhe ist und dass man selbst mit
guter Akklimatisation nicht vor der Höhenkrankheit gefeit ist, wenn der Körper
nicht will. Jahre später, am Kilimanjaro, erkannte ich bei einer Teilnehmerin
die Anfänge von Höhenkrankheit früh genug. Fast selbständig konnte sie aus der
Höhe hinabsteigen.
Immer wenn ich Bilder von Gletschern sehe oder auf
Gletschern stehe, fällt mir die Ähnlichkeit von Gletscherstrukturen mit der
Haut von Elefanten auf. Kann sein, dass ich spinne, aber je nach Lichteinfall
erscheint der Gletscher wie mit einer runzeligen Haut versehen. Ich könnte
Stunden mit dem Betrachten verbringen und dazu haben wir bei der
Akklimatisation ja Zeit.
Gletscherstrukturen erinnern mich an Falten, Runzeln und Senken einer Elefantenhaut – oder spinne ich?
Am Nachmittag können wir in die Hütte, die ein Grundmaß von vier auf vier Metern hat. Durch grob genagelte Bretter sieht man auf die darunterliegenden Felsen. Auch die Wände lassen jeden Windhauch durch. Der Aufenthaltsbereich nimmt die Hälfte der Hütte auf der Vorderseite ein, die Rückseite besteht aus zwei doppelstöckigen Kammern, in der jeweils drei Menschen auf Matratzen Platz haben sollen. Allerdings müssen wir uns mit 20 Menschen zurechtfinden, denn die andere Gruppe würde erst am nächsten Morgen absteigen. Nun sollen vier Personen in einer Kammer schlafen (also 50 cm Platz pro Person), die restlichen würden auf dem Boden nächtigen. Ich meldete mich gleich für den Boden, denn meine Isomatte und mein Schlafsack hatten mich am Marmolejo, wo ich auf dem Gletscher im Zelt schlief, nie im Stich gelassen. Den Rest des Nachmittags verbringe ich auf der Terrasse oder in der Umgebung, lasse die Seele baumeln und schaue diese umwerfend wilde, eisige und felsige Landschaft an.
Bald war es zu kalt, um draußen nur herumzusitzen. Wolken ziehen
auf und Tatjana sucht Freiwillige, die Schnee zum Schmelzen für das Essen und
für Tee holen. Damit kenne ich mich aus, denn am Marmolejo kamen wir auch nur
so zu Trinkwasser. Allerdings war es dort leichter, sauberen Schnee zu finden,
denn außer unserer Vierergruppe war kein anderer Mensch in der Nähe. Ich
schwärme mit Klaus und Thomas aus, von unserer Felsrippe nach Westen. „Don’t
eat yellow snow“ lautet ein Spruch dazu, über den wir wieder laut lachen. Kurz
darauf gibt es jede Menge heißen Tee. Der wirkt wirklich Wunder, es wird
schnell warm von innen, aber der hier immer kreisende Wodka wirkt ebenso.
Tatjana und Nikolaj bereiten unser Abendessen zu
Schon bald nach dem Abendessen ist Ruhe in der Hütte. Im
Schlafsack ist es am Wärmsten und für die Akklimatisation ist Schlaf nötig.
Mein Schlafsack ist meine Höhle, mein Nest, mein Zuhause, egal, wo ich auf der
Welt bin, ich fühle mich immer angekommen, wenn ich darin schlafe.
„Bergbadezimmer“
Die Katzenwäsche findet bei solchen Touren draußen statt,
wenn es Wasser gibt. Wasser gibt es und ich lasse mir meinen Topf, den ich als Essnapf
nutze, mit heißem Wasser füllen. Draußen suche ich mir „dreimal um die Ecke“
auf der Geröllhalde ein einsames Plätzchen, und mache eine Notwaschung mit
meinem Waschlappen. Die harten Männer stehen am Wasserlauf, haben mit dem
Eispickel ein Loch geschlagen und benetzen sich mit den eisigen Tropfen.
Die Männer sind beinhart und waschen sich mit dem Eiswasser der Pfützen
Das Wetter ist wolkenverhangen, lausig kalt und stürmisch. Das
erste Abenteuer des Tages ist der Toilettengang. Unterhalb der Hütte steht ein
notdürftig gezimmerter Verschlag mit einem Loch im Boden. Das Geschäft wird im
Hocken verrichtet und das Ergebnis landet unterhalb des Verschlags auf den
Felsen. Ich lasse mein benutztes Papier ebenfalls durch das Loch fallen,
innerhalb Sekunden ist es wieder hereingeweht vom Sturm und fliegt mir um die
Ohren. Ich fange es ein, und versuche es zum zweiten Mal, jetzt klappt es. Als
ich die Toilette verlasse und mich umschaue, bemerke ich erstmals, dass sich
das benutztes Papier über dem ganzen Gelände verbreitet hat. Wie doof. Ich
mache in der Hütte den Vorschlag, dass ich eine Plastiktüte in den Verschlag
hänge für das Papier und ich diese am letzten Tag mit ins Tal in einen
Mülleimer nehme.
Das Toilettenhäuschen bot nur Sichtschutz
Pastuchov-Felsen
Heute sollen wir uns zum letzten Mal akklimatisieren und zu den Pastuchov-Felsen auf 4.700 m aufsteigen und uns dort wieder verweilen. (Steige hoch – schlafe tief). Weit über uns können wir die Karawane der Gipfelstürmer sehen, die sich wie Ameisen auf ihrer Straße den verschneiten Hang über den Sattel bewegen. Zum Verweilen ist es bei den Felsen viel zu kalt, so gehe ich auf Höhe der Felsen hin und her, bemüht, nicht auf die Gletscher links und rechts der Aufstiegsspur zu kommen, um nicht in eine Spalte zu stürzen. Nachmittags kommt die Sonne hervor und wir genießen die Wärme uns auf unserer Aussichtsterrasse. Die andere Gruppe ist abgereist, und wir haben nun die Hütte für uns allein. Ich beziehe mit zwei Männern den oberen rechten Verschlag, bekomme den Platz in der Mitte. Somit weht zumindest von unten kein Wind mehr hoch.
Schneesturm
Um zwei Uhr werden wir geweckt, Gipfeltag.
Aber noch bevor wir richtig munter sind, hören wir den Sturm
an den Brettern der Hütte zerren. Im Licht von Nikolajs Stirnlampe leuchtet der
schneebedeckte Hüttenboden. Auch unsere Rucksäcke, die an den Innenwänden der
Hütten stehen, sind dick verschneit. „Jetzt loszugehen ist zu gefährlich“, sagt
Nikolaj. Diese Meinung teile ich sofort und lasse mich zurücksinken. Oh, wie
angenehm ist ein warmer Schlafsack!
Am Vormittag hat das Schneetreiben nachgelassen. Nikolaj war
bereits unterwegs und hat herausgefunden, dass morgen ein wettermäßig besserer
Tag sein soll. So werden wir morgen den Elbrusgipfel besteigen, teilt er uns
mit. Da wir aber somit einen Tag länger bleiben, würde das Essen nun rationiert.
Er legt jedem nur zwei Scheiben Brot auf den Teller. Der größte Anteil der
Gruppe sind Österreicher, die nun zu murren anfangen. Es wird in den Rucksäcken
gekramt und Speck, Käse, Schüttelbrot, gutes Roggenbauernbrot und Würste landen
auf dem gemeinsamen Tisch. Tatjana und Nikolaj fangen an zu grinsen, und wir
Deutschen holen ebenfalls unser Notfutter hervor. So schmausen wir reichlich und
erfahren, dass wir den Tag zur freien Verfügung haben. Wir sollen uns nach
eigenem Gutdünken akklimatisieren, aber mitteilen, wohin wir gehen wollen.
Klaus und ich marschieren nochmal zu den Pastuchov-Felsen. Oben angekommen
machen wir mit den Steigeisen Experimente. Bei welcher Steilheit kann man noch
gut auf dem ganzen Fuß stehen, wann muss man auf die Zehenspitzen oder
Außenzacken wechseln. Andere aus der Gruppe kommen dazu und wir haben viel Spaß
beim Üben.
Steige hoch – Schlafe tief – so hilft man dem Körper bei der Akklimatisation. Foto: Klaus Friedrichs
Beim Abendessen erzählen drei unserer Teilnehmer beiläufig,
dass sie heute auf eigene Faust den Ostgipfels (5.621m) bestiegen haben!
Nikolaj und Tatjana fallen aus allen Wolken, auch der Rest der Gruppe weiß
nicht, ob wir die drei bewundern sollen oder eher ausschimpfen. Nikolaj erklärt
ihnen das Unverantwortliche ihres Tuns. Er und Tatjana als Bergführer sind nach
dem Gesetz für die Gruppe verantwortlich. Sie hätten, wenn den dreien unterwegs
etwas zugestoßen wäre, nicht mal die Möglichkeit gehabt, zu reagieren, weil sie
an der Stelle gesucht hätten, wohin sie sich abgemeldet haben. Außerdem würden
sie dann uns andere „um den Gipfel“ gebracht haben, denn nach einer Suchaktion
würde keinem mehr der Sinn nach dem Gipfel stehen. Es herrscht eine angespannte
Stimmung in der Gruppe. Wolfgang, einer der Gipfelstürmer, ein ruhiger Typ,
Mitte 50, drahtig, sehr bergerfahren, ergreift das Wort. In ruhigen Sätzen
beschreibt er, dass sie schnell an den Pastuchov-Felsen waren. Dort bewegte
sich die Karawane, in der die sich befanden, weiter und sie bekamen mit, dass
viele Bergführer erst nach dem Schneesturm mit ihren Gruppen zum Gipfel
gestartet waren. So sind sie einfach mit den Gruppen weiter gegangen. Sie seien
eine eingeschworene Dreiergruppe und hätten schon mannigfaltig Berge bestiegen.
Sie hätten aufeinander aufgepasst, weil sie sich eben kennen und auch einschätzen
können. Sie hätten gewusst, dass es für sie gut machbar sein würde. Und, es
waren viele Leute unterwegs, sie waren nie allein. Aber er sehe ein, dass
Nikolaj und Tatjana hätten informiert werden müssen. Dann zog er einen Obstler
aus seiner Rucksacktasche, entschuldigte sich bei uns allen und wir stießen, in
gelöster Stimmung, auf den Gipfelerfolg der drei an.
Gipfeltag am 16. August 2001
Nun waren wir unterwegs. Der Himmel ist klar, der Mond scheint, und wir benötigen keine Stirnlampe. Der Schnee reflektiert das Mondlicht, das reicht zum Aufsteigen. Es ist recht still, man hört nur den Atem der anderen, mal ein Räuspern und das knarrende Geräusch der Steigeisen, die in den harten Firn greifen. Nikolaj gibt vorne ein langsames Tempo vor, der Kreislauf muss langsam auf Touren kommen. Ich merke, dass ich leichter laufe als die letzten zwei Tage. Ich fühle mich kräftiger, stärker. So geht es über eine Stunde dahin. Dann merke ich, wie sich das Licht ändert, blauer wird. Nach Osten bekommen die Umrisse einen weichen Glanz ins gelborangene. Die Luft fühlt sich anders an, weicher. Dann trete ich aus der Reihe, denn ich weiß, dass ich hier nie mehr in meinem Leben hinkommen werde. Den Sonnenaufgang möchte ich genießen. Beim Sonnenaufgang meinem Gott danken, dass er mir die Kraft und die finanziellen Mittel gibt, so eine Reise zu machen, solch einen Berg zu besteigen. Ich verharre in kurzer Andacht und krame dann meinen Foto unter der Daunenjacke hervor.
Langsam drehe ich mich um die eigene Achse um die Veränderung des Lichts wahrzunehmen, den der Sonnenaufgang bewirkt. Klaus steht etwas oberhalb von mir, auch mit dem Fotoapparat in der Hand.
Die Sonne kommt über die Bergkante – beeindruckend schön
Gegenüber ist wieder eine Lichtbrechung zu sehen, die mir so ungeheuer imponiert und mir bisher nur am Marmolejo aufgefallen ist.
Lichtbrechung beim Sonnenaufgang am Elbrus
Nun müssen wir uns sputen. Die anderen Teilnehmer sind weit
über uns, machen aber gerade Pause. (Das nachfolgende Bild ist von Wolfgang,
dessen Nachname mir nicht bekannt ist. Er hat es mir später geschickt, danke
dir!)
Ich steige vor Klaus hinauf. Wir sind beim Aufstieg bereits oberhalb der Pastuchov-Felsen. Eine grandiose Landschaft breitet sich unter uns aus. Foto: Wolfgang Nachname unbekannt
Langsam gehen wir aufwärts und erreichen die stehende
Gruppe, als alle gerade die Rucksäcke aufsetzen. Gesprochen wird nichts, dazu
fehlt der Atem, langsam geht es voran.
Ich merke, dass ich mein eigenes Tempo gehen muss. Immer langsam und sehr
gleichmäßig. Schnell gehen und dann stehen bleiben, um eine Atempause zu machen
und dann wieder schnell gehen, das mag mein Körper nicht, zumindest nicht über
4.200 Höhenmetern. Langsam und kontinuierlich komme ich auf die hohen Bergen
hinauf. Stetig steigen mit immer genug Luft, um keine Pause einzulegen.
Steil geht es hinauf, meine Steigeisen greifen gut und ich
bin froh, Anti-Stoll-Platten drunter zu haben. Diese schütteln festgesetzten
Schnee wieder ab, damit die Zacken der Steigeisen noch greifen können. Die
Gletscherbrille schützt mich vor der gleisenden Sonne auf dem Schnee.
Blöderweise bemerkte ich allerdings nicht, dass ich keine Sonnencreme
aufgetragen habe. Die Gruppe hatte das getan, während ich den Sonnenaufgang
fotografierte.
Die Sonne steigt schnell höher und es wird richtig warm.
Gestern war es nach dem Neuschnee und unter der Wolkendecke tagsüber gerade mal
plus 2°. Ich bleibe stehen und ziehe mir die Daunenjacke aus. Mein
langärmeliges Fleecehemd reicht völlig.
Es wird immer steiler. Einatmen, rechten Fuß heben,
ausatmen, rechten Fuß voranstellen. Einatmen, linken Fuß heben, ausatmen,
linken Fuß voranstellen. So gehe ich 10 Schritte und muss dann, ohne Schritte
zu machen, zweimal Atem holen. Dann geht es 10 Schritte weiter.
Immer steiler wird der Aufstieg – im Hintergrund der Westgipfel
Ich bilde mit Klaus und Tatjana den Abschluss der Gruppe, die
sich nun weit über uns verteilt. Die ersten sind mittlerweile aus unserem
Sichtfeld verschwunden, wohl schon über den Sattel. Wie gesagt, es ist nicht
schwierig, steil zwar, aber anstrengend ist das Luftholen, bzw. das Gefühl,
nicht genug Luft zu bekommen. So empfinde ich das, dabei ist es der Sauerstoff,
der meinem Stoffwechsel fehlt und in dieser Höhe einfach vermindert in der Luft
vorkommt. Nikolaj wartet im Sattel auf uns und wir machen eine Pause. Nach
einem kurzen Blick in mein Gesicht, fragt er, ob ich eingecremt sei? Upps,
jetzt fällt es mir auf, dass ich das versäumt habe, schnell hole ich das nach. Ich
zwinge mich, einen Riegel zu essen und zu trinken. Der Körper braucht Energie,
rede ich mir beim Kauen gut zu. Hier im Sattel stand wohl mal eine Notunterkunft,
die Giebel der Hütte sind noch deutlich zu erkennen. Nicolaj zeigt zum
Ostgipfel, an dessen Flanke zwei Gestalten hinaufsteigen. Thomas und Klaus II (also
der andere Klaus) wollen erst hinauf zum Ostgipfel und danach den Westgipfel
besteigen, erzählt Nicolaj uns auf unsere Frage.
Wir brauchen eine kurze Pause. Die Holzteile sind die Ruine der Hütte, die ehemals im Sattel des Elbrus stand
Wir wandern erst durch die Senke des Elbrussattels. Der
Anstieg zum Westgipfel beginnt allmählich. Hier bin ich wieder fit und kann gut
steigen. ‚Vielleicht ist es die Steilheit, die mich langsam macht?‘, überlege
ich. Die Österreicher, die gestern auf dem Ostgipfel waren, kommen uns schon
wieder entgegen. Nikolaj spricht mit ihnen, unsinniges Zeug, wie ich meine,
aber er will nur testen, ob die Denkfähigkeit noch in Ordnung ist. Alles ist
gut, er und Tatjana begleiten mich und Klaus weiter zum Gipfel, es wird wieder
steil. Als wir denken, jetzt ist es geschafft, kommt immer noch eine Bodenwelle
und wir müssen quasi links herum weiter hinauf. Klaus liegt mit Tatjana etwas
zurück.
Der Elbrusgipfel
Nikolaj und ich warten auf die beiden, bevor wir vier
gemeinsam das 5.642 m hohe, minikleine Gipfelplateau betreten.
Wir vier am Gipfel. Es ist irre warm, anders als am Marmolejo. Nur vor Sonnenbrand müssen wir uns schützen
Ein Stein und einige Metallplatten mit Inschriften markieren
den Gipfel des Elbrus. Klaus zieht seine DAV Sektion Weinheim Flagge hervor,
die wir am Pickel befestigen. Mit Selbstauslöser machen wir Fotos und noch von
jedem Einzelaufnahmen.
Am Elbrusgipfel kann ich mich richtig freuen. Foto: Klaus Friedrichs
Wir schauen uns um und sehen nicht viel, denn von Norden
sind Wolken herangezogen, die die Sicht nach Russland versperren. Ohne Wolken
könnten wir bis zum Schwarzen Meer sehen, erklärt mir Tatjana – aber leider
sind Wolken da. Und die kochen gewaltig, so machen wir uns schnellstmöglich an
den Rückweg.
Bergab bin ich einfach schnell. Ich nutze den Schwung jeden
Schrittes für den nächsten und stoppe nicht ab. Ich gehe weich in den Knien, so
das die Muskeln der Ober- und Unterschenkel die Arbeit machen. Und ich mache große
Schritte, das hat mir Papa schon als Kind beim Gehertraining beigebracht.
„Mache bergab die Schritte länger, die Schwerkraft unterstützt dich – jeder so
gewonnene Zentimeter bringt dich schneller ans Ziel.“ Das solche Worte so lange
im Kopf und im Tun bleiben.
Im Sattel bei der Hüttenruine stehen die drei Österreicher,
die gestern am Ostgipfel waren und Thomas und Klaus II sitzen bei ihren
Rucksäcken. Sie schauen uns entgegen, erscheinen unruhig. Die drei haben Thomas
an der Flanke zum Ostgipfel sitzen sehen und sind dorthin geeilt, denn sie
vermuteten, dass etwas nicht stimmt. Thomas saß fast nackt bei seinem Rucksack
und Klaus II hätte apathisch dabei gestanden. Sie hätten Thomas überreden
müssen, sich anziehen zu lassen, denn er wäre nicht mehr in der Lage gewesen,
es zu tun. Sie haben gesehen, dass wir beim Abstieg vom Westgipfel waren und
haben hier im Sattel auf Nikolaj und Tatjana gewartet. Die sprechen die Beiden
an und merken sofort, wie desorientiert sie sind. Thomas fängt an, seine Schuhe
auszuziehen. Nikolaj spricht ein Machtwort, beide müssen nochmal trinken und
werden dann jeweils rechts und links am Arm genommen und den Berg in schnellem
Tempo, mehr rutschend als gehend, hinabbegleitet. Die drei Österreicher helfen
mit und spielen dabei ihre Bergerfahrenheit aus.
Klaus und ich gehen gemeinsam hinterher, der Schnee ist
jetzt sehr sulzig, ungeheuer schwer und die Anti-Stoll-Platten helfen nicht
mehr. Alle paar Meter schlagen wir mit den Stöcken gegen die Steigeisen, um die
Schneemassen unter den Steigeisen zu lösen.
Es bewölkt sich Zusehens und die umliegenden Gipfel
verschwinden in den Wolken. Wie schade, denn gerade nun hätten wir beim
Bergabgehen einen schönen Ausblick verdient. Als wir unterhalb der Pastuchov
Felsen sind, reist plötzlich in der Wolkenwand ein Fenster auf. Wie ein von
Wolken gerahmtes Bild erblicken wir die Gipfellandschaft im Hintergrund.
Himmelsfenster beim Abstieg
Als wir an der Hütte ankommen, geht es Thomas und Klaus II
bereits besser. Abstieg ist der einzige Ausweg aus der Höhenkrankheit. Sie sind
am Teetrinken und finden es schade, keinen Gipfel erklommen zu haben. Klaus II
gibt selbstkritisch zu, dass er die Akklimatisierung wohl nicht ernst genug
genommen hat. Er wäre an keinem Tag bis zu den Pastuchov Felsen aufgestiegen,
sondern hätte sich im Zeltlager mit den Bergsteigern unterhalten. „Und, ich bin
heute viel zu schnell losgegangen. Ich hätte mein eigenes Tempo gehen müssen,
statt mich an die schnellen Bergfexe dranzuhängen.“
Trotzdem trinken wir Wodka auf den Gipfel- und
Heilungserfolg, dann sinke ich müde auf mein Lager. Für die 1.500 Höhenmeter
und ca. 8 Entfernungskilometer habe ich hinauf 8 Stunden gebraucht. Ich fühlte
mich am Gipfel lange nicht so erschöpft wie am Marmolejo, trotzdem mir die Höhe
zu schaffen machte. Für den Abstieg habe ich noch mal 4 Stunden benötigt. Ich
lasse das Abendessen aus und schlafe die nächsten 13 Stunden!
Müde von der Gipfelbesteigung sitze ich in meinen Schlafsack
Nach dem Abstieg zur Seilbahn, bei dem wir uns mit dem
Mülltragen abwechseln, werden wir in der Ebene wieder von unserem Kleinbus
erwartet und fahren in einen Pension. Nach ausführlichem Duschen und einem
Mittagschlaf finden wir uns zur abendlichen Feier zusammen. Ich schaffe es,
nicht bei jedem Gipfeldankspruch ein volles Glas Wodka trinken zu müssen und
trinke auch nur ein Bier. so bin ich die fitteste am nächsten Tag, auf der Rückfahrt
zum Flughafen.
Glücklich beim Feiern – mein Sonnenbrand im Gesicht ist deutlich zu sehen. Foto: Klaus Friedrichs
Als wir schon über eine Woche wieder zu Hause waren, war
mein Gesichtssonnenbrand so weit abgeklungen, dass sich die Haut als Ganzes
löste, wie eine Maske. Seither muss ich mein Gesicht immer besonders gut
eincremen – und vergesse das auch nicht mehr.
Mir aber ließ meine Leistungsfähigkeit keine Ruhe, bzw. meine Leistungsunfähigkeit. Das ich so lange gebraucht habe für 1.500 Höhenmeter! Liegt das an der Höhe über 4.200 m oder habe ich einfach nichts drauf? Diese Frage kreiste mir im Kopf. Als Mitte September der Wetterbericht für das kommende Wochenende im Berchtesgadener Land als sonnig, beständig und warm gemeldet wurde, machte ich mich zur Leistungsprobe auf zum Watzmann.
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Ich war seit zwei Jahren viel Bergsteigen. Und meine Tochter Lotti lag mir in den Ohren, endlich mal eine Bergtour mit ihr zu machen. Das war nur in den Sommerferien möglich und wir fanden zehn Tage gemeinsame Zeit. Ich hatte das Tauferer Ahrntal als Ziel gewählt und eine Anreise mit dem Zug. Eine Nachtzugfahrt im Liegewagen ist bereits das erste Mutter-Tochter-Erlebnis einer Bergtour.
Leider war die Nacht war sehr unruhig. Einige Mitschläfer standen ständig auf und die Schiebetür ging auf und zu. Und in München stiegen die ersten Mitreisenden unseres Abteils bereits wieder aus. Eine Erholung war das nicht. Nach Innsbruck sind wir auch aufgestanden und schauten während der Fahrt über den Brenner aus dem Fenster. In Franzensfeste stiegen wir sehr müde aus und versuchten, mit einem Frühstück im Bahnhofsbistro unsere Lebensgeister anzukurbeln.
So richtig fit sind wir nach der Nacht im Liegewagen nicht
Tauferer Ahrntal
Ein weiterer Zug brachte uns nach Bruneck und ein Bus nach
Lappach. Von dort wollte ich mit Lotti zur Nevesjochhütte aufsteigen zur ersten
Hüttenübernachtung. An der Bushaltestelle zogen wir die Wanderschuhe an und ich
übernahm aus Lottis Rucksack noch Gepäck. Nun ging es immer bergauf Richtung Nevesstausee.
Die Luft roch sehr würzig, die Sonne schien warm und die Landschaft präsentierte
sich unglaublich schön mit wunderbarer Blütenvielfalt und schneebedeckten
Berggipfeln. Nur, wir waren beide müde und schlapp. Nach kurzer Zeit erreichten
wir ein kleines Gipfelkreuz.
Müde an einem kleinen Gipfel oberhalb Lappachs
Wir rasteten und ich studierte die Landkarte. Allem Augenschein nach hatte ich eine viel zu anspruchsvolle Tour für unser Mutter-Kind-Team ausgesucht. Lotti war konditionell nicht sehr stark, der Rucksack zu ungewohnt und sie zu ungeübt. Ich hatte bei der Planung wohl übersehen, dass sie gerade erst 10 Jahre alt geworden war. Nach der unruhigen Nacht waren auch von mir keine Hochleistungen zu erwarten. Ich besprach meine Gedanken mit Lotti. Ich schlug vor umzukehren und den Urlaub anders zu verbringen. Während meines Vorschlags ging in dem Kindergesicht die Sonne auf, der erschöpfte Blick wurde fröhlich.
Ja, die ganze Stimmung, auch bei mir, kippte sofort ins Positive. Beschwingt marschierten wir zur Bushaltestelle zurück. Wir nahmen nun den Bus nach Sand in Taufers. In der Touristinformation wollten wir für unseren Aufenthalt nun eine Ferienwohnung buchen und von dort aus Wanderungen machen.
Die freundliche Dame konnte uns helfen obwohl alle Appartements besetzt waren. Eine Freundin von ihr vermietete nur noch an langjährige Stammgäste und war nicht mehr in der offiziellen Vermietung gemeldet. Ein kurzer Anruf der Tourist-Dame; die Wohnung wäre derzeit frei. Wir könnten für acht Tage kommen. Wir kauften einige Lebensmittel ein und bestiegen den Bus nach Ahornach. Dem Heimatdorf Hans Kammerlanders, freute ich mich.
Ahornach
Die Gastgeber waren eine junge Familie mit drei Kindern, davon einer Tochter in Lottis Alter. Sie bewirtschafteten einen Bauernhof mit Milchvieh und Almwirtschaft. Die Wohnung lag im ersten Stock mit einer atemraubenden Aussicht zur Riesenfernergruppe. Herzlich wurden wir aufgenommen und Lotti wurde gleich von ihrer neuen Freundin mit in den Kuhstall genommen. Außerdem erhielten wir eine Einladung zum Abendessen.
Dort erfuhren wir, dass die Familie am nächsten Tag eine der steilen Wiesen an einem Hang mähen wollte. Spontan schlossen wir uns an. So hatten wir an unserem ersten Tag viel Spaß, denn die Kinder tollten herum und ich lernte den Umgang mit der Sense wieder. Es ist schon eine unglaubliche Anstrengung, die die Bergbauern im Alpengebiet zur Pflege der Kulturlandschaft unternehmen. Auch an diesem Abend waren wir zum Essen eingeladen. Wir sprachen über unsere Wanderpläne und bekamen einige Tipps für Tageswanderungen, die mit einem Kind geeignet sind. Aber wenn ich auch auf den Großen Moosstock wollte, den Hausberg Ahornachs, dann sollte ich doch mal frühmorgens starten, dann könnte ich am späten Vormittag wieder zurück sein. Lotti dürfte nach dem Aufwachen gerne zum Frühstück und Spielen nach unten kommen. So ein tolles Angebot konnte ich nicht ausschlagen. Direkt nach unserer Rückkehr würde ich meinen Expeditionsrucksack packen und mit meinem Bergkamerad Klaus zum Elbrus fliegen. Hier im Tauferer Ahrntal, mit 80 Berggipfeln über 3.000 n Höhe, wollte ich mit der Akklimatisation schon beginnen.
Großer Moosstock
Gleich am nächsten Morgen ging ich um halb fünf, mit der ersten Dämmerung, los. Ich hatte damals eine super Kondition und rannte förmlich den Berg hinauf, der oben noch große Schneefelder hatte. Außerdem hatte ich die respektlose Angewohnheit, die Gipfelkreuze gleich mit zu ersteigen. Respektlos deshalb, weil die freiwilligen Menschen, die diese Gipfelkreuze dort errichteten, viel Arbeit mit dem Fundament, dem Aufstellen und der Pflege haben. Und wenn Jede und Jeder auch noch das Kreuz erklettern würde, wäre der Pflegeaufwand sicherlich höher. Noch aber war mir das nicht klar und so war ich schlussendlich auf 3.062 Höhenmetern, drei Meter über der eigentlichen Gipfelhöhe und genoss die Rundumaussicht.
Gipfel Großer Moosstock mit 3.059 mDer Ausblick vom Großen Moosstock in Richtung Hohe Tauern
Bergab bin ich im Gebirge sehr schnell. Die Familie war sehr erstaunt, dass ich um halb zehn bereits wieder zurück war. Aber Lotti und ich wollten heute auch eine gemeinsame Wanderung machen. Mit einer Vesper im Rucksack stiegen wir über den Wanderweg 10B bis zur Kreuzung Schlafhaus hinauf. Dort folgten wir der Markierung 10C nach Osten, immer leicht bergauf und bergab. Lotti freute sich an den Pflanzen und war begeistert von der Wollgraswiese. Das erinnert sie an unseren Schweden-Motorrad-Urlaub. Auch später das Heidelbeerfeld. Wir pflückten Unmengen in unsere Berghaferl und Vesperdosen. Abends schenkte uns die Bäuerin Gelierzucker und Gläser und ich kochte Heidelbeermarmelade. Die wunderbar schmackhaftes Andenken an den Urlaub nahmen wir irgendwie in den Rucksack gestopft mit nach Hause.
Lotti freut sich über die Wollgraswiese, die sie an unsere Schwedentour erinnertHeidelbeeren, welche Wonne, sammeln für zuhause
Speikboden
Eine Empfehlung unserer Wirtsleute war eine Wanderung am Speikboden. Hinauffahren mit der Gondelbahn, absteigen nach Weißenbach und mit dem Bus wieder zurück. Diese Rundtour beinhaltete zwei Gipfel. Der Aufstieg von der Gondel zum Speikbodengipfel war recht steil und landschaftlich uninteressant. Ein Skigebiet sieht im Sommer einfach nicht schön aus. Lotti hatte keinen rechten Spaß und schaute recht mürrisch unter dem Gipfelkreuz. Von dort ging es aber mit toller Aussicht meist bergab und Lottis Laune hatte sich bis zum Gipfel des Seewassernock wesentlich gebessert.
Lotti am Gipfelkreuz Speikboden auf 2.517 m HöheLotti steht am zweiten Gipfelkreuz des Tages, dem Seewassernock mit 2.342 m Höhe
Naturbadeteich als Öffentliches Schwimmbad in Sand in Taufers
Die Busverbindungen im Tauferer Ahrntal sind sehr gut getaktet und aufeinander abgestimmt, so waren wir am späten Nachmittag wieder am Bauernhof und Lotti spielte mit ihrer Freundin im Kuhstall und bei den Hühnern. Zur Abwechslung gingen wir am nächsten Vormittag bergab nach Sand in Taufers, denn heute war Schwimmbadtag angesagt. Das Freibad von Sand in Taufers ist als Naturbadeteich angelegt und somit ohne Chlorwasser. Schwimmen, plantschen, mit der Mama und wieder neuen Kindern spielen, das Leben kann so einfach und schön sein.
Lotti springt über die Begrenzungssteine des Naturbadeteichs
Lenkjöchlhütte
Eine weitere Empfehlung der Wirtsleute, war die Wanderung von Kasern zur Lenkjöchlhütte. So könnten wir eine Berghüttenübernachtung machen und am nächsten Morgen wieder absteigen. Im Windtal weideten viele Ziegen und wir kamen nur langsam voran, weil wir sie beobachteten und sie sich mit uns anfreundeten und die kleinen Zicklein vor unseren Füßen herumsprangen. Die Hüttenwirte der Lenkjöchlhütte hatten auch eine Tochter in Lottis Alter und so war sie am Nachmittag mit ihr draußen unterwegs. Ich kam mit einer Einzelwanderin ins Gespräch. Sie wollte morgen sehr früh auf die Rötspitze steigen. Wie ich sie beneidete!
Beim Abendessen entwickelte sich folgendes Gespräch von ihr mit der Hüttenwirtin: „Kann ich morgen Vormittag spät frühstücken, ich will erst hinauf zur Rötspitze?“ „Das ist kein Problem, aber allein hinauf finde ich nicht ratsam!“ „Ich bin aber allein.“ Die Hüttenwirtin schaute mich an. „Wolltest du nicht auch hinauf?“ „Das geht mit meiner Tochter nicht!“ „Eh klar! Aber die kann doch hierbleiben und mit unserer Tochter spielen, während ihr die Tour gemeinsam macht!“ Lotti hatte das Gespräch aufmerksam verfolgt und nickte. „Ist okay, Mama. Du bist ja schnell wieder da!“
Rötspitze
Wir packten unsere Sachen am Abend und waren bereits wieder
um halb fünf unterwegs. Der Aufstieg auf der Nordseite ist weglos, aber alte
Spuren waren deutlich zu sehen. Wir stiegen nördlich des Rötkees auf und kamen
bald in den Schnee. Nach einigen leichten Kletterpassagen waren wir schnell auf
dem Grat und bald beim Gipfelkreuz auf 3.495 m.
Das war für drei Gipfelkreuze meine Masche – hinaufklettern. Nach einigem Nachdenken: undenkbar – aus Respekt den Erbauern des Gipfelkreuzes gegenüber. Hier am Gipfelkreuz der Rötspitze
Auch hier wieder ein unglaubliches Panorama. Rund um das
Tauferer Ahrntal stehen über 80 Dreitausender. Da bietet die Aussicht ungeheuer
viel. Hinab war ich wieder schnell unterwegs, teilweise zu schnell und die
Bergfreundin drückte im richtigen Moment auf den Auslöser.
Bergab im Schnee gelingt nicht immer – bringt den Umstehenden und der Gefallenen aber viel Spaß
Wir waren bereits um neun Uhr zurück, Lotti schlief noch und ich weckte sie zum Frühstück. „Mama, du wolltest doch bergsteigen“, war ihre erste Reaktion bei meinem Guten-Morgen-Kuss.
Wir spazierten über das Röttal zurück und ich kühlte mich in einem kleinen See unterhalb des Rötkees ab. Es dauerte allerdings, bis Lotti den Auslöser fand und mir wurde kalt. Aber für ein besonderes Bild leide ich gerne mal.
Eisbad im kleinen See des Rötkees – Erfrischung pur
Den letzten Tag verbrachten wir nach dem Abschied von unserer netten Bauersfamilie im Naturbadeteich, sprich Schwimmbad. Am späten Nachmittag nahmen wir den Bus nach Bruneck und schlenderten noch durch das schöne Städtchen. Ab Franzentsfeste stiegen wir wieder in einen Liegewagen und waren am frühen Morgen, diesmal besser ausgeschlafen, zurück in Frankfurt.
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Lange schon lag mir meine 7-jährige Tochter in den Ohren, sie bei einer Motorradtour mitzunehmen. Die vier schulfreien Tage über Christi-Himmelfahrt nutzten wir, um die nähere Heimat zu erkunden. Bei einer vier Flüsse Runde, Nagold, Gutach, Wolfach und Neckar, hatten wir viele spannende Erlebnisse.
„Ich würde heute Nacht lieber in der Jugendherberge schlafen.” – „Warum?“ – „Wir sind heute schon mal nass geworden und es sind wieder Regenwolken über uns. Wenn wir auf den Campingplatz gehen, müssen wir morgen bestimmt ein feuchtes Zelt einpacken.“ – „Wir müssen aber im Zelt schlafen, sonst ist es keine richtige Motorradtour. Und so einen Regen kann man doch mal aushalten, oder?“ Nach diesen Worten meiner 7-jährigen Tochter Lotti schimpfe ich mich in Gedanken „Weichei! Weichei!!“ Recht hat sie ja. Also fahren wir an der schön gelegenen Jugendherberge Dillweisenstein vorbei und steuern den Campingplatz in Bad Liebenzell an. Eigentlich sind wir ja im strahlenden Sonnenschein in Mannheim losgefahren, aber schon kurz nach Brühl erwischte uns die erste dicke Wolke. Aber dieser Mai 1999 ist sowieso eher ein April, denn schon im Vogelpark in Oberhausen traute sich die Sonne wieder hervor. Die Störche dort haben vier Küken und einer der freiwilligen Helfer lässt uns sogar auf eine Leiter steigen, um die flaumigen Tierchen besser zu sehen.
Vogelpark Oberhausen
Die vier Storchenküken im Nest
Ein Pfau, dem das Getue um die Klapperstörche nicht gefällt, balzt sodann sehr beeindruckend vor uns zwei Damen herum. Aber wir wollen weiter, das Barockschloss in Bruchsal lockt uns noch mehr. Dieses Hauptwerk des deutschen Barock wurde als Residenz des Fürstbischofs Damian Hugo von Schönborn erbaut mit einem einzigartigen zentralen Treppenhaus von Balthasar Neumann. Wir gönnen uns und unserer altgedienten Honda CB 450 S zuerst die rückwärtige Schlossansicht vom Schlosspark aus, bevor wir im Schlosscafé einen großen Eisbecher mit besonderer Aussicht verputzen.
Mit Selbstauslöser machen wir ein Foto im Garten von Schloss Bruchsal
Nagold
Durch blühende Rapsfelder fahren wir über Bretten nach Pforzheim, queren die Enz um dann entlang der Nagold bis fast zu ihrer Quelle zu gelangen. Für heute müssen wir allerdings erst mal einen Schlafplatz haben. Auf dem Campingplatz in Bad Liebenzell werden wir sehr herzlich aufgenommen. Der Platzwart sucht mit uns den weichsten Wiesenplatz. Auf den regnet es heute Nacht garantiert nicht, verspricht er. Es nieselt auch nur solange, bis das Außenzelt steht! In der Küche kochen wir uns einen Aufwärmtee und machen es uns an einem Tisch zum Abendessen gemütlich. Lotti gewinnt die erste Runde des „Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Turniers“ haushoch. Mit einer Geschichte der Kinder von Bullerbü als Vorbereitung auf unsere schwedische Sommerreise schlafen wir gut ein.
Na, gibt es woanders nicht noch einen weicheren Wiesenplatz?
Eigentlich hatten wir auf dem uns bekannten Minigolfplatz in Hirsau ein Spielchen wagen wollen, aber so kurz nach der Abfahrt will ich keine lange Pause machen. Lotti darf also nur auf dem angrenzenden Spielplatz rutschen, klettern und „Motorrad fahren“, bevor wir uns zum Nagoldstausee begeben.
Lotti darf auf dem Spielplatz Hirsau selbst Moped fahren, äh schaukeln
Bei Kentheim entdecken wir die
Holzbrücke über die Nagold, die nutzen wir gleich für ein Selbstauslöserfoto.
Eigentlich ist die Nagoldbrücke bei Kentheim für Fussgänger und Radfahrer, aber für ein Foto mit uns wird sie hoffentlich halten!
Kurz hinter Ebhausen lädt uns
linkerhand eine tolle Wiese zur Mittagsrast ein. Sogar die Sonne gesellt sich
nun zu uns. Hinter Altensteig wird die Straße dann sehr idyllisch, schmal durch
Wälder führend, bunte Blumen als Wegbegrenzung, einfach herrlich.
„Guck mal Mama, die surfen!“ Tatsächlich, bunte Segel leuchten auf dem Wasser des Nagoldstausees. Wir schauen eine Weile zu, bevor wir über Erzgrube und Obermusbach nach Freudenstadt weiterfahren. Dort folgen wir der B 28 nur kurz und biegen dann ins Wolfstal ab.
Wolfach
Ab Bad Rippoldsau folgen wir wieder einem Flüsschen, der Wolfach. Lotti hinter mir findet gar nicht genug Ausdrücke, um mir die Schönheit dieses Tals zu beschreiben. Nachdem ich wegen einer rasenden Bochumer Motorrad-Gruppe, die mich in Etappen überholt, zweimal gefährlich bremsen musste, halten wir an, um die Kilometerfresser vorbeizulassen. „Sehen die überhaupt die schönen bunten Blumen, Mama?“ fragt meine Süße mich über die Gegensprechanlage. – „Ich habe keine Ahnung, ich glaube eher nicht. Die sehen ja nicht mal entgegenkommende Autos!“ erwidere ich genervt. Als wir uns weitertrauen entdecken wir Wildwasserpaddler und halten wieder, um sie um eine enge Kurve gleiten zu sehen.
Lotti hat die Wildwasserpaddler auf der Wolfach entdeckt
Vogtsbauernhof
Kurz nach Wolfach leiten uns Hinweisschilder zum Vogtsbauernhof, einem Freilichtmuseum, das auf unserem Besichtigungsplan steht. Alte Schwarzwaldhöfe, wurden an anderen Stellen abgebaut, um hier restauriert in altem Glanz zu erstrahlen. Diese Höfe sind sehr beeindruckend. Die Einrichtungen in den einzelnen Höfen sind nach Themen geordnet, hier mal Kleidung, da Korbflechterei, Holzschnitzerei oder Weberei. Durch die anschaulichen Erklärungen und alten Fotos ist für Lotti und mich nachvollziehbar, wie die Leute früher gelebt haben. Die Riesendachstühle sind heutzutage bestimmt ein El Dorado für Zimmerleute. Schon allein das Zusammenfügen der Scheunentore nur mit Holznägeln, ohne irgendein Metallstück ist beachtlich.
Lotti sitzt müde von den Tageseindrücken vor einem Wollkorb Schafstall des Vogtsbauernhofmuseums
Müde vom Schauen fahren wir zurück Richtung Wolfach, denn dort war ein Campingplatz ausgeschildert. Durch die Erlebnisse des Freilichtmuseums geprägt, ergötzen wir uns an den tollen Häusern und Gärten in Kirnbach und sind am Ortsende, ohne den Campingplatz gesehen zu haben. „Lotti, war der woanders?“ frage ich ratlos. Lotti ist nämlich zuständig für das Auffinden der blauen, mit Wohnwagen und Zelt versehenen, Schilder und das Hinlotsen auf den Platz. „Nee, da stand Kirnbach“ kommt die ebenso ratlose Antwort zurück. Ich kehre um und auf dem Rückweg stellen wir fest, dass wir vor lauter Gucken am Campingplatz zur Mühle, der sich steil einen Hang heraufzieht, vorbeigefahren sind.
Nasses Wetter, nasses Zelt, aber drinnen ist es gemütlich und trocken!
Nach dem Spagettimahl gibt es für mich ein erfrischendes Weizenbier zum „Mensch-Ärgere-Dich-Nicht“ Spiel. Die Regentropfen wiegen uns heute in den Schlaf und wecken uns am Morgen auch wieder. So kuscheln und dösen wir noch etwas, bevor wir uns entschließen, doch ein nasses Zelt einzupacken. „Schau, die Hasen kochen auch Kaffee!“, ruft Lotti. Aus den Wäldern steigen nach dem vielen Regen Wolkenfetzen hoch, die wie Kochfeuer aussehen.
1. Größte Kuckucksuhr in Schonach
Die Fahrt zur größten Kuckucksuhr der Welt in Schonach gestaltet sich verwirrend, denn wir sind auf so viele „größte“ Kuckucksuhren, die sich auf dem Weg dorthin aneinanderreihen, nicht gefasst. Am Ziel stellen wir dann fest, dass die Schonacher Uhr die 1. Weltgrößte war. Wir erreichen sie um kurz vor 12.00 Uhr. Gespannt auf den Kuckuck verharren wir im Nieselregen und werden mit 12 sonoren Kuckucks des ehrwürdig aussehenden Vogels belohnt.
Kurz nach zwölf posiert Lotti vor der 1. Weltgrößten Kuckucksuhr in Schonach, noch ganz beeindruckt von dem Kuckuck, der 12 mal Kuckuck rufen musste
Quellstein des Neckar
Den Wasserfall in Titisee lassen wir ausfallen, da wir schon gut mit Wasser von oben eingedeckt sind. Wir machen uns auf dem schnellsten Weg, über die B 33, an Villingen vorbei nach Schwenningen. Dort finden wir nach kurzer Suche im Stadtpark Möglingshöhe einen Spielplatz und nahebei den Quellstein des Neckar.
Hier nun ist der Anfang unserer Neckartour – der Quellstein des Neckar
Von der Quelle bis zur Mündung in den Rhein bei Mannheim ist der Neckar der eigentliche Grund für unsere Reise. Aber zuerst versteckt er sich unter den Straßen von Schwenningen, erst als wir nach dem Luftfahrtmuseum nach Deißlingen abbiegen, sehen wir ihn zum ersten Mal in seinem Bett. Wir fahren das, in der Landkarte gelb eingezeichnete, Sträßchen über Lauffen nach Rottweil, wo wir in schöner Atmosphäre Rast machen.
Der Stadtbrunnen in Rottweil vor einem prächtigen Bürgerhaus
„Mama, du wolltest doch auf die Straße 14, nicht auf die 27!“ sagt mein aufmerksames Kind kurz hinter den Rottweil-Serpentinen zu mir. Ich halte und studiere die Landkarte. Tja, da habe ich mich von dem Hinweis Tübingen an der Nase herumführen lassen. Der Weg über Dietingen und Irslingen nach Talhausen an den Neckar zurück ist jedoch sehr viel beschaulicher als die B 27 oberhalb Rottweils.
So ein schöner Brunnen in Irslingen, wohl der Faßnet gewidmet
Burgruine Ahlbeck und Mammutbäume
In Sulz wollen wir die Burgruine Albeck besichtigen und im Naturschutzgebiet Eichwald die mehr als 100jährigen über 40 m hohen Mammutbäume. Wir folgen erst dem Waldlehrpfad der uns zur, im Sonnenschein liegenden Burg, führt. Derzeit ist ein Ruinenverein mit der Restauration befasst, um der Nachwelt die Ruine zu erhalten.
Jungfer Lotti auf Burg Albeck, Sulz
Über einen Kilometer soll es noch bis zu den Mammutbäumen sein, wir haben jetzt schon keine Lust mehr auf die Helme und Tankrucksackschlepperei. „Sie können ihre Sachen ruhig in unser Auto legen, da kommt nichts weg“, bietet uns der freundliche Helfer des Vereins an. Er beschreibt uns auch die Stämme der Mammutbäume als von 4-5 Männern kaum zu umfassen. Na prima! Wir folgen dem beschilderten Weg, aber kaum sind wir im Wald fängt es an zu schütten. Einige Zeit folgen wir noch dem aufgeweichten Weg mehr rutschend als wandernd, bevor wir in einer Fichtenschonung Schutz vor der ausgebrochenen Sintflut suchen. Unsere Halstücher tragen wir längst als Kopftücher. Wir sind froh, dass uns niemand sieht, denn sonst wäre die Mär der neuen Waldhexen im Eichwald geboren. Als der Regen nachlässt folgen wir noch zwei Kurven und kehren dann um, denn die Mammutbäume sind nirgends zu entdecken. Lotti hat Fussweh in ihren Motorradstiefeln und meine, erst 20 Jahre alten Stiefel, lassen doch tatsächlich Wasser durch. So ist der Rückmarsch recht beschwerlich. Auf der Karte am Wanderparkplatz stellen wir fest, dass uns drei Kurven oder maximal 200 m von den Mammutbäumen getrennt haben. Sehr schade!
Wasserschloss Glatt
Wir queren in Sulz die B 14 und fahren auf einem schmalen kurvigen Sträßchen nach Glatt zu einem sehr schönen, malerischen Wasserschlösschen. „Ich dachte, das ist im Wasser,“ sagt Lotti zu mir. – „Ist es doch auch.“ – „Nein, ich dachte richtig im Wasser. Ich dachte der Nöck wohnt da im Schloss unter Wasser!“ Jetzt erst verstehe ich Lottis Befürchtungen, das Wasserschloss zu besuchen. Sie hat ein Kinderbuch vom schwarzen Nöck, der im Teich wohnt und ein junges Menschenmädchen zur Hochzeit zu sich in Wasser lockt.
Lotti sitzt auf der Mauer vor dem Wasserschloss in Glatt
„Da geht’s links ab zum Campingplatz Horb, Mama!“ kommt die Anweisung von hinten. – „Wollen wir hier in Horb schon bleiben?“ Schon ist gut, immerhin ist es bald sieben Uhr. Als wir glauben, dass mit den blauen Campingschildern Schabernack getrieben wurde, entdecken wir weit außerhalb Horbs endlich den Zeltplatz, absolut ruhig gelegen inmitten des Nichts. Zum Abendessen gibt es Reiseintopf und die Fortsetzung unseres Turniers. Warum gewinnt meistens Lotti?
Unsere Campingküche versorgt uns großartig
Morgens
werden wir von der Sonne geweckt, wenn dass kein gutes Zeichen ist! Wir folgen
dem Neckar auf kleinen Sträßchen über Mühlen und Börstingen und fahren zur Burg
Weitenau hinauf. Die entpuppt sich als Nobelhotel und Restaurant, die unterhalb
am Neckar einen eigenen Golfplatz unterhält. So schauen wir nur das schöne
Gebäude von außen an.
Wie schön die Burg Weitenau oberhalb des Neckars liegt
Schwäbische Weinstraße
Ab Rottenburg
begleiten uns Weinberge am Neckar, die Schwäbische Weinstraße beginnt
allerdings erst wesentlich später. Wir verweilen in Tübingen nicht, obwohl uns
das Spielzeugmuseum reizt, denn wir haben Anderes vor. Das Ballungsgebiet bis
Stuttgart befahren wir auf Bundesstraßen, bleiben aber dem Neckar treu. Kurz
vor Pliezhausen entdeckt Lotti „Zeltbäume“, Bäume von Kletterpflanzen
überwuchert, die um den Stamm herum sehr geräumig sind. „Da muss man gar kein
Zelt aufbauen, wenn man hier schlafen will.“ Manchmal wäre das tatsächlich
schön, obwohl wir zwei schon ein eingespieltes Team sind. Das Außenzelt bauen
wir zusammen auf, ich lade das restliche Gepäck ab, während Lotti das Innenzelt
aufbaut und mit mir einrichtet, binnen 20 Minuten sind wir mit Aufbau und Einzug
fertig.
Lotti würde hier am Liebsten übernachten
Urmensch Museum Steinheim
Ab Bad Cannstatt fahren wir wieder „gelbe“ Sträßchen und verlassen kurz hinter Marbach den Neckar, um bis Steinheim der Murr zu folgen. Dort ist direkt hinter dem Rathaus das „Urmensch-Museum“ unser Ziel. In den Kiesablagerungen der Pleidelsheimer Senke wurden eine Vielzahl von Gebiss- und Skelettresten gefunden. Nicht nur das eines Waldelefanten, sondern auch der Schädel eines Urmenschen. Die Ausstellung ist sehr anschaulich, sogar mit einer Ton-Bild-Schau ausgestattet.
So ganz geheuer ist Lotti das Skelett des Waldelefanten nicht
Nach so viel Bildung erholen wir uns auf einer Wiese vor Benningen mit einer Brotzeit. Dann ist Frisbee spielen angesagt. Weiter folgen wir der Schwäbischen Weinstraße, entlang der beeindruckenden Felsengärten von Mundelsheim und Hessigheim. In Besigheim verführt uns die Sonne in eine Eisdiele. Wir gönnen uns zwei große Eisbecher und während der anschließenden Stadtbesichtigung können wir die Helme in der Eisdiele „unterstellen“. Das römische Museum in Walheim müssen wir zu meinem Bedauern auslassen, da es schon geschlossen hat. „Über die Römer weiß ich doch schon alles aus den Asterix-Filmen“, tröstet mich Lotti. Direkt neben einem Hühnerpferch werden die „Einmalübernachter“ auf dem Zeltplatz in Neckarsulm untergebracht. Lotti entdeckt gleich, dass die Hühner keine Kinder bekommen können, denn sie haben keinen Gockel. Leider legen sie uns auch kein Frühstücksei.
Lotti füttert die Hühner mit frischem Gras
Zweiradmuseum Neckarsulm
Wieder lockt uns die Sonne morgens aus den Federn. Sprichwörtlich, denn bei meinem Schlafsack ist eine Naht geplatzt. Für heute steht das Zweiradmuseum hier in Neckarsulm auf dem Programm. Die Straße dorthin ist gesperrt. Wir lassen uns davon nicht beeindrucken und parken direkt vor dem Eingang. Auch für nicht Technikversierte ist die Ausstellung sehr interessant gemacht. Im Erdgeschoß kann ich Lotti auf einem Hochrad ablichten, zu unserem Bedauern ist das bei den Motorrädern nicht möglich. In der Sonderausstellung „Roller“ finden wir unser Idealgefährt, einen Roller mit Anhänger. Beim Weiterschauen ein Weltumrundermotorrad mit Beiwagen. Das wäre, im Gegensatz zu einer Goldwing, für mich vom Gewicht her auch zu bewältigen. Aber wir wollen mal mit unserem Moped zufrieden sein. Weil wir das Gepäck um Lotti herum bauen, sitzt sie sicher wie in einem Sessel.
Das Motorrad wäre für Motorradtouren mit Kind auch nicht schlecht
Als ich mir andächtig ein Video der Rallye Paris – Dakar anschaue, fragt mich ein Besucher, ob ich auch mit der Rallye gekommen bin. Ich bestätige, dass auch Frauen auf dem Motorrad an der Rallye teilgenommen haben, ich jedoch leider nicht dazu zähle. Er lacht. „Ich meine die Rallye heute, vom Technikmuseum Sinsheim nach Neckarsulm.“ Tatsächlich, als wir aus dem Museum kommen, steht der Parkplatz voll mit alten Motorrädern, unser erst 10jähriger Youngster unschön mittendrin. Auf der gesperrten Straße parken die Oldtimer-Autos. Jetzt haben wir doch noch die Gelegenheit, die 7-jährige Lotti auf einer 70-jährigen NSU abzulichten. „Mein Opa ist aber vier Jahre älter“, klärt Lotti den Besitzer auf.
Lotti darf eine NSU 501 T von 1929 besteigen
Das Besucherbergwerk in Bad Friedrichshall, in dem auch eine Saurierausstellung untergebracht ist, muss aus Zeitgründen für heute unterbleiben. Wir touren weiter nach Bad Wimpfen, einem weiteren mittelalterlichen Städtchen auf dieser Neckartour. Dort findet heute das 5. Drehleierfestival statt. So ein Glück. Überall in den mittelalterlichen Gassen sind Drehorgelspieler aus aller Welt in historischen Kostümen unterwegs.
Haben wir ein Glück, so viele Drehleierspieler auf einem Fleck
Burg Guttenberg
Ab Bad Wimpfen folgen wir der „Burgenstraße“ bis zur aus dem 12. Jahrhundert stammenden, unzerstörten Burg Guttenberg, die zwei Attraktionen bietet. Einmal im Burgmuseum Geschichten vom „Leben auf der Ritterburg“ und zum Zweiten ist dort die Deutsche Greifenwarte von Claus Fentzloff untergebracht. Wegen der haben wir Neckarmühlbach angesteuert. Wir kommen gerade recht zur Flugschau um 15.00 Uhr. Anschaulich wird das Leben der Uhus, Adler und Geier vorgeführt und erklärt, denn die Greifenwarte züchtet seit vielen Jahren Greifvögel um sie an ursprünglichen Standorten wieder auszuwildern. Beim Rundgang lernen wir viel über diese Vögel, aber auch über die Zerstörung ihrer Lebensräume und direkte Verfolgung von Menschen.
Auf Burg Guttenberg erwarten und zwei Attraktionen
Heidelberg
Wegen der fortgeschritten Zeit
müssen wir ohne weiteren Stopp der Burgenstraße nach Heidelberg folgen und
halten dort nur für das obligatorische Foto vom Schloss.
In der Abendsonne beleuchtet das Heidelberger Schloss über dem Neckar
Mit der Fähre setzen wir von
Neckarhausen nach Ladenburg über. Dort findet endlich das versprochene
Minigolfspiel statt.
Schnell ein Foto und dann mit dem Motorrad auf die Fähre in Ladenburg
Neckarmündung
Nun ist der Neckar bald am
Ziel, über Ilvesheim, Feudenheim nach Mannheim-Neckarstadt begleiten wir ihn
auf seinen letzten Kilometern und nach der Hebebrücke im Industriehafen folgen
wir einem Anliegersträßchen zur Gaststätte Orderstation, um dort die Mündung
des Neckar in den Rhein, bei einem herrlichen Sonnenuntergang, zu passieren.
Die Neckarmündung ist sehr versteckt – gegenüber liegen die Industrieanlagen der BASF
Die vier schulfreien Tage
waren für diese schöne Tour eigentlich zu kurz, eine Ferienwoche hätten wir
einplanen müssen, um mehr von dieser geschichtsträchtigen Gegend zu sehen.
Du möchtest mit Deinem Kind auch Motorradtouren machen? Tipps zu Ausführung und Durchführung findest Du hier und als Download.
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Bei unserer Interrail-Tour im April/Mai 1987 lernten Karen und ich auf der Kykladen-Insel Milos einen Australier kennen. Ein älterer Herr, David, der uns in Milos und später in Athen viel Interessantes zeigte und erklärte. Aus dieser Freundschaft wurde nach der Rückkehr in die jeweiligen Heimatländer eine Brieffreundschaft. In einem der Briefe stand die Einladung, ihn und seine Frau June in Australien zu besuchen.
Kannst Du, junge Leserin und junger Leser, Dich ins Vor-E-Mail-Zeitalter versetzen? Die Kommunikation mit Menschen auf anderen Kontinennten war schwierig und kostenintensiv. Ein Brief zu einem anderen Kontinent wurde aus Kostengründen auf sehr dünnes Luftpostpapier geschrieben. Entweder dünnes Papier und dünner Umschlag, alles in hellblau, der Umschlag war mit roten und dunkelblauen Streifen als Luftpostbrief erkennbar. Auf diesen Brief wurden teures Porto und ein Luftpostaufkleber geklebt. Oder ein vorgefertigtes Blatt, das Briefpapier und durch besondere Falt- und Klebtechnik gleichzeitig Umschlag war, bereits mit Luftpostaufkleber und Porto versehen. Nach Versand des Briefes nach Australien konnte man bei einer prompten Antwort des Empfängers mit einer Rückmeldung in circa sechs Wochen rechnen. David und ich schrieben wöchentlich. Ich, um mein Englisch zu trainieren, er, um mir Korrekturen zuzusenden und für Karen Zeichnungen von australischen Pflanzen und Tieren beizufügen.
Nach der Einladung planten und sparten wir. Ich entschied mich, eine so weite Reise nur mit sehr viel Zeit zu machen. Die Idee, mit dem Zug bis Südchina anzureisen – über die Transsibirische Eisenbahn und weiter nach Süden, und mit dem Schiff weiter nach Perth, verwarf ich aus Zeitgründen und weil das sehr viel kostete. Also blieb nur der Flieger. Wir planten sechs Monate Reisezeit ein. Am 29. September 1989 flogen Karen und ich über Dubai, Bangkok, Jakarta und Bali nach Perth. So feierten wir Karens 6. Geburtstag schon in Westaustralien, bei David und June.
Fremantle
Wir lebten einen Monat in ihrem Haus in Fremantle und in ihrem
Cottage in York. Auf einer Fahrt dorthin, zeigte uns David die örtlichen Devil Marbles,
die nicht so berühmt sind wie die Namensvettern im Norden.
Die Devil Marbles irgendwo zwischen Fremantle und York
Coolgardie und Kalgoorlie
June hatte einen Wochenendtermin in Coolgardie und Kalgoorlie und wir durften sie und David begleiten. Die Goldgräberstädte begeisterten mich sehr. Mit wie viel Mut (der Verzweiflung) die Menschen früher loszogen, in der Hoffnung, ihr Leben zu verbessern. Wenn es mit dem Goldfund klappte. Auf der Rückfahrt machten wir einen Kamelritt. Diese Lasttiere wurden in den späten 1870er Jahren aus Nordafrika nach Australien importiert. In langen Karawanen zogen sie durchs Land und versorgten die Siedler und Farmer im Hinterland mit Waren. Die Karawanenführer und Kameltreiber, die sich mit den Tieren auskannten, wurden gleich mitimportiert. Mit der Erfindung von Lastwägen und später der Trucks, sind die Tiere mehr und mehr „überflüssig“ geworden. Sie wurden in die Freiheit entlassen oder liefen ihren Besitzern davon. In Australien lebt die größte wilde Kamelpopulation der Erde. Heutzutage werden die wilden, gesunden Kamele teilweise eingefangen und zurück nach Nordafrika importiert. Dort werden sie für die Zucht von Rennkamelen für die Kamelrennen der oberen Tausend der arabischen Länder benutzt. Unsere Kamele waren ruhige Tiere und seekrank wurden wir auf unseren Wüstenschiffen auch nicht.
Auf diesen Kamelen wollen wir einen Ritt wagen
Auf den Fahrten mit David und June wurden mir die Dimensionen des Landes langsam bewusst. Trotzdem ich viel gelesen hatte, wusste, wie die Entfernungen sind im Vergleich zu Fahrten innerhalb Europas, dort fühlte ich mich anders. In Deutschland liegen auf 100 Entfernungskilometern Ortschaften, Städte. Gibt es Straßen, Autobahnen, Möglichkeiten anzuhalten und etwas zu erleben oder zu entdecken. In Westaustralien liegen auf 100 Entfernungskilometern mit Glück eine Farm und eine Stadt – die dann allerdings nur 70 Einwohner hat, die weit verstreut auseinander wohnen. Ich hatte geplant, mit Motorrad und Zelt Westaustralien zu erkunden. Für Karen und mich hatte ich die komplette Motorradausrüstung, Helme, Stiefel, Hosen, Jacken und Packtaschen dabei. Diese Reiseart erschien mir nach diesen Eindrücken nicht realisierbar. Motorrad und Zelt würden mir zu wenig Sicherheit und Schutz bieten. Gerade die Versorgung mit Sprit und Wasser wäre schwierig. So entschied ich mich dafür, einen Kleinbus zu kaufen. David half mir bei der Zeitungslektüre der Verkaufsanzeigen und fuhr mich zum Verkäufer, bei dem ich einen „Toyota Hiace Longbase“ entdeckt hatte. In einer Werkstatt ließ ich ihn technisch überprüfen und für eine lange Reise vorbereiten. Das Fahrzeug hatte innen im hinteren Teil zwei langgestreckte, flache Kästen eingebaut. Die Deckel davon, zwischendrin mit einem Brett versehen, ergaben eine große Liegefläche. Das Brett bekam zwei Ansteckfüße, so dass es auch als Tisch fungieren konnte. Matratzen, einen Nachtisch als Schrank, Töpfe, Geschirr und Besteck kaufte ich Second Hand und baute alles ein. Stoff für Vorhänge und Spannvorrichtungen für die Fenster fand ich ebenfalls, June lieh ihre Nähmaschine. Wichtigste Errungenschaft war das Buch: Australia on a Budget. David lieh uns Gartenstühle, Tisch und Schlafsäcke und schon waren wir ausgestattet. Da wir vorhatten, ins Outback zu fahren, hatten wir 80 l Trinkwasser in Plastikkanistern, zwei Ersatzräder und 40 l Ersatzsprit in Stahlkanistern immer an Bord.
Unser Toyota – liebevoll Riese Timpetu genannt
Auf dem Fremantle Market deckten wir uns noch mit haltbaren Lebensmitteln ein. Vor kurzem erst hatte ein Deutscher Bäcker seine Backstube eröffnet und wir kauften vier Vollkornbrote. In Handtücher gewickelt, hoffte ich, dass sie drei Wochen haltbar sein würden. An einem Teestand diskutierten Karen und ich über die Teesorten, die wir unterwegs trinken wollten. Und bekamen eine tolle Beratung in deutscher Sprache. Die Teeverkäuferin, Angela, war erst vor wenigen Jahren nach Fremantle ausgewandert. Sie hatte eine Tochter in Karens Alter und wir versprachen, sie zu Weihnachten zu besuchen, wenn wir von unserer Tour wieder zurück wären.
Wildblütenzeit Westaustralien
Am 1. November fuhren wir auf eigene Faust los – Richtung Norden. Ich fuhr bewusst durchs Farmland und entlang der „Wildblütenstrecke“, die ich in einem touristischen Hinweis der Gegend gefunden hatte. Es ist unglaublich, welche Blütenvielfalt im australischen Frühling im Outback zu sehen ist.
Auf der Wildblütenstrecke entdeckten wir diese Banksia
Perenjori
Nach nur 345 km hatte unser Fahrzeug eine Motorpanne. Vermutlich hatte die Werkstatt die Ölablassschraube nicht richtig eingedreht und wir verloren während der Fahrt das komplette Öl. Was die Ölanzeige aber nicht anzeigte. Wir standen mitten im Nirgendwo. Kurze Zeit später hielt ein Fahrzeug, ein Aborigine stieg aus und hörte sich das Motorengeräusch an, sehr laut und definitiv ohne Schmiermittel. Im nächsten Städtchen, Perenjori, würde ein Mechaniker wohnen, er würde uns dorthin abschleppen. Der Mechaniker im nächsten Städtchen, Merv, konnte uns leider mit der Reparatur nicht helfen. Er arbeitete mittlerweile als Graderführer und hatte keine Werkstatt oder Werkzeuge mehr. Aber Australier finden immer eine Lösung. Schnell wurde ein Familienausflug nach Morava geplant und wir mit unserem Hiace die 40 km bis zur dortigen Toyota-Werkstatt abgeschleppt. Dort erfuhren wir, dass der Motor Totalschaden war und eine Ersatzbeschaffung zwei Wochen dauern würde. Nein, im Fahrzeug könnten ich und meine Tochter in der Zeit nicht wohnen. Was nun? Fiona und Merv schlossen sich per Blickkontakt kurz. Sie luden uns ein, diese Zeit bei ihrer Familie zu bleiben. So packten wir einige Kleidung zusammen und fuhren zurück nach Perenjori. Eines der vier Kinder zog zu einem Geschwisterkind und wir bekamen das geräumte Kinderzimmer. Fiona freute sich über unseren Austausch von Frau zu Frau und die Unterstützung im Haushalt. Karen hatte sich bisher geweigert Englisch zu sprechen. Sie begründete das mit der Angst, die deutsche Sprache zu verlernen und zuhause dann nicht mehr mit ihren Freunden und ihrem Papa sprechen zu können. Nun hatte sie aber keine Chance. Sie freundete sich schnell mit den Kindern an. Drei Tage später ging sie mit ihnen in den Kindergarten und sprach bald sogar mit mir Englisch. An manchen Tagen brachten wir Merv das Mittagessen irgendwo in den Bush, wo er die Gravelroads der Umgebung mit seinem Grader instand hielt.
Karen durfte zu Merv ins Führerhaus klettern
In die Zeit unseres Aufenthalts fiel das Pferderennen Melbourne
Race, überall versammeln sich Menschen um das Rennen im Fernsehen zu sehen und
zu feiern. Die Frauengemeinschaft in Perenjori traf sich jedes Jahr zu diesem
Anlass im Sportzentrum. Pflicht war das Tragen eines selbstgebastelten Hutes
und man musste eine selbstgemachte Speise mitbringen. Meine Schwarzwälder
Kirschtorte kam sehr gut an. An einem Sonntag wollte Merv uns Bushtucker kochen
und dazu fuhren wir zu einem Barbecueplatz in der Umgebung. Auf dem Buschfeuer
bereitete er Känguruschwanz schmackhaft zu.
Merv hat Känguru geschossen und bereitet den Schwanz in einer Pfanne auf dem Buschfeuer zu
Mitte November war unser Fahrzeug fertig. Wir nahmen von der Familie Abschied, es waren fantastische zwei Wochen. Jetzt erst entdeckte ich meine guten Vollkornbrote in einem Staukasten, die mittlerweile total verschimmelt waren. Wie schade! Da wir nicht unentwegt „Lappertoast“ essen wollten, kauften wir Haferflocken und freuten uns täglich auf unser Frühstück. Haferflocken mit Kakao, Zucker und Milch habe ich schon als Kind geliebt.
Karen beim Frühstück, mehr brauchts nicht, um glücklich zu sein
Ursprünglich hatte ich vor, bis in die Kimberleys zu fahren. Bei unserer Reisegeschwindigkeit war das jetzt nicht mehr ratsam. So bogen wir in Meekatharra nach links (Westen) ab, denn wir wollten durchs Outback nach Carnarvon ans Meer fahren.
Karen posiert vor dem Rathaus, Shop und Hotel in Meekatharra
Am gestrigen Tag hatten wir links vor uns dicke schwarze
Wolken gesehen. Die hatten starken Regen gebracht und wir waren sehr froh, dass
die Straße nicht mehr überflutet war.
Wir können trotz Teilüberflutung weiterfahren, ansonsten bliebe nur: Abwarten
Mount Gould
Schon bald passierten wir die alte Polizeistation von Mount Gould, die 1888 errichtet worden war. Wie müssen sich die Aboriginestämme gefühlt haben, mit den weißen Eroberern? Ihre jahrtausendalte Kultur wurde missachtet, die herumstreifenden Sippen eingesperrt, auch in diesem kleinen Gefängnis.
Karen steht vor dem ehemaligen Gefängnis der 1888 errichteten Mount Gould Police Station
Bei der weiteren Fahrt nahm ich neben der Straße eine ungewöhnliche
Bewegung wahr und machte eine Vollbremsung. Ich schaute erst lange, bevor wir
uns aus dem Auto trauten und den Waran aus gebührende Entfernung betrachteten.
Eine in Deutschland beheimatete Eidechse ist ja ein wirklicher Zwerg gegen die
australischen Großechsen.
Der Waran ist über einen Meter lang
Station mit Schafzucht
In der Landkarte hatte ich auf der Strecke von Meekatharra
nach Carnarvon eine Station, eine australische Farm, eingezeichnet gesehen. Ich
traute mich nicht, ganz und gar allein im Nirgendwo zu stehen und hatte vor,
dort zu halten. Wir fragten bei dem Stationer, Jack, nach, ob wir irgendwo in
der Nähe des Hauses mit unserem Bus stehen könnten. Wir durften und erhielten
eine Einladung zum Abendessen. Jack bewirtschaftete die Station allein, hatte
nur manchmal einen Gehilfen. Er war richtig glücklich über den überraschenden
Besuch. Die Schaffarm versorgte 7.500 Tiere. Leider war das Schafscheren für
diese Saison vor einigen Tagen zu Ende gegangen. Wie schade, das wäre bestimmt
spannend zu erleben gewesen. So teilte ich Jack meine Gedanken mit. Es würden
auf den Weiden bestimmt noch einige Schafe herumwandern, die sich vor dem
Scheren gedrückt hätten, die wolle er in den nächsten Tagen noch aussondern. Ob
ich Lust hätte, ihm dabei zu helfen? Na klar! Karen und ich hatten Lust und so
blieben wir insgesamt 16 Tage dort. Ich half im Haushalt und bei der Farmarbeit.
Gleich am nächsten Morgen stiegen wir drei in den Toyota-Pickup und fuhren auf
eine entfernte Weide. Jack erklärte, dass er alle paar Tage die Wassertröge auf
den Weiden reinigen müsste. In der Hitze veralgen diese sehr schnell. Schafe
sind da sehr empfindlich und trinken nur sauberes Wasser, ohne Grünzeug. Mit Bürste
und Besen ging er den Algen an den Kragen. Das war einfach und ich machte am
zweiten Trog zeitgleich mit. Karen versuchte, die Schafe zu streicheln.
Hauptsächlich die Lämmchen hatten es ihr angetan, aber die waren zu fix.
Jack reinigt einen Wassertrog, die Schafe warten auf sauberes Wasser
Die Tröge wurden mit Wasser aus großen Tanks versorgt, die immer an einer Kreuzung von vier Schafweiden stehen. Bei diesen Tanks wohnen große Schwärme von Rosellas, wunderschönen Papageien. Die im Sitzen auf dem Tankrand sehr unscheinbar grau aussehen. Fliegen sie los, meist mit viel Gekreische und Spektakel, sieht man die rosa Unterseite der Vögel, die auch Namensgeber waren.
Graues Obergefieder und einen rosa Schopf – Rosellas bei einem Wassertank
Die Schafweiden sind riesig groß und wegen des zerklüfteten Geländes nicht überschaubar. Eine Windmühle pumpt fortwährend Wasser in diese Tanks, wenn sie nicht gerade kaputt ist und repariert werden muss.
Jack ist oben im Antrieb der Windmill bei der Reparatur nur schwer zu erkennen
Ich lernte in der näheren Umgebung der Station den Landrover
fahren, der technisch einige Macken hatte. Bald schaffte ich es sogar durch die
trockenen Flussläufe, die in der Regenzeit bis oben gefüllt sein würden.
An diesem Flussbett lerne ich Landroverfahren
Jacks Trick, die Schafe auf eine Nachbarweide zu treiben und die ganze Herde zu erwischen, ist recht ausgebufft. Er stellt am Tank die Wasserversorgung um, das Wasser fließt auf der Nachbarweide in den Trog. Den Wasserzulauf zum Trog auf der leergefressenen Weide stellt er aus. Schafe müssen nach spätestens drei Tagen trinken, sind also maximal eineinhalb Schaftagemärsche vom Wasser entfernt. So fährt Jack an drei aufeinanderfolgenden Tagen zur Weidenkreuzung. Die durstigen Schafe stehen am trockenen Trog und warten. Sie riechen das Wasser auf der anderen Seite des Weidezauns. Jack öffnet das Gatter zur Nachbarweide und er und die Hütehunde versuchen, die Schafe durch das Gatter zu bekommen. Aus irgendeinem Grund sehen die das offene Gatter aber nicht, sondern kreiseln ängstlich immer enger umeinander, immer am Zaun entlang. Irgendwann kommt diese kreiselnde Herde zum offenen Gatter und die ersten Tiere fallen in die Öffnung. Erschrocken springen sie auf, machen einen hohen Satz und rennen mit lautem Gemähe los. Sofort springen die anderen mit einem hohen Satz über den nicht vorhandenen Zaun. Dabei geht es sehr laut und sehr staubig zu, aber es sind beeindruckende Bilder.
Die Schafe haben endlich das offene Gatter gefunden. Einige springen, denn der imaginäre Zaun muss überwunden werden. Deutlich sind einige Wollies zu sehen, die den Scherern durchgegangen sind
Dabei versuchte Jack im Vorfeld, die nicht geschorenen
Schafe von den geschorenen zu trennen. Dazu durfte ich mit dem Motorrad
zwischenrein fahren und die ungeschorenen Schafe von der Herde entfernen. Da
hatte es doch ein Gutes, die Motorradausrüstung dabei zu haben!
Meine Motorradausrüstung benötige ich zum Schafetreiben auf der Station
Schafe scheren
Einmal fanden wir ein Schaf, dass sich bereits drei Jahre vor dem Scheren gedrückt hatte. Die Wolle war mittlerweile so lang, dass es, nachdem es sich vollgetrunken hatte, so schwer war, dass es nicht mehr auf die Beine kam. Es wurde von Jack auf dem Motorrad zur Station gefahren. Als wir etwa 100 Woolies zusammen hatten, machten wir einen Schertag. Gleich morgens um sechs Uhr begannen wir. Beim ersten Schaf zeigte mir Jack die Schritte, die er von mir als Schergehilfin erwartete. Er selbst, der in seinen jungen Jahren als Schafscherer durch Australien gezogen war, übernahm das elektrische Schergerät. Ich musste im Pferch neben dem Sheeringshed ein Schaf einfangen, durch die niedere Tür in den Shed ziehen und auf den Hinterbacken vor ihn hinsetzen. Dann schälte er die Wolle des Schafs wie eine Banane ab. Alles in einem Stück. Das abgeschorene Vlies lag in der Form eines zusammengeschlagenen Schaffells da. Nun sollte ich das Bündel an einer bestimmten Stelle als Ganzes aufnehmen und mit einem nach oben gerichteten Wurf auf den Sortiertisch werfen, so dass es sich ausbreitete. Nun wurde die Bauch-, Hinterbein-, Hals- und Popowolle mit fixen Bewegungen abgezupft und in die entsprechenden Sortiersäcke geworfen. Die wertvolle Rückenwolle wurde je nach Qualität sortiert. Damit kam ich klar, auch mit den Qualitätsunterschieden. Ich habe zuhause ein Spinnrad und spinne selbst Schafwolle und habe für die unterschiedliche Wollqualität ein Gefühl in den Fingern.
Das Wollvlies eines Schafs, das der Schafschur drei Jahre entgangen war
Nun war der Ablauf klar. Nur, Jack benötigte maximal drei Minuten für das Scheren eines Schafes! Ja, er wäre etwas außer Übung, früher hätte er es unter zwei Minuten geschafft. Uff! Also, Schaf holen und vor ihn setzen, Vlies vom Vorgängerschaf aufnehmen, auf den Tisch werfen, Wolle abzupfen und in Säcke schmeißen, durch die niedere Tür in den Pferch rennen, Schaf holen und wenn Jack ein völlig verdattertes, gefühlt nacktes Schaf, in den Pferch der geschorenen Schafe entließ, musste ich das Schaf bereits auf den Pobacken unter der Schermaschine sitzen haben und gleich das Vlies aufnehmen, auf den Tisch werfen….
Es war stressig, manchmal gab es einen Schluck Wasser, aber wir waren bis mittags fertig. Fix und fertig, staubig, verschwitzt, müde und hungrig. Als letztes Schaf schor er das mit dem drei Jahre gewachsenen Vlies. Das Vlies war so riesig, dass Jack mir helfen musste, es aufzunehmen und auf den Tisch zu werfen.
Karen verbrachte den Vormittag mit den Hunden, versuchte ihnen Kunststücke beizubringen und tröstete die nackten Schafe, dass die Wolle bald wieder wachsen würde und es doch warm genug sei, und sie die Wolle doch gar nicht benötigen würde.
Diese Schafe hat Jack an einem Vormittag geschoren
Mount Augustus
Nach so anstrengender Arbeit unternahm Jack mit uns einen Ausflug
zum wirklich allergrößten Monolithen der Welt, dem Mount Augustus, der nur
ungefähr 100 km nördlich von Jacks Station liegt.
Die Westaustralier behaupten, dass Mount Augustus der weltgrößte Monolith istDer Mount Augustus wirkt nicht so imposant wie der Ayers Rock und ist teilweise bewachsen
Er zeigte uns auch seinen Lieblingsplatz auf seiner Station,
einen uralten Whitegumtree.
Der Platz am großen Whitegumtree ist Jacks Lieblingsplatz auf seinem Grundstück
Nach einigen Tagen schickte er mich allein auf die weit
entfernten Weiden zum Trogreinigen. Ich fuhr gerne mit dem Motorrad, aber in
meiner Sommermotorradkleidung wurde mir immer heißer. An der Weide angekommen,
legte ich mich der Länge nach in voller Montur in den Trog zum Abkühlen. Leider
waren Jacke und Hose vor der Rückfahrt schon wieder trocken. An einem anderen
Tag saßen wir im Landrover, als ein Emu auf der benachbarten Weide immer am
Zaun entlang vor uns Reißaus nahm. Eine wunderschöne Aufnahme.
Ein Emu rennt in vollen Lauf neben unserem Landrover her, statt abzubiegen
Wir übernachteten eine Nacht mit Jack im Bush und hatten
abends ein schönes Lagerfeuer. Morgens lernte ich Damper, das australische
Fladenbrot zu backen, dass wir uns auf unserer weiteren Reise immer wieder
zubereiteten. Am Morgen fanden wir eine frische Felszeichnung vor, gerade erst
von der Sonne gemalt.
Diese „Felszeichnungen“ sind frisch von der Sonne hergestellt
Zum Dank für unsere Hilfe auf der Station füllte uns Jack
den Benzintank voll. Er lud uns in seine Flat (Appartement) in Perth ein, dass
seiner Großfamilie gehörte und bei Besuchen in Perth genutzt wurde. Er wollte
uns mit zur Wollauktion in Fremantle kurz vor Weihnachten mitnehmen, wenn er seine
Wolle verkaufte. Wir sagten zu, das Spektakel wollte ich mir nicht entgehen
lassen.
Coral Bay
Von Carnarvon fuhren wir am Meer entlang nach Norden, nach Coral Bay. Vor dem Städtchen liegen wunderbare Korallenriffe, bunte Fische schwimmen im Meer. Mit einem Glasbodenboot fuhren wir hinaus, um die Fische und Korallen im Wasser betrachten zu können.
Unser Aussicht ins Meer beim Glasbottemboat fahren
Murchison River
Wir machten uns auf den Rückweg nach Fremantle. In Monkey-Mia
spielten wir mit den Delfinen im Wasser und machten am Murchison-River eine
schöne Wanderung. Die unterschiedlichen Grüntöne der Pflanzen tat uns in den
Augen gut.
Der Murchison River, sogar mit Wasser und richtigem Grün
Ich kam mit unserer Outdoorküche mittlerweile sehr gut
zurecht, Karen half immer mit beim Schnippeln und Damperteig matschen.
Wir haben fast ausschließlich auf offenem Feuer gekocht
Kurz vor Weihnachten kamen wir in der Flat von Jacks
Großfamilie an. Wir verbrachten einige Tage mit ihm, seinem Bruder und
Schwägerin, die alle zur Wollversteigerung gekommen waren. Weihnachten fuhren
wir mit David und Juni in die Margret River Region. Auf dem Rückweg nach
Fremantle kam uns dieser großartige Christmastree unter. Der seinen Namen nur
deshalb hat, weil er um die Weihnachtszeit blüht.
Der Baum blüht um die Weihnachtszeit und heißt daher Christmastree
Obwohl es zwischenzeitlich immer mal wieder etwas geregnet
hatte, waren wir doch sehr erstaunt, im Landesinneren, etwa 30 km von der
Küste, dieses Schild am Straßenrand zu entdecken.
Das Schild hat uns eher verwirrt
Wir quartierten unser Auto im Hof unserer Bekanntschaft vom Teekauf im Fremantle Market, bei Angela und ihrer Familie, ein. Karen konnte mit ihrer neuen Freundin nach Lust und Laune deutsch quatschen und wir hatten mit der Familie eine atemberaubende Silvesterfeier im Fremantle Stadion, auf ins neue Jahrzehnt, die 1990er Jahre.
Karri Wälder
Am 1.1.1990 fuhren Karen und ich zum Flughafen nach Perth,
denn mein Lebenspartner Bruno würde die nächsten sieben Wochen mit uns reisen.
Wir verbrachten zu seiner Eingewöhnung noch zwei Tage bei unseren neuen
Freunden, er lernte auch Jack, David und June kennen und dann machten wir uns
auf nach Süden. Die Landschaft Südwestaustraliens ist atemberaubend schön, hat
eine gemäßigteres Klima als der Norden und wunderbare Natur. Sehr beeindruckend
sind die Wälder mit den Karri-Bäumen. Allein bei der Fahrt durch diese Giganten
haben wir gemerkt, wie klein und unbedeutend wir Menschen sind.
Der Pfeil zeigt auf Karen, die an der Baumwurzel des Karritree stehtIn der Wurzelhöhle des Baumes kann man ohne weiteres Wohnen, so geräumig ist die Lücke
Wir verbrachten im Süden Westaustraliens bei Albany, in der
Region Denmark, zwei Tage am Meer und genossen die Abkühlung.
Wir genießen einige Stunden am Meer, in der Region Denmark in Westaustralien
Stirling Ranges
Unser Ziel der Reise lag in Victoria, in Geelong. Brunos
Tante war Anfang der 1950er Jahre mit ihrem jugoslawischen Mann nach Australien
ausgewandert. Bruno kannte sie von ihren Besuchen in der alten Heimat, hatte
aber seinen Cousin und seine Familie noch nie kennen gelernt. Von Albany nach
Norden durchquerten wir die Stirling Ranges. Ein Schild wies darauf hin, dass
der höchste Berg der Ranges, der Bluff Knoll, bestiegen werden kann. Na dann!
Den Berg wollen wir besteigen, Bluff Knoll in den Stirling RangesMit frohem Mut beginnen wir den Aufstieg auf den Bluff KnollDie letzten Meter zum Gipfel sind steil. Die Fliegennetze schützen uns vor den sehr lästigen Fliegen. Im Hintergrund das platte Weizenland nördlich der Stirling Ranges
Bei der Abfahrt vom Wanderparkplatz wartete ein Wallaby auf
Touristen. Brunos Erdnüsse mussten dran glauben. Das Wallaby wusste sogar, wie
Erdnüsse aus der Schale gepuhlt werden!
Das Wallaby saß am Straßenrand und hat auf Touristen mit Futter gewartet, im Beutel sitzt ein Joey (Baby), ein Ohr und einen Fuß kann man erkennen
Nullabor Plain Road
Kurz nach Norseman begann der ernstere Teil der Fahrt. Die Durchquerung des Nullarbor Plains war eine echte Herausforderung. Damals fuhren recht wenige Fahrzeuge die Strecke. Die meisten Menschen bewegten sich mit dem Flieger zwischen West- und Ostaustralien, wenige mit dem eigenen Fahrzeug. Telefone waren damals Geräte, mit Wählscheibe oder, sehr modern, mit Tasten, die meist an die Wand geschraubt in Wohnungen oder Telefonhäuschen hingen. Ein Mobiltelefon war ein nicht denkbares Ding. Etwa alle 150 bis 200 km gibt es auf der Strecke eine Raststätte, ansonsten ist das Gebiet menschenleer. Bei einer Panne musste man also warten, dass ein Fahrzeug kommt und die Insassen hilfsbereit sind.
Adelaide ist die nächste Stadt. Balladonia und Eucla sind nur Rasthäuser am Null Arbor
Nullarbor kommt teils aus dem lateinischen, Arbor ist der
Baum. Null Arbor somit null Bäume. Aber das stimmt meines Erachtens nicht. Immer
wieder tauchen halbhohe Bäume auf, die durch den starken Wind gebogen sind. Ich
habe schon von vielen Menschen gehört, dass die Landschaft am Nullarbor sehr
eintönig und langweilig sei. Ich persönlich finde sie ausgesprochen spannend.
Ich bemühe mich, die Nuancen wahrzunehmen, die unterschiedlichen Pflanzen, die
Tiere zu entdecken, die auf großen Schildern angekündigt werden.
Na dann, passen wir die nächste Stunde aber genau auf!
Nach über 600 km erreichten wir die Grenze von Westaustralien
zu Südaustralien. Die drei Häuser dort nennen sich stolz Border Village. Die
Bewohner haben einen Schilderbaum aufgestellt, der die Dimensionen des Landes
und der Entfernungen zu anderen Kontinenten hervorhebt.
Am Roadhouse von Bordervillage, der Grenze zwischen West- und Südaustralien, steht dieser Schilderbaum
Es wurde immer recht früh dunkel und wir lagen im Outback
flach auf dem Rücken mit einer Taschenlampe in der Hand. Bruno hatte ein Buch
über den südlichen Sternenhimmel gekauft und wir suchten den Himmel nach den
gezeigten Sternbildern ab. Die Taschenlampe half dabei sehr, auch wenn das
unwahrscheinlich klingt. Es ist am Nullarbor wirklich dunkel, stockfinster. Und
ein Taschenlampenstrahl ist dann wirklich ein Strahl in der Dunkelheit, dem man
folgen kann, auf dem Weg nach oben. Manchmal nähert sich die Straße der
Südküste sehr und von einem Parkplatz hatten wir eine tolle Aussicht auf das
brodelnde Meer unter uns. Die Küste, aus weichem Kalk geformt, wird vom Meer
immer weiter dezimiert.
Bei stürmischen Wetter peitscht die See die Südküste Australiens
Fast täglich hatten wir Reifenpannen. Mal nur Plattfüße, die wir an der nächsten Tankstelle aufpumpen konnten. Mal richtige Reifenschäden, die wir in der nächsten Werkstatt durch neue runderneuerte Räder ersetzten. Ich vermute mal, dass wir grundsätzlich die falschen Räder auf dem langen Fahrzeug hatten.
Reifenwechsel war eine fast tägliche Beschäftigung
Einmal hatten wir die Schrauben der Räder nicht richtig
angezogen und nach wenigen Kilometern gab es einen Ruck, das linke Hinterrad
überholte uns davonhüpfend im Buschland und das Fahrzeug sackte nach links
hinten ab. Ich bremste vorsichtig, um die Bremstrommel und Radaufhängung nicht
kaputt zu machen. Wir machten uns auf die Suche nach dem Rad. Als wir es
ziemlich schnell fanden, wurde uns das wahre Problem sehr schnell bewusst. Wir
hatten keine Radmuttern, außer denen, mit denen das Rad befestigt gewesen war.
Und die waren davongeflogen. Ich machte mich mit Karen auf die Suche und wir
gingen die Straße entlang zurück. Karen fand tatsächlich drei der fünf
Schrauben! So rettete sie die Weiterfahrt bis zum nächsten Rasthof, in dem wir
die Bremstrommel und Radaufhängung kontrollieren ließen. Alles war
unbeschädigt.
Nach vier Tagen auf dem Nullarbor kamen wir in Ceduna an und
fuhren auf den Campingplatz. Endlich Zivilisation und ein kühles Bier im Pub.
Ein Besucher fragte nach dem Woher und Wohin und bot sich uns für den nächsten
Tag als Fremdenführer für die Sehenswürdigkeiten der Umgebung an. Uns hat auf
der Reise das Spontane der Menschen immer begeistert. Die Hilfsbereitschaft und
der Stolz auf ihre Heimat. Dankend nahmen wir das Angebot an und fuhren im
klimatisierten Auto durch die Landschaft, die vom Weizenanbau geprägt ist. Eine
geologische Besonderheit sind Felsformationen, die an überdimensionierte
Heustöcke erinnern.
Unser Fremdenführer aus Ceduna führt und zur Felsformation Haystacks
Die Fahrt ging weiter an einen Küstenabschnitt, in dem Seehunde ihren Lagerplatz haben. Der Gestank bis hinauf zu uns war atemraubend.
Weitere Attraktion um Ceduna ist die Seehundkolonie
Um die Freundlichkeit des Australiers mit einem eigenen
Ereignis zu toppen, rauschte aus dem Nichts eine Windhose auf uns zu, drehte
aber kurz vor dem Auto ab.
Die Hitze begünstigt die Bildung von Windhosen
Gorge Wildlife Park
Wir fuhren, mit Frischwasser und Nahrungsmitteln versorgt, weiter nach Port Augusta, wo kurz vorher ein besonderes Museum, das Wadlata Outback Centre eröffnet hatte. Ein magischer Ort, um die Geschichte der Besiedlung des Kontinents zu begreifen. Der durch die Aborigine vor über 50.000 Jahren und der durch die Weißen, vor erst 200 Jahren. Weiter ging es nach Adelaide. Wir schnupperten ein paar Stunden Großstadtflair und fuhren dann den Pass hinauf zum Gorge Wildlife Park. Dort sind die einheimischen Tiere in großen, von Besuchern begehbaren Gehegen untergebracht. Einige, wie das Wombat mit seinen scharfen Zähnen, sind in Kleingehegen vor neugierigen Kindern geschützt.
Karen lässt sich das Wombatfüttern nicht nehmen. Die äußerst beißfreudigen Tiere sind hinter Gittern untergebrachtKaren möchte die Kängurus dressieren, das endet ein wenig später in einem Boxkampf, den Karen verliert
In einer der Ortschaften, die wir auf dem Weg ins Barossa
Valley durchfuhren, war ein Spielplatz angelegt, der nicht nur für Kinder
gedacht war. Ausrangierte Lokomotiven, hohe Klettergerüste und besondere
Schaukelpferde lockten uns aus dem Auto.
Die witzigsten Schaukelpferde der Welt – für Mutter und Kind geeignet – herrlich
Barossa Valley
Im Ort Hahndorf lernten wir am Freitagabend im Pub ein Ehepaar kennen. Sie luden uns ein, unseren Bus die nächsten drei Tage in ihrem Hof zu parken. Am Wochenende fände die Feier zur Gründung von Hahndorf vor 151 Jahren statt. Das Spektakel ließen wir uns nicht entgehen. 52 Familien, vorwiegend deutsche Lutheraner aus Schlesien, flohen 1839 vor Glaubensverfolgung. Mit einem Schiff, vom dänischen Kapitän Dirk Hahn gesteuert, landeten sie am anderen Ende der Welt, in Adelaide an. Die Siedler bekamen ein Gebiet oberhalb der Stadt zugewiesen. Aus Dankbarkeit für die sichere Überfahrt nannten sie die Siedlung nach dem Kapitän, Hahndorf. Der fruchtbaren Boden eignete sich zum Gemüse- und Obstanbau. Die fleißigen Bewohner bauten ab 1842 bereits Wein an, die Gegend ist heute die weltweit berühmteste australische Weinregion.
Am Samstag fanden landwirtschaftliche Wettkämpfe statt. Ich
beteiligte mich am Heuballenweitwurf. Rechteckige Strohballen mussten mit
Wurftechnik und Muskelkraft möglichst weit geworfen werden. Die Weite wurde dort
gemessen, wo der Strohballen liegen blieb. Mein Strohballen hatte so viel
Speed, dass er sich nach dem ersten Landen mehrfach überschlug und so belegte
ich den zweiten Platz. Der Preis war eine gläserne, etwa 25 cm hohe
Kristallblumenvase aus Italien!
Am Sonntag wimmelte das Örtchen vor Menschen. Wir standen am
Straßenrand und winkten den historischen Gefährten und Musikkapellen des
Festumzugs zu.
Der Festumzug in Hahndorf zur Gründung der Stadt lockt Besucher von nah und fern
Geelong
Nun mussten wir uns sputen, denn Ende Januar hatten wir uns in Geelong bei Melbourne bei der Verwandtschaft angemeldet. Mit ungemütlich kaltem Regenwetter fuhren wilongr den Great-Ocean-Highway mit den 12 Aposteln entlang und kamen durchgefroren bei der Familie an. Wir wurden herzlich aufgenommen und feierten drei Geburtstage, unter anderem meinen. Den wollte ich dieses mal im heißen Sommer feiern, aber es war regnerisch bei nur 20°. Karen ging für zwei Wochen in den Kindergarten in Geelong, den auch ein japanisches Gastkind aus Hiroshima besuchte. Die Erzieher baten uns Eltern, einen Vormittag mit den Kindern zu kommen und typische Speisen aus der Heimat mitzubringen. Auf der großen Landkarte zeigten die Kinder, wo sie zuhause sind, Karen sang einige deutsche Kinderlieder und das japanische Mädchen führte einen Tanz im Kimono vor.
Karen erklärt den Kindern auf der Landkarte, wo Deutschland liegt
Ray ging mit uns auf einen Public Golf Course in Australien. Die sind dort so häufig, wie bei uns Minigolfplätze und kosten ähnlich wenig Eintritt. Wir hatten viel Spaß, auch weil wir die Bälle nicht immer trafen.
Ray nimmt uns mit zu einem Public-Golf-Course und ich schlage meine ersten Golfbälle, versuche es zumindest, aber dieser Schlag ging vorbei
William Ricketts Sanctuary
Ein letzter gemeinsamer Ausflug führte uns zum Mount Dandenong, zum William Ricketts Sanctuary. William Ricketts lebte viele Jahre mit Aborigines im Outback und lernte ihre Kultur schätzen. Er erkannte schon in den 1920er Jahren, dass die so genannte Zivilisation Lebensraum und Leben zerstört. Er wünschte sich ein Australien, in dem nach der Spiritualität der Aborigine, mit Respekt vor der Natur gelebt und gehandelt wird. Seit 1938 töpferte er seine Figuren und platzierte sie überall auf der großen Lichtung mit Riesenfarnen in den Dandenongs. Immer wieder kehrte er für mehrere Monate zu seinem Aboriginestamm zurück, um mit ihm zu leben. Wir lernten ihn in seinem Werkschuppen kennen, er war damals bereits 92 Jahre alt, er starb 95jährig. Ich empfinde seine Botschaft als sehr politisch und immer noch höchst aktuell.
Die Aborigine bewachen die Natur, die die Weißen immer mehr zerstörenDie Waffenlobby ist verantwortlich für viele tote Menschen und TiereÜberall stehen im Unterholz des Waldes in William Ricketts Sanctuary Figuren
Mein Fazit der Reise: wir
hatten ungeheuer schöne Erlebnisse mit unseren Mitmenschen in Australien und
haben langjährige Freundschaften geschlossen. Die Natur, die Landschaft hat uns
sehr fasziniert, täglich gab es Neues zu entdecken. Eine Vielzahl, die den
Beitrag sprengen würde. Wir haben beim Reisen immer eine grobe „Marschrichtung“,
aber selten einen sklavischen Zeitplan und können uns so auf die Zufälle und
Begegnungen einlassen.
Wie habe ich das mit Wohnung und Job gemacht? Wir hatten unsere Wohnung untervermietet. Ich hatte vor der Reise so viel Geld gespart, dass wir acht Monate kein Einkommen benötigten. Die sechs Monate während der Reise und zwei Monate nach der Rückkehr, während der neuen Jobsuche. Allerdings nahm mein Chef meine Kündigung nicht an, sondern gab mir stattdessen unbezahlten Urlaub, hurra. So hatte ich mehr Reisegeld. Das allerdings der Motorschaden des Hiace aufgefressen hat.
Unseren Hiace habe ich in Melbourne wieder verkauft, zwar mit Verlust gegenüber dem Einkaufspreis, aber er hatte uns fast fünf Monate als Zuhause gedient. Das war auf jeden Fall billiger, als für fünf Monate ein Mobil zu mieten.
Karen kam zuhause mit
Kindergarten, Sprache, Papa und ihrem alten Leben wieder gut zurecht. Auch ich
war schnell wieder im Alltag. die Eindrücke und Freundschaften begleiten uns
aber bis heute!
Jeder und Jedem, der solche Reiseträume hat, kann ich nur empfehlen: planen und machen! Es geht! Und erst recht mit Kind!!
Sehr viel Spaß wünsche ich
Dir bei Deiner Umsetzung!
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Motorradfahren und Kultur,
dass lohnt sich besonders im Elsass. Um die Fahrpraxis nach der
Führerscheinprüfung von Karen zu erhöhen, nahmen wir uns eine AnfängerkulTour
vor. Kurvige Strecken, pittoreske Dörfchen, Burgruinen, französische Lebensart
und leckeres Essen machten die Reise perfekt.
Als Karen an der letzten roten Ampel vor der Autobahn das Visier öffnen will, ist die Bewegung zu ruckartig, sie rutscht von der Stiefelspitze und kippt mitsamt dem erst 264 km gefahrenen neuen Moped um. Mist! Ich fahre zur Seite und stelle die Honda Vigor ab. Zusammen heben wir die kleine Honda, XLR 125 hoch und rollen sie auf den Randstreifen. Es ist ein wenig Benzin ausgelaufen, der Handprotektor ist etwas zerkratzt und der rechte Blinker schielt ab jetzt. Wir lassen die Maschine wieder an, sie kommt sofort.
Wir verlassen die Autobahn nach 60 km wieder, denn wir haben das Rhein-Neckar-Dreieck bereits hinter uns und kommen auf der B 38 auch gut voran. Mein Adrenalinspiegel erhöht sich zwei mal schlagartig, als Autofahrer jeweils sehr knapp vor Karen einscheren, einer sie sogar auf dieser nieselfeuchten Straße zum Abbremsen zwingt.
Deutsches Weintor Schweigen-Rechtenbach
Am Deutschen Weintor in Schweigen-Rechtenbach machen wir einen Stopp.
Das Deutsche Weintor in Schweigern, kurz vor der deutsch-französischen Grenze
Drei leichte Kurven hinter dem
deutschen Weintor finden wir uns auf französischem Boden in Wissembourg wieder.
Einen Bummel durch diese 1179 erstmals erwähnten Stadt mit ihren malerischen
Fachwerkhäusern beschließen wir typisch französisch vor einem kleinen Café.
Wissembourg
In Wissembourg, Brückchen über die LauterWissembourg, Maison du Tanneur, das Gerberhaus unter dessem großen Dach früher die Häute getrocknet wurden
Outre-Forêt
Die kleine D 244 bringt uns mit sanften Kurven durch schön
restaurierte Fachwerkdörfchen. Hier im „Outre-Forêt“ ist die Landschaft nur von
Hügelchen unterbrochen. Auch Lauterbourg, das schon zu Römerzeiten besiedelt
war, sieht uns flanieren. Vor dem Rathaus werden wir vom Vorsitzenden des
Fremdenverkehrsverbandes höchstpersönlich angesprochen und auf die
Sehenswürdigkeiten der Stadt hingewiesen. Stolz präsentiert er uns im Rathaus
den römischen, dem Jupiter geweihten Altar, der bei Ausgrabungen am Schloss
gefunden wurde. Wir finden im Anschluss eine Crêperie, Kultur macht hungrig.
Karen hinter mir wird immer langsamer, als wir nur noch 40 fahren stoppe ich, um die Ursache zu erfragen. Sie hat ein total unsicheres Gefühl, denn die Stollenreifen der XLR schwimmen auf dem Straßenbelag aus bitumierten runden Kieseln. Die Fahrschule hat sie auf einer Suzuki GN 125, natürlich mit Straßenreifen, absolviert. So ist ihr vieles an ihrem eigenen, neuen Moped noch ungewohnt. Erst als wir von der D 248 auf die D 28 abbiegen erreichen wir wieder unsere Höchstgeschwindigkeit von fast 80 km/h. In Esch sehen wir unsere erste Casemate, eine Bunkeranlage der Maginot-Linie, aber das Gelände ist umzäunt und mit einem Tor verschlossen, ebenso wie das Museum zum Thema in Hatten, das nur an Wochenenden Besichtigungen erlaubt, schade!
Betschdorf – Töpferdorf
Die Töpfereien in Betschdorf
haben im Gegensatz dazu immer geöffnet. Wie gut, dass wir auf den Mopeds nicht
viel mitnehmen können, denn es werden wunderschöne Dinge hergestellt, von
Töpfer zu Töpfer in Form und Farben unterschiedlich. Wir folgen jetzt wieder
einer kleinen „D“ nach Surbourg. Auch hier schöne Fachwerkhäuser mit
Inschriften, die auf Bauherren und Baujahr hinweisen. Ein Haus hat eine
hebräische Inschrift und erinnert an die einst bedeutende jüdische Gemeinde.
Nach wenigen Kilometern haben wir unser heutiges Tagesziel, das
Motorradfahrer-Hotel Beau-Sejour in Morsbronn, mit 168 km mehr Routine auf dem
Tacho, erreicht. Nach einem ausgezeichneten Abendessen, Benzingesprächen in
denen wir die heutigen schönen und schwierigen Fahrsituationen Revue passieren
lassen und einigen Kartenspielen, schlafen nicht nur die Hondas gut unter
diesem Dach.
Hotel-Restaurant Beau-Sejour in Morsbronn-les-Bains, Hauptgang beim Abendessen
Morsbronn-les-Bains
Durch den Straßenlärm der
direkt vor unserem Fenster verlaufenden D 27 werden wir schon früh geweckt.
Nach einem französischen Frühstück packen wir nur Tagesgepäck für die heutige
Rundtour auf unsere Mopeds. Zum Eingewöhnen soll es erst noch ein wenig durch
den flachen „Outre-Forêt“ und später dann in die bergigen Nordvogesen gehen.
Beim ersten Stopp in Woerth entdecken wir ein altes Wasch„haus“, überdachte
Planken, die durch eine Höhenregelung immer dem Wasserstand des Flüsschens
Sauer angepasst wurden. Allein beim Betrachten der schwankenden, harten Bretter
und der Kälte des Wassers fühlen wir Schmerzen in Knien und Händen und danken
dem Erfinder der Waschmaschine.
Karen parkt vor dem Dach des alten Waschplatzes
Erdölmuseum in Merkwiller-Pechelbronn
In Merkwiller-Pechelbronn gibt
es ein „Musée de Pétrol“ und zwar deshalb, weil der Ort (wer hätte das
gedacht?) ein reiches Mineralölvorkommen hat. Mitten im Dorf wird auf einer
Häuserwand schematisch die Erdölförderung dargestellt, davor ist eine
elektrische Pumpe installiert.
Die Erdölpumpe kam uns erst mal ungewöhnlich für die Landschaft vor
Auf der Weiterfahrt haben wir
auch an unserer zweiten Möglichkeit, etwas genaueres über die Maginot-Linie zu
erfahren, Pech. Auch das Artilleriewerk Schoenenbourg ist ab Oktober nur noch
am Wochenende für Besucher geöffnet.
Karen betrachtet die oberirdischen Bunkerausgänge des B Artilleriewerks Schoenenbourg
Cleebourg
Die besonders malerischen Orte
Hunspach und Seebach durchfahren wir im Schritttempo bevor wir uns dem
Weinanbaugebiet des nördlichen Elsass nähern. In der Winzergenossenschaft in
Cleebourg werden die Fässer im dreistöckigen Keller, die 16.000 l fassen, jetzt
im Oktober wieder mit Tokayer, Auxerrois und Gewürztraminer gefüllt. Schweren
Herzens verzichten wir auf eine Weinprobe, denn allein der Duft des „Neuen
Weines“, der uns schon auf dem Parkplatz empfängt, macht uns beschwippst.
Col du Pigeonnier
Ich schalte runter, noch mal,
bremse leicht an und betrachte den Kurvenverlauf, noch einen Gang runter und
schön reingelegt. Im Spiegel beobachte ich Karen hinter mir. Super, die erste
Serpentine ist geschafft, und zwar runder als meine! Cool passiert Karen ihren
ersten Pass, den Col du Pigeonnier mit stolzen 432 Höhenmetern über dem
Meeresspiegel. Mit schöner Aussicht ins Tal auf die sich verfärbenden Wälder,
folgen wir der D 3 bis Climbach und biegen dort scharf rechts nach Petit Wingen
ab. Nun gibt es nur noch schmalste Sträßchen mit Kurven und Ruinen von
unzähligen Châteaus. Es sind fast keine Autos unterwegs, wir können uns ganz
dem Fahren mit den beiden wendigen Motorrädern hingeben. Am Ausflugslokal
Gimbelhof angekommen, dessen Wirtsleute Montags und Dienstags leider ausruhen,
genießen wir den Blick auf die Reste von Fleckenstein, Hohenbourg und
Loewenstein.
So wird die Burg Fleckenstein früher mal ausgesehen haben
Nach Col de Litschhof (337 m) passieren wir nach einem kleinen Abstecher nach Deutschland den Col du Gœtzenberg (400 m) und die Ruinen der Châteaus Blumenstein, Wasigenstein und Lutzelhardt. Zum Relaxen folgen wir der D 35 westlich und dann der D 87 südöstlich durch eine traumhafte Allee. Wir müssen fast zeitgleich auf Reserve umschalten und wissen nun nicht genau, wie weit wir noch mit Motorkraft kommen, denn ich habe die Vigor nur geliehen und Karens XLR ist neu, es gibt keine Erfahrungswerte! So konzentrieren wir uns nun auf Tankstellensuche, statt die Ruinen Schœneck, Neuf und Windstein anzusteuern. Die Casemate von Dambach interessiert uns nun genauso wenig wie die Reste der Schmiede in Jaegerthal aus dem 17. Jahrhundert. In Niederbronn spreche ich mit meinem schlechten Französisch einige Jugendliche an, zeige auf den Tank und radebreche was von Benzin. Als die Jungs auf sächsisch antworten, sie wären nicht von hier, fällt Karen fast vor Lachen von der XLR.
Nach bangem Suchen finden wir in Reichshoffen eine uralte Werkstatt mit Zapfsäulen für Diesel und Superbenzin und erstehen für 44 D-Mark 20 l Sprit für die beiden Spielzeugtanks. In einem Café in Niederbronn verdauen wir die französischen Benzinpreise, bevor wir uns auf die höchste Erhebung, den Grand Wintersberg mit immerhin 580 Höhenmetern stürzen.
Grand Wintersberg
Die Fahrstraße hinauf ist ohne jegliche Absicherung teilweise eng an den Berg geschmiegt. Links fällt der Wald steil bergab, rechts steigt er über Felsen ebenso bergan, durch enge Kurven winden wir uns hinauf. Karen ist von dieser Art zu wandern völlig begeistert, endlich nicht mehr laufen müssen! Ich erklimme aus einer sportlichen Anwandlung heraus die 144 Stufen des 25 m hohen Aussichtsturms oben auf dem Plateau und genieße die Aussicht in Richtung der Nordvogesen, wo wir ab morgen die Passhöhen steigern wollen. Wir kommen auf der N 62 aus dem Wald, schlagen uns aber gleich nach Niederbronn wieder auf unseren kleinen, von wenigen Autos frequentierten, „D´s“ zurück nach Morsbronn.
Nach den ersten zwei trüben
Tagen empfängt uns heute Morgen die Sonne mit hellen Strahlen. In Oberbronn staunen
wir über schmale Gassen.
Oberbronn, uraltes Haus vor einem plätschernden Brunnen, von denen die Frauen früher das Wasserr nach Hause schlepptenOberbronn, durch diese hohle Gasse muss Karen kommen
Eine Gasse, links am Rathaus, führt
steil hinauf in den Wald zur Ruine des Châteaus Wasenbourg. Erst als wir nach
dieser neuerlichen Kurvenorgie, durch noch dicht belaubte Wälder, am Rand der
Ebene, durch Zinswiller, Offwiller und Rothbach fahren, wärmt uns die Sonne
wieder. Aber gleich geht es erneut auf kleinen Straßen in die Wälder. Völlig
unerwartet kommt mir in einer Rechtskurve ein Auto auf meiner Seite entgegen,
nur dadurch, dass ich sowieso ganz rechts fahre kann ich ausweichen. Nach einem
Adrenalinstoß blicke ich in die Rückspiegel,
Karen kommt, weit in der Mitte der Fahrbahn, gemütlich um die Kurve getuckert
und hat von der Situation gar nichts mitgekriegt. Ob es bei ihrer Fahrweise
auch so glatt ausgegangen wäre? Die aus dem 13. Jh. stammende Burg Lichtenberg
erreichen wir genau vor der Mittagspause, ja machen die extra alles zu, wenn
wir kommen??
Wir beschließen den zarten weißen Linien auf der Landkarte, über Reipertswiller, Melch und Mouterhouse nach Bitche, einer Stadt in Lothringen, zu folgen. Als wir Schwangerbach passieren, postiert sich Karen vor das Ortsschild, ich hoffe auf keine schreienden Ergebnisse nach neun Monaten.
Schwangerbach, das Ortschild hat es Karen angetan. Wo mag der Ortsname wohl herkommen?
Bitche Festung
Der Anblick der Zitadelle von
Bitche, die die Stadt überragt, ist imposant. Dies ist keine der bisher
gesehenen Festungsanlagen, sondern wurde Mitte des 18. Jahrhunderts
ausschließlich für militärische Zwecke auf einem Sandsteinfelsen, inmitten
einer weiten Talmulde in die fünf bedeutende Straßen münden, errichtet. Die
Zitadelle ist nicht nur oberirdisch angelegt, sondern Gänge und Säle sind auch
unterirdisch in die Felsen hineingearbeitet. Diese Informationen erhalten wir
in der Tourist-Information ebenso, wie einen Hinweis auf die Maginot-Anlage
„Fort Casso“ in Rohrbach.
Bitche, Blick zur Zitadelle, die die Stadt überragt
Linie Maginot
Beide Besichtigungen dauern ca. 2 Stunden, wir entscheiden uns für die jüngere Geschichte und folgen der N 62 nach Rohrbach. Diesmal haben wir tatsächlich Glück, gleich soll außerplanmäßig eine Führung stattfinden. Die Linie Maginot, eine Verteidigungslinie, benannt nach dem Kriegsminister André Maginot, sollte, nach den Erfahrungen des ersten Weltkriegs, die Deutschen an einem Einmarsch nach Frankreich hindern. Geplant war eine Befestigungsanlage von Dünnkirchen bis nach Nizza, bestehend aus unterirdischen Festungen mit dazwischen liegenden Kasematten (Bunkern), die untereinander nur oberirdisch zu erreichen waren. Dass der Plan nicht aufging und die deutschen Kriegstreiber im zweiten Weltkrieg über Belgien Frankreich überrannten, hat nichts mit der Genialität des Vorhabens zu tun. Einige Stellungen, darunter auch „Fort Casso“, haben sich erst auf Befehl der Regierung den Deutschen ergeben. Die Besatzung der Festungen war in der Lage, ohne Kontakt zur Außenwelt, zwei Monate zu überleben und die Grenze zu verteidigen. Nach über zwei gelehrsamen Stunden, die jedoch eher die Unsinnigkeit von kriegerischen Auseinandersetzungen betonten, kommen wir bei Sonnenuntergang wieder ans Tageslicht.
Rohrbach Fort Casso der Maginot-Linie, Eingang zu Block II, dem Besuchereingang
Die heutige Motorrad-Tour, die eigentlich durch den „krummen Elsass“ führen sollte, wird auf Grund der fortgeschrittenen Zeit drastisch gekürzt. Die D 36, 37 und ein schnuckliges kleines kurviges Gässchen mit Nummer 256 bringen uns zur Familie Bergmann in Wingen sur Moder und ihrer Motorradpension. Wir schieben die Motorräder in den Schuppen hinten im Garten, wo mehrere Guzzis in verschiedenen Zusammenbaustadien ihr Dasein fristen. Im Garten gibt es einen kleinen Pool, schade, dass es schon so spät im Jahr ist. Monsieur Bergmann, der eine Guzzi-Werkstatt betreibt, gibt uns am Abend etliche Tourenvorschläge. Unsere Tour ist aber schon vorbereitet und er staunt nicht schlecht, dass mein Roadbook die Highlights, die er uns nennt, fast alle aufführt.
Während wir am Morgen Kettenspannung, -schmierung und Ölstand kontrollieren, korrigiert Herr Bergmann bei Karens XLR die Kupplung. Sie kam immer erst spät und das steigerte Karens Unsicherheit. Heute ist Karen die Führende, hat das Roadbook auf dem Tankrucksack und fährt vor mir her. Das gehört zu dem Training, dass ich mit dieser Motorradtour auch beabsichtige. Sie soll lernen, mit Blick auf Landkarte und Roadbook, den Blick auf die Straße nicht zu verlieren. Heute ist außerdem Kurventraining angesagt. Wir bekommen einen kleinen Vorgeschmack auf der Strecke nach La Petite Pierre, wo wir kurz Burg Lützelstein einen Besuch abstatten.
La Petite Pierre
La Petite Pierre, Außenansicht von Château de Lützelstein, Sitz der Verwaltung des Parc Régional des Vosges du Nord
Ganz romantisch ist die Fahrt
nach Graufthal. Sonnige Wälder, durch die Nebelschwaden wabbern, kleine Seen,
die das Herbstaquarell der Wälder spiegeln, unterbrochen von tauglänzenden
Wiesen begleiten uns auf der schmalen D 178. Die Besonderheit in Graufthal sind
die, noch bis 1958 bewohnten, Höhlenhäuser – Grotten in den
Buntsandsteinfelsen.
Höhlenwohnungen in Graufthal
Aber wir wollen nicht schon wieder unter die Erde und machen uns auf den Weg zum Schiffshebewerk nach St. Louis-Arzwiller. Wir tangieren Saverne und folgen der D 138. Rechts von uns bewegt sich plötzlich eine Jacht auf der Wiese vorwärts, ein zweiter Blick entdeckt den Rhein-Marne-Kanal, der sich unbedarft durch die Landschaft schlängelt.
Schiffshebewerk St. Louis-Arzwiller
Im Schiffshebewerk überwindet der Kanal mit dem Schrägaufzug die Höhe von 44,55 m, Freizeitkapitäne sparen dabei 4 km Fahrt und 17 Schleusen! Wir beobachten dieses technische Schauspiel auch im Maschinenraum, wo zwei Elektromotoren mit 120 PS die große „Badewanne“ auf- und abwärts bewegen.
Schiffshebewerk in St. Louis-Arzweiler am Rhein-Marne-Kanal
Wir biegen von der D 98 auf die D 45 ab und nun geht’s richtig rauf! In schönen, weit geschwungenen Kurven folgen wir dem Schild nach Dabo. In einer Rechtskurve stockt mir beim Blick nach links der Atem, ich halte an. Was ist denn das für ein Ding? Durchs Zoom vom Fotoapparat erkenne ich, dass auf einem steilen Felsvorsprung eine Kirche steht, quasi als Zeigefinger Gottes! Ich krame im Fremdenführer. Da habe ich tatsächlich überlesen, das auf dem 664 m hohen Rocher de Dabo die Leokapelle steht, die an Pabst Leo erinnert, dessen Mutter aus Dabo stammte. Irre, wie unwirklich das Gebilde über dem immer noch dunstigen Tal thront! Karen kommt mir auf der Weiterfahrt entgegen, sie hatte erst in Dabo bemerkt, dass ich nicht mehr hinter ihr bin und sich Sorgen gemacht. Als ich ihr in einer Kurve den unbeschreiblichen Anblick zeige, kann sie es genauso wenig fassen wie ich. Trotzdem ist sie nicht zu einer Besichtigung zu bewegen, sondern will jetzt endlich Kurven fahren!! Ist ja gut, will ich ja eigentlich auch.
Kurven fahren, brmmmm
In Serpentinen schrauben wir uns weiter hoch über den Col de Valsberg mit 652 m, wieder herunter und halten uns an der Kreuzung zur D 218 rechts. Ich beobachte, wie Karen die Kurven immer runder, souveräner nimmt, längst nicht mehr so eierig wie anfänglich, doch in den Linkskurven noch zu weit in der Mitte, problematisch bei Gegenverkehr. Wir genießen die Kehren gegen die tiefstehende Sonne noch bis zum Aussichtsparkplatz vom Château de Nideck. Dort beschließen wir die Rückfahrt durch Saverne, mit einem Caféstopp. Nun, mit der Sonne im Rücken, lassen sich die kurz aufeinanderfolgenden Serpentinen der D 218 besser nehmen. Gemächlich, mit schönem Blick auf das „Auge des Elsass“ – das Château du Haut-Barr, rollen wir in die Ebene. Ein Stau wegen eines Unfalls lässt uns über die Unbillen des Straßenverkehrs diskutieren.
Über kleine, verschwiegene
„D´s“, durch tiefe Wälder und beschauliche Ortschaften kommen wir mit der Dämmerung
zu unserem Quartier zurück. Ein Abendspaziergang führt uns zur
Flammkuchenwirtschaft „Au Tilleul“. Diese Spezialität wird auf einem großen
Brett serviert, ist hauchdünn und knusprig, dazu schmeckt das Elsässer Bier
herrlich.
Zum Abschied ist heute morgen
wieder Herbstnebel aufgezogen, doch die Sonne versucht ihr Bestes. Monsieur
Bergmann zeigt uns noch Fotos von ihm auf Mopedtour mit seinem 17-jährigen
Sohn, in Karens Augen kann ich lesen: Schade, dass der nicht hier war! Bei der
Abfahrt ist es noch empfindlich kalt, die Sonnenstrahlen, die durch die Bäume
auf die Straße scheinen, erzeugen Discoatmosphäre wie Strobolicht.
Die Sonnenstrahlen wirken wie Strobolichtund erschweren das Fahren – aber schön sieht es aus
Hanauer Ländchen
Wir freuen uns, die Wälder zu verlassen und über offenes Land in der wärmenden Sonne zu fahren. Zwar ist die Strecke nun nicht mehr so spannend aber wir machen ja eine Kultour. Letzter Stopp in Frankreich ist das Städtchen Bouxwiller im „Hanauer Ländchen“. Auch hier, wie übrigens überall im Elsass, sieht man die vielfältige Geschichte in den Gebäuden dokumentiert.
Bouxwiller, krummes, bewohntes Fachwerkhaus
In einer Patisserie erstehen wir noch Mitbringsel für Karens kleine Schwester und ihre Tante, meine Schwester, die aufeinander aufpassen, während wir unterwegs sind. Über verschiedene größere „D´s“ erreichen wir nach insgesamt 578 km wieder unseren Ausgangspunkt Wissembourg. Karen, die mal wieder vorne fährt, biegt kurz hinter der Grenze auf die Autobahn ab, statt noch länger der Bundesstraße zu folgen. Ich halte ihr hinter ihr fahrend die LKW´s vom Leib, die relativ genervt unsere Bemühungen, die XLR-Schallgrenze von 80 km/h zu durchbrechen, beobachten. Plötzlich zappelt Karen vor mir auf dem Moped, aber erst zu Hause ergibt sich die Gelegenheit zu fragen, was für eine Bedeutung das hatte. Die 1000 km auf dem Tacho waren erreicht, ach so! Aber genau diese Fahrpraxis und unsere Gespräche über das gemeinsam Erlebte haben in den fünf Tagen Karens Fahrsicherheit enorm erhöht. Und ganz sicher ist: der Elsass hat uns nicht zum letzten Mal gesehen.
Nach der Rückkehr werden die Mopeds geputzt
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Anfang 1987 überlegte ich mit Karen unser Urlaubsziel. Ich machte nach der Trennung von Karens Papa eine Fortbildung und würde im Juni wieder in meinen Beruf Vollzeit einsteigen können. Aber davor wollten wir mindestens drei Wochen Urlaub machen.
Karen entschied sich fürs „große Meer und die hohen Berge“. Ich wollte gerne mal wieder unterwegs sein, aber wir hatten nicht viel Geld. So kam ich auf die Idee, eine Interrailtour zu machen, da ich noch unter 26 Jahren alt war und Karen erst drei Jahre. Das Interrailticket galt damals europaweit, auch auf Fähren und „Sonderbahnen“ und war doch recht günstig. Für Karen kostete die Beförderung noch gar nichts. Da sie mit in meinem Bett schlief, war sie bei den meisten Unterkünften auch kostenlos. Innerhalb Europas waren alle Bahnfahrten mit dem Ticket bezahlt. Aber im ticketausstellenden Inland mussten 50% des regulären Fahrpreises gezahlt werden. Wir wohnten in Darmstadt, von dort ist das naheliegendste Ausland Frankreich.
Reiseplanung vor dem Internetzeitalter
Für junge Leserinnen und Leser: Das war im Zeitalter vor Internet und Mobiltelefon für normale Menschen! So schaffte ich mir das dicke Kursbuch Europa an und den Interrail-Reiseführer „Billig-Unterwegs“ und machte mich an die Planung.
Unser Zug fährt ein, das Abenteuer geht los
Ich besaß einen damals topmodernen Rucksack. Am Aluaußengestell waren drei unterschiedlich große Taschen befestigt, an denen auf den Taschenseiten wiederum kleine Taschen angenäht waren. Es gab eine Deckelklappe und die Möglichkeit, außen noch einiges anzubinden. Dort waren alle Kleidung, Waschzeug und Handtücher, die Strandmatte und Schwimmflügel untergebracht. In einer Umhängetasche trug ich unser Proviant. An meinem Gürtel hatte ich eine kleine Tasche der Bundeswehr befestigt, in der ich Papiere, Tagebuch, Kursbuch, Reiseführer und das wenige Geld hatte. Karen trug meinen alten Kinderrucksack mit Büchern, Autos und Strandspielsachen auf dem Rücken und ihre Trinkflasche um den Hals.
Paris
Wir starteten an Karfreitag früh am Morgen. Erstes Ziel: Paris. In Paris kamen wir mittags an, brachten unser Gepäck in die Absteige und entdeckten die Stadt und die Spielplätze der Stadt.
Karen steht an der Kaimauer der Seine, im Hintergrund Notre DameAuf dem Spielplatz in Paris darf Karen Lokführerin sein
Ein Trick zum billig unterwegs sein besteht darin, möglichst nachts in der Bahn zu reisen, um Hotelkosten zu sparen. Damals gab es noch die alten Kurswagen, wo man gegenübeliegende Sitze zueinander ziehen konnte und so eine Liegefläche erhielt. Ostersamstag am Abend nahmen wir den Nachtzug nach Marseille und weiter nach Monaco, wo wir den Ostersonntag verbrachten. Ja, sogar dort war der Osterhase herumgehoppelt und hatte Eier versteckt!
Nach der Ostereiersuche und einem ausgiebigen Spielplatzbesuch sitzt Karen am Ostersonntag erschöpft am Springbrunnenrand
Rom
Mit dem Nachtzug reisen wir weiter nach Rom, und kamen am Ostermontag um 5.30 Uhr morgens an. Leider verlies ich den Bahnhof auf der falschen Seite und schlug die falsche Richtung zur Herberge ein, entfernte uns immer mehr davon. Bei unserem sehr frühen Stadtrundgang hatten wir allerdings die Stadt für uns, am Ponte di Trevi waren wir völlig allein! Beide waren wir zunehmend ungeduldig, denn wir hatten Hunger. So gönnten wir uns ein italienisches Frühstück und erkundigten uns nach dem Weg. Ohne Gepäck durchstreiften wir später Rom und blieben bis Dienstagabend.
Am Ostermontag ist vor der Markuskirche nicht mehr viel losKaren hat den Löwen an einem Brunnen in Rom erklettert und ruht ausKaren hat mich vor dem Trevibrunnen in Rom fotografiert
Der Nachtzug brachte uns nach Brindisi. Wir spazierten zum Hafen und bezogen in der Fähre nach Patras ein 8 m³ „großes“, fensterloses Kabuff. Wir fühlten uns beide äußerst unwohl und verbrachten viel Zeit an Deck. Erst als wir völlig müde waren, gingen wir in unsere „Kabine“ und schliefen gleich ein.
In Patras bestiegen wir froh den Zug. Endlich wieder Licht und „Fluchtmöglichkeit“ im Ernstfall. Schon im Zug nach Athen wurden Flugblätter der billigsten „Youth-Hostels“ verteilt. In einem davon stiegen wir ab und erkundeten die Altstadt von Athen. Wir entschieden, am nächsten Tag mit der Fähre nach Milos, einer Kykladen Insel, zu fahren. Ein öffentlicher Bus brachte uns zum Hafen von Piräus. Nach einigem Hin und Her bestiegen wir die Fähre. In Milos erwarteten die Zimmeranbieter die Gäste bereits am Fähranleger. Wir entschieden uns für ein kleines Hotel in Hafennähe.
Piräus
Die Fähre legt im Hafen von Piräus ab auf dem Weg nach MilosKaren genießt die Fahrt auf der Fähre nach Milos
Milos
Nun war für eine Woche „Urlaub“ angesagt. An einem Ort bleiben, Wandern, Sehenswürdigkeiten besichtigen und am Strand Sandburgen über Sandburgen bauen. Zum Schwimmen war das Meer leider zu kalt. Abends gingen wir zum Abendessen in ein kleines Lokal und lernten dort andere Reisende kennen. Eine Dänin, einen Spanier und einen Australier. Wir schlossen uns zusammen und verbrachten einige Tage gemeinsam. Alle bemühten sich, mit Karen Unterhaltungen in Deutsch zu führen, bzw. Karen versuchte sich in den jeweiligen Sprachen und konnte schon bald einige Worte Dänisch, Spanisch und Englisch.
Da das Meer zu kalt zum Baden ist, machen wir Spaziergänge auf MilosSpaziergänge machen mit vielen Betreuern noch mehr Spaß
Wir entdeckten auf unseren Spaziergängen eine Fischersiedlung, in der ein deutschen Straßenschild hing und schauten uns eine Tanzvorführung von Karen im alten Amphitheater an.
Eine Bilderbuchhafensiedlung auf der Insel MilosDiese Fischer wohnte wohl einige Zeit in Deutschland in der ElisabethstraßeDie Reste des Amphitheaters in Milos in schlechter Bildqualität
Ein Kälteeinbruch zum 1. Mai forderte uns kleidungsmäßig heraus. Um warm zu bleiben trugen wir alle Kleidung übereinander, angefangen mit dem Schlafanzug als lange Unterwäsche.
Dick in Kleidung eingepackt trotzen David und Karen der Kälte
Der Australier, David, lud uns zu sich nach Hause ein. So wurde die Idee für die nächste große Reise geboren, die Ende September 1989 startete. Nach einer Woche fuhren wir zurück nach Athen. David zeigte uns noch einige Sehenswürdigkeiten und wir besichtigten das griechische Nationalmuseum. Leider sind die Fotos, die wir nach Milos aufgenommen hatten, im Zuge meiner verschiedenen Wohnungsumzüge verloren gegangen.
Athen-Venedig in zwei Tagen
Mit der Zugverbindung Athen-Venedig reisten wir zwei Tage durch ganz Jugoslawien. Teilweise in Fußgängergeschwindigkeit. In Venecia-Mestre stiegen wir innerhalb von 4 Minuten in den Zug nach Milano um und dort in den nächsten nach Tirano. Ich hatte herausgefunden, das wir ab Tirano mit der Räthischen Eisenbahn weiterfahren konnten. Die Fahrt über den Bernina war atemberaubend, immer in Kreisen schraubt sich die Bahnstrecke den Berg hoch, bis in den ewigen Schnee. Unsere teuerste Übernachtung hatten wir in Sankt Moritz. Ich rief von dort einen Bekannten in der Nähe von Zürich an, den wir besuchen wollten. Er holte uns in Siebenen am Bahnhof ab und wir verbrachten noch fünf Tage in seinem Haus in Innerthal, bevor wir über Basel die Heimreise nach Darmstadt antraten.
Die Reise, die sich in Kurzform sehr stressig anhört, war aber eine Bereicherung für uns beide. Ich hatte die Route grob geplant und mich unterwegs immer wieder neu über die Weiterreise zum nächsten Ziel entschieden. Ich hatte durch die Bahnreisen viel Zeit, mit Karen zu spielen. In dem Alter sind die Kids sowieso sehr wissbegierig und interessiert an Allem. Karen war auch kein scheues Kind. Sie freundete sich immer schnell an, ob Hotelier, Katze, toter Maikäfer oder Schalterbeamte. Sie war immer fröhlich und gesprächig. Wenn Sie müde war, fanden wir immer irgendwo ein stilles Örtchen, wo sie ihr Mittagsschläfchen machen konnte. Während der Bahnfahrten war das sowieso kein Problem.
Ihre Wünsche hatten sich erfüllt, denn die Hohen Berge hatte sie gesehen. Einen sogar mit der Gondelbahn und mit einer Rundwanderung erklommen. Das große Meer hatte sie auch gesehen und sogar mit sehr großen Schiffen befahren.
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Willkommen
Hallo von Anne-Bärbel
Ich bin eine Reisende -fern und nah-, Abenteurerin, Humanistin, Freigeist. Reisepunsch.de bietet die Vielfalt des Reisens in Geschichten, Tipps, Infos, Genuss, und Empfehlungen. Für Dich zum Teilhaben oder vielleicht zum Selbsterleben!?